Freitag, 3. Oktober 2014

Siebzehnter Sonntag nach Pfingsten - Predigt vom hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 

Ein Wassersüchtiger stand vor ihm. Luc. 14, 2.  (Gewöhnlich für den vorhergehenden Sonntag)

 In Bezug auf die Heilung des Wassersüchtigen kann man im moralischen Sinn drei Punkte hervorheben. Der erste ist die große Schwäche des Sünders. Wassersüchtig. Der zweite ist die große Güte Gottes. Er heilte ihn. Der dritte ist seine große Weisheit. Wem von euch fällt ein Ochse oder ein Esel am Sabbate in den Brunnen und er zieht ihn nicht sogleich heraus. Und sie konnten darauf nicht antworten. Denn durch seine Weisheit beschämt er die Bosheit der Pharisäer.

 
In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß man unter dem Wassersüchtigen drei Laster zu verstehen ha, welche der Ursprung von allen andern sind. Zuerst weil die Wassersucht im Wasser ihren Grund hat, was dieWolllusl bedeutet. Du wurdest ausgelassen wie Wasser - heißt es (Gen. 49.) - du sollst nicht wachsen, weil du das Bett deines Vaters bestiegen hast. Zweitens, weil sie durch eine schwulstige Entzündung der Gefäße entsteht, was die Hoffart bedeutet, welche aus der Eitelkeit des Herzens entspringt und den Menschen eitel und aufgeblasen macht. Und ihr seid aufgeblasen, sagt der Apostel (1. Cor. 5.). Drittens, weil sie den Menschen je mehr er trinkt, desto mehr dursten macht, und darum bezeichnet sie die Habsucht. Der Geizige, heißt es (Sirach. 5.), wird durch das Geld nicht gesättigt. Alles was in der Welt ist, sagt Johannes (1. Br. 2.), ist entweder Begierlichkeit des Fleisches oder Begierlichkeit der Augen oder Hoffart des Lebens. 
 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß der Herr die drei Krankheiten heilte und noch durch ein dreifaches Mittel heilt. Zuerst heilt er die Krankheit der Wollust durch das Mittel der Reinigkeit. Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen, sagt Christus (Matth. 5.). Zweitens die Krankheit des Stolzes durch das Mittel der Demuth. Christus sagt (Matth. 11.): Lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und demüthig vom Herzen. Drittens heilt er die Krankheit der Habsucht durch das Mittel der freiwilligen Armut. Christus sagt (Matth. 5.): Selig die Armen im Geiste; denn ihrer ist das Himmelreich. 
In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, dass sich dieWeisheit Christi in diesem Evangelium in drei Stücken offenbarte. Zuerst, weil er mit einem entsprechenden Gleichnisse antwortet, wenn er sagt: Wem fällt ein Ochse oder ein Esel in den Brunnen, und er zieht ihn nicht am Sabbate heraus? Zweitens, weil er eine Lehre für das sittliche Leben gab. Wenn du zum Mahle eingeladen bist, setze dich nicht an den ersten Platz damit nicht etwa ein Angesehenerer als du eingeladen sei. Drittens weil er lehrte, daß man die guten Werke für das Himmelreich thun muß. Er sagte aber auch zu dem, der ihn geladen hatte: Wenn du ein Mittag oder Abendmahl bereitest, rufe nicht deine Freunde oder deine Brüder oder Verwandten oder deine reichen Nachbarn, damit nicht auch diese dich wiederum einladen, und es dir so vergolten werde.

Dritte Rede 

Jeder der ich selbft erhöht wird erniedrigt und wer sich selbst erniedrigt erhöht werden. Luc. 14, 11.  (Gewöhnlich für den vorhergehenden Sonntag)

  Mit diesen Worten gibt uns der Herr vier Lehren. Zuer ermahnt er uns. daß wir uns vor der Sünde des Stolzes hüten sollen. Jeder der sich selbst erhöht wird erniedrigt werden. Zweitens gibt er die Strafe für den Stolz an. Er wird erniedrigt werden. Drittens ermahnt er zur Tugend der Demuth. Wer sich selbst zerniedrigt; und viertens gibt er den Lohn dafür an. Er wird erhöhet werden. 
In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß sich die Hoffärtigen auf dreifache Weise unrechtmäßiger Weise erhöhen. Zuerst indem sie sich thöricht gegen Gott erheben. Iob (15.) sagt: Er stürmt gegen Gott mit ausgestrecktem Halse und mit fettem Nacken ist er bewaffnet. Es bedeckt sein Angesicht das Fett und Speck hängt von seinen Lenden herab. Was blähet sich dein Geist wider Gott auf, daß du solche Reden vorbringst aus deinem Munde? Der Psalmist (73.) sagt: Der Stolz derer, so dich hassen, erhebt sich immer. Zweitens, indem sie sich in ihrer Eitelkeit gefallen. Der heiliger Augustin sagt in der Stadt Gottes (14. B. 13. K.): Gott verlassen und in sich selbst zu sein, heißt sich gefallen; darum nennt die heilige Schrift die Stolzen mit einem andern Namen die Selbstgefälligen. Drittens indem sie sich Andern auf anmaßende Weise vorziehen, wie es heißt (Ps. 10.): Wenn der Gottlose stolz ist, wird der Arme entzündet. Was ist der Stolz, sagt der heilige Augustin,  als ein verkehrtes Streben nach Ehre? Von  diesen drei Eigenschaften des Stolzes sagt Iob (15.): Was erhebt sich dein Herz, und hast starre Augen, als sännest du nach großen Dingen?
 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß die Stolzen auf dreifache Weise gedemüthigt werden. Zuerst, weil sie von der Höhe hinabgestürzt werden. Der Psalmist (73.) sagt: Der Stolz derer, so dich hassen, steigt immer empor. Zweitens, weil sie von allen Geschöpfen beschämt werden. Der Herr sagt (Oseas 4.): Ihren Ruhm will ich in Schande verwandeln, und wiederum (Ebenda 17.): Herr, Alle welche dich verlassen werden beschämt werden. Und bei Ieremias (20.) heißt es: Es werden überaus zu Schanden werden, welche die ewige Schmach nicht erkannten, die niemals zu Ende geht; und bei Oseas (10.): Bestürzung wird Ephraim ergreifen und Israel wird in seinem Willen beschämt werden. Drittens, weil er ewig bestraft wird. In der Offenbarung (18.) heißt es: Wie sehr sie sich herrlich gemacht und in Lüsten gelebt hat, so viel gebet ihr Qual und Leid; denn sie spricht in ihrem Herzen: Ich throne als Königin, Wittwe bin ich nicht, Trauer werde ich nicht sehen. Darum werden ihre Klagen an Einem Tage hereinbrechen, Tod, Trauer und Hunger, und mit Feuer wird sie verbrannt werden. Iob (40.) sagt:  Zerstreue die Stolzen in deinem Grimme, schau dich um nach allen Hoffärtigen und demüthige sie. Blicke nach allen Stolzen herum und mache sie zu Schanden, und zermalme die Gottlosen an ihrem Orte. Verbirg sie zusammt im Staub, und versenke ihr Angesicht in Grube.
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß wir uns auf dreifache Weise demüthigen sollen. Zuerst indem wir uns selbst erkennen, daß wir nichts sind. Der heilige Gregorius sagt: Die Demuth ist das Gefühl des eigenen Mangels. Zweitens durch Verachtung, wenn Iemand für niedrig gelten und für demüthig gehalten werden kann. Denn es ist leicht den Schleier über die Augen zu ziehen, geringe Kleider zu tragen, mit gesenktem Haupte einherzugehen, aber den wahrhaft Demüthigen beweist die Duldung der Beleidigung. Drittens müssen wir uns demüthigen, indem wir uns Allen unterwerfen. Unterwerfet euch jeder menschlichen Kreatur wegen Gott, sagt der Apostel Petrus (1. Br. 2.) sei es dem Könige als dem Ersten oder den von ihm abgeschickten Leitern zur Rache der Bösen, aber zum Lobe der Guten. 
In Bezug auf den vierten Punkt ist zu bemerken, daß der Herr den, welcher sich demüthigt auf dreifache Weise erhöhen wird. Zuerst indem er ihm die Richtergewalt verleiht. Das Evangelium (Matth. 19.) sagt: Petrus antwortete und sprach: Sieh wir haben Alles verlassen und sind dir nachgefolgt, was wird uns also zu_ Theil werden? Jesus sagte: Wahrlich, ich sage euch, ihr, die ihr mir nachgefolgt seid (nämlich auf dem Wege der Demuth und der Armuth), werdet bei der Wiedererneuerung, wenn der Menschensohn auf dem Throne seiner Majestät sitzen wird, ebenfalls über die zwölf Stämme Jsraels zu Tische sitzen. - Wer sich demüthigt, sagt Iob (22.) wird in Ehren sein, weil er nämlich den Demüthigen die Richtergewalt geben wird. Zweitens indem er ihnen die königliche Würde gibt, wie es von Christus vorhergesagt ist (1. Kön. 2.): Er erhebt vom Stande den Armen und vom Miste richtet er auf den Armen, d.h. den Demüthigen, daß er mit den Fürsten throne und den Thron der Herrlichkeit einnehme.  Und Iob (36.) sagt: Vom Gerechten wendet er seine Augen nicht ab, wie Könige erhebt er sie in Ewigkeit und sie kommen empor. Drittens, indem er ihnen die ewige Seligkeit vetleiht, wie Sirach (29.) sagt: Den Demüthigen im Geiste wird Herrlichkeit umgeben,  oder Iob (5.) sagt: Der den Demüthigen erhebt und die Trauernden mit Heil emporhebt.

1. Rede

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