Montag, 20. Februar 2017

Donnerstag in der Oktav des Hochfestes des hl. Joseph - hl. Bernardin von Siena

2. Tag in der Oktav

Lesung 4-6
Aus der Predigt des hl. Bernardin von Siena

Zwischen Joseph und Maria bestand ein regelrechtes Ehebündnis; auf Gottes Eingebung hin war es geschlossen worden. In der Ehe kommt eine solche Herzenseinheit zustande, daß Gemahl und Gemahlin als eine Person gelten; das ist doch die höchste Einheit, die möglich ist. Kann man nun vernünftigerweise annehmen, daß der Heilige Geist mit dieser Jungfrau eine Seele verbunden hat, die ihr nicht vollkommen gleich kam an Tugend? Deshalb glaube ich, daß der hl. Joseph der Reinste war, was Jungfräulichkeit angeht, der Demütigste und Bescheidenste, daß er mehr als andere glühte vor Liebe und Hingabe an Gott, daß er am meisten fortgeschritten war in der Gottesschau. Die Jungfrau wusste auch, daß dieser ihr vom Heiligen Geiste als Gemahl gegeben war, als treuer Behüter ihrer Jungfräulichkeit, daß er mit ihr sich teilen sollte in der innigsten Liebe und hingebenden Sorge für das hohe, göttliche Kind; darum glaube ich auch, daß sie mit der ganzen Innigkeit ihres Hezens den hl. Joseph aufrichtig liebte. Joseph hatte eine ganz glühende Liebe zu Christus. Wer möchte leugnen, daß Christus ihm, wenn er ihn als Kind auf seinem Arme trug oder mit ihm redete, sei es als Kind oder als Jüngling, ganz unaussprechliche Empfindungen und Freude verlieh? Auch äußerlich bewirkte dies ja die Gnade Christi durch kindliche Blicke, Reden und Umarmungen. Wie oft hat er von ihm einen Kuss empfangen! Welche Freude war es für ihn, wenn er das Kind stammelnd ihn Vater nennen hörte! Welche Wonne, wenn er von ihm umarmt wurde! Stelle dir auch vor, mit welchem Mitgefühl er auf ihren Wanderungen das Jesuskind, als es schon etwas größer, wenn es von den Anstrengungen müde war, in seinem Schoße ausruhen ließ! Er fühlte sich ganz umgewandelt und mit aller Liebe zu ihm hingezogen, wie zu seinem liebsten Kind, das ihm seine jungfräuliche Gattin durch Wirkung des Heiligen Geistes geschenkt hatte. Deshalb sagte auch die kluge Mutter, die Josephs Herz durchschaut hatte, zu ihrem Jesusknaben, als sie ihn im Tempel wiederfand: Kind, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Um dieses Wort zu verstehen, muß man bedenken, daß Christus zweierlei Gefühle empfand, Wonne und Leid. Weil der hl. Joseph an beiden Anteil haben durfte, deshalb nennt ihn die heilige Jungfrau mit besonderer Betonung Vater Christi. Nur an dieser Stelle nennt die Jungfrau Joseph den Vater Jesu, weil der Schmerz, den er über den Verlust Jesu empfand, seine wahrhaft väterliche Liebe gezeigt hatte. Wenn schon nach menschlichem, auch vor Gott gültigem Gesetze jemand ein fremdes Kind als sein eigen annehmen kann, dann muss umsomehr der Sohn Gottes, der dem hl. Joseph von seiner heiligen Gemahlin geheimnisvollerweise in ihrer jungfräulichen Ehe geschenkt wurde, der Sohn Josephs genannt und auch dafür gehalten werden, weil dieser solch väterliche Güte und solches Mitgefühl für den geliebten Jesus zeigte.

(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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