Freitag, 10. Februar 2017

Passionssonntag - Hl. Leo aus dem Brevier

Lesung 4-6

Predigt des hl. Papstes Leo

Geliebteste! Wir wissen, daß von allen christlichen Festgeheimnissen das Ostergeheimnis das bedeutsamste ist. Dies würdig und geziemend zu begehen, dazu bereiten uns die frommen Übungen des ganzen Jahres vor. Doch eine ganz besondere Andacht verlangen von uns diese Tage jetzt, die dem erhabensten Geheimnisse der göttlichen Barmherzigkeit unmittelbar vorausgehen. Für diese Tage haben mit Recht die heiligen Apostel schon auf Eingebung des Heiligen Geistes ein strengeres Fasten angeordnet, damit wir alle am Kreuze Christi teilnehmen und auch etwas von dem tun, was er für uns getan hat. Der Apostel sagt ja auch: Wenn wir mit ihm leiden, werden wir auch mit ihm verherrlicht werden. Ja, sicher und gewiss ist unsere Hoffnung auf die verheißene Seligkeit, wenn wir teilnehmen am Leiden des Herrn. Geliebteste! Keinem wird wegen der jetzigen Zeitverhältnisse der Anteil dieser Herrlichkeit versagt, als ob Ruhe und Frieden keine Gelegenheit zur Übung der Tugend bieten würden. Denn der Apostel lehrt: Alle, die fromm leben wollen in Christus, werden Verfolgung leiden; und so fehlt nie die Trübsal der Verfolgung, wenn nur das Streben nach Frömmigkeit nie aufhört. Auch der Herr mahnt uns: Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert. Ohne Zweifel ist dieses Wort nicht blos an die Jünger Christi gerichtet, sondern an alle Gläubigen und an die ganze Kirche, die in der Person derer, die dabei waren, ganz allgemein vernahm, was zum Heile ist. Wie es als Pflicht der ganzen Kirche ist, fromm zu leben, so ist es auch zu jeder Zeit Pflicht, das Kreuz zu tragen. Mit Recht wird einem jedem angeraten, es zu tragen, weil es in verschiedener Weise und Schwere auf eines jeden Schulter ruht. Eine Bezeichnung gibt es für die Verfolgung, doch sehr verschieden ist die Art des Kampfes. Oft droht größere Gefahr von einem verborgenen Feind als von einem der offen auftritt. Der selige Job, der den Wechsel von Glück und Unglück in dieser Welt erfahren hatte, sagte fromm und wahr: Ist das Leben des Menschen auf Erden nicht eine Prüfung? Denn nicht alleine Schmerzen und Qualen des Körpers suchen die gläubige Seele heim, sondern bei bester körperlicher Gesundheit kann sie von schwerer Krankheit bedrängt werden, wenn sie durch sinnliche Lust verweichlicht wird. Da das Fleisch wider den Geist gelüstet und der Geist gegen das Fleisch, so wappnet sich die vernünftige Seele mit dem Schilde des Kreuzes Christi, und wenn schädliche Lust sie reizt, willigt sie nicht ein, weil sie wie mit den Nägeln der Enthaltsamkeit und der Gottesfurcht durchbohrt ist.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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