22. August
Lesung 4-6Predigt des hl. Bernhard:
Es gibt nichts, was mir mehr Freude macht, aber auch nichts, was mir
größeren Schrecken verursacht, als wenn ich über die Herrlichkeit der
Jungfrau Maria sprechen soll. Denn seht, wenn ich ihre Jungfräulichkeit
preise, dann steht vor meinen Augen eine große Schar Jungfrauen, die ihr
folgen. Wenn ich ihre Demut preise, dann finden sich wohl wenigstens
einige, die, so wie ihr Sohn es gelehrt, sanftmütig und demütig von
Herzen geworden sind. Wenn ich die Fülle ihrer Barmherzigkeit preisen
will, gibt es doch auch einige Männer, auch Frauen, die Barmherzigkeit
besitzen. Doch eines gibt es, in dem sie weder vorher ihresgleichen
hatte noch in der Folge haben wird: ihre Mutterfreuden gepaart mit dem
Vorzug der Jungfräulichkeit. Das ist das Vorrecht Mariens; das wird
keiner anderen verliehen werden; ganz einzigartig ist es; doch sofort
sieht man, daß es auch ganz unaussprechlich ist. Doch nicht nur das. Wenn du genau achtgibst, wirst du finden, daß
auch die übrigen Tugenden, die scheinbar überall sich finden, in Maria
in ganz einzigartigem Maße vorhanden sind. Welche Reinheit, und wäre es
die eines Engels, könnte sich mit ihrer Jungfräulichkeit vergleichen,
die würdig war, das Heiligtum des Heiligen Geistes, die Wohnstätte des
Gottessohnes zu werden? Welche Demut, welche kostbare Demut aber findet
sich neben solcher Reinheit, neben solcher Unschuld, bei diesem von
Sünden völlig reinen Gewissen, ja, neben einer solchen Fülle von Gnaden!
O du Selige, woher hast du deine Demut, diese große Demut? Ja, du warst
würdig, daß der Herr auf dich herabschaute, daß der König nach deiner
Schönheit verlangte, daß er durch deinen lieblichen Wohlgeruch von
seiner ewigen Ruhestätte im Schoße des Vaters herabgezogen wurde. Siehe, so gut wir konnten, haben wir dich mit unseren Wünschen bei
deiner Auffahrt zu deinem Sohne begleitet und sind dir wenigstens von
ferne gefolgt, du gebenedeite Jungfrau. Möge deine Güte es bewirken, die
Gnade, die du bei Gott gefunden hast, aller Welt zu offenbaren. Erwirke
durch dein heiliges Gebet den Schuldigen Verzeihung, den Kranken
Heilung, den Kleinmütigen Kraft, den Betrübten Trost, den Gefährdeten
Hilfe und Rettung! Möge auch heute, an diesem Tage der Feier und der
Freude, dein Sohn Jesus Christus, unser Herr, allen seinen Dienern, die
den süßen Namen Mariens mit Lobpreis anrufen, durch dich, milde Königin,
seine Gnadengaben reichlich spenden, er, der als Gott hochgepriesen ist
in Ewigkeit. Amen.
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