Dienstag, 21. Februar 2017

Freitag in der Oktav des Hochfestes des hl. Joseph - Hl. Chrysostomus aus dem Brevier

Lesung 4-6
Predigt des hl. Johannes Chrysostomus

Im Altertum war es vielfach Sitte, daß die Braut im Hause des Bräutigams lebte. So wohnte auch Maria mit ihrem Bräutigam zusammen. Warum hat die Jungfrau nicht schon vor ihrer Verlobung empfangen? Sicherlich, damit das hohe Geheimnis vorläufig den Menschen verborgen blieb und die Jungfrau vor jedem falschen Verdacht sicher war. Denn wenn man sieht, wie Joseph, der doch mit Recht hätte eifersüchtig werden können, seine Braut nicht verstößt und sie nicht der Schande überläßt, vielmehr sie in sein Haus aufnimmt und auch noch nach der Empfängnis für sie sorgt, da wird einem doch klar, daß er genau wußte, daß ihre Empfängnis vom Heiligen Geist gewirkt war; denn sonst hätte er sie niemals bei sich behalten und wäre ihr nicht in allen Dingen behilflich gewesen. Joseph aber, der gerecht war und sie nicht in üblen Ruf bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu entlassen. Nachdem der Evangelist gesagt hat, daß die Empfängnis durch den Heiligen Geist geschehen sei, ohne jede eheliche Gemeinschaft, bestätigte er das gesagte auf andere Weise. Es sollte nämlich niemand sagen: Wie kann man das beweisen? Wer hat es gesehen? Wer hat jemals etwas ähnliches gehört? Und es sollte niemand meinen, der Evangelist habe das alles erdichtet, um bei seinem Meister gut zu stehen. Deshalb führte er den Joseph an, der aus eigener Erfahrung das Gesagte bestätigen kann. Der Evangelist will damit gleichsam sagen: Wenn du mir nicht glaubst und mein Zeugnis dir vielleicht verdächtig vorkommt, dann glaub doch wenigstens dem Gatten. Es heißt nämlich: Joseph, ihr Gatte, war gerecht. Gerecht ist hier, sowie in jeder Beziehung vollkommen. Da er also gerecht, d.h. ein braver, guter Mann war, gedachte er, sie heimlich zu entlassen. Der Evangelist berichtet, was geschah, bevor Joseph den Sachverhalt kannte, damit du umso eher glaubst, was nachher geschah. Wenn Maria wirklich so gewesen wäre, wie der Verdacht es nahelegte, dann hätte sie nicht nur öffentlich bloßgestellt, sondern auch nach dem Gesetze bestraft zu werden verdient; doch Joseph wollte sie nicht nur vor der Strafe retten, sondern sie nicht einmal in Verlegenheit bringen. Da siehst du also, wie dieser edeldenkende Mann frei war von tyrannischer Leidenschaft. Dabei konnte man nicht einmal mehr von einem blosen Verdacht reden, wo doch ihr Äußeres schon den Gedanken nahelegte, daß es wirklich so sei. Aber dieser Mann war von jeder Leidenschaft frei ud er wollte der Jungfrau nicht einmal das geringste Leid zufügen. Wohl lebte er noch unter dem Gesetze und doch dachte er schon höher als das Gesetz. Beim Herannahen der Gnade mußten auch Beispiele höherer Tugend aufleuchten.

(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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