Freitag, 12. September 2014

Vierzehnter Sonntag nach Pfingsten - Predigt vom hl. Thomas von Aquin

Dritte Rede


 Die Früchte des Geistes aber sind: Liebe, Freude, Geduld u.s.w. Gal. 5, 22.

Jedermann muß diese Früchte vorzüglich aus drei Gründen haben. Zuerst wegen der Nothwendigkeit; denn Christus (Matth. 3.) sagt: Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und in das Feuer geworfen werden. Zweitens wegen der Freude, weil sie die Seele mit unaussprechlicher Süßigkeit erfüllen. Unter seinem Schatten - heißt es (Hoh. L. 2.) - den ich verlangte, setzte ich mich, und seine Frucht war meinem Halse angenehm. Drittens wegen des Nutzens, weil sie vielfache Vortheile bringen.

 Die erste Frucht enthält drei wunderbare Kräfte. Zuerst weil der Mensch, der sie genießt, unbesiegbar wird. Darum sagt der Apostel (Röm. 8.): Wer wird uns von der Liebe Christi trennen, Betrübniß oder Angst, Hunger oder Blöße, Gefahr oder Verfolgung, oder das Schwert? Weil geschrieben steht: Deinetwegen werden wir den ganzen Tag gequält, wurden wir wie Schafe zum Schlachten gehalten, aber in allem diesem überwinden wir wegen dessen der uns liebte. Zweitens, weil alle Güter und Uebel dem nützen, welcher diese Frucht genießt. Wir wissen, - sagt der Apostel (Röm.8.) - daß denen, die Gott lieben, Alles zum Guten gereicht. Jenen, welche nach der Vorhererwähluug als Heilige berufen sind. Drittens, weil der, welcher diese Frucht genießt, in Ewigkeit nicht stirbt. Denn die Liebe vergeht niemals, sagt der Apostel (1. Cor. 13.)
 Die zweite Frucht enthält gleichfalls drei große Wirkungen und Kräfte. Zuerst, weil der Genuß dieser Frucht die Menschen stark macht, alle Teufel zu besiegen. Der heilige Antonius sagt: Die einzige Weise den Feind zu besiegen, ist die geistige Freude. Zweitens, weil sie die Menschen immer leben 
macht. Darum heißt es (Sirach 30.): Die Freude des Herzens ist das Leben des Menschen. Drittens, weil sie die Essenden zur Herrlichkeit des himmlischen Reiches führt. Der Apostel (Röm. 14.) spricht: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern die Gerechtigkeit und der Friede und die Freude im heiligen Geiste; denn wer darin Christus dient, gefällt Gott und ist den Menschen angenehm.
 Die dritte Frucht enthält gleichfalls drei große Kräfte. Die erste ist, daß sie den Meuschen vor allen Uebeln beschützt. DerApostel (Philipp. 4.) sagt: Der Friede Gottes, welcher allen Sinn übertrifft, bewahre euere Herzen und euern Verstand in Christo Jesu unserm Herrn. Zweitens, weil sie zum Sohne Gottes macht. Selig die Friedfertigen, sagt Christus (Matth. 5.) denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Drittens, weil an dem Orte, wo diese Frucht ist, Gott mit Freuden wohnt und ruht, wie der Psalmist (75.) sagt: Im Frieden hat er seinen Ort.
 Die vierte Frucht enthält gleichfalls drei große Kräfte. Die erste ist, daß ihr Genuß dem Menschen Weisheit gibt. In den Sprüchen (14.) steht geschrieben: Wer geduldig ist, leidet Vieles, nämlich durch die Voraussicht des Künftigen. Zweitens, weil sie die Seele des Menschen bewahrt. Es heißt (Luc. 21.): In euerer Geduld werdet ihr euere Seelen besitzen. Die dritte ist, weil sie das Bittere süß macht, so groß ist ihre Süßigkeit. Der Apostel Jacobus (1.) sagt: Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet, und wisset, daß die Prüfung eueres Glaubens Geduld wirket, die Geduld aber das Werk vollendet.

Vierte Rede 


Es begegneten ihm zehn Ausätzige, welche in der Ferne standen. Luc. 17, 12. (Gewöhnlich auf den vorhergehenden Sonntag)

Im moralischen Sinne liegen in diesem Evangelium drei Punkte. Zuerst die Vielheit der Sünden. Sieh zehn aussätzige Männer begegneten ihm. Zweitens die Mittel der Erlösung. Sie begegneten ihm. Drittens die Mittel, welche den von Sünden Geheilten nothwendig sind. Einer aber von ihnen kehrte zurück, als er sah, daß er geheilt sei, und lobte Gott mit lauter Stimme.
 In Bezug auf den ersten Punkt können die zehn Aussätzigen zehn Arten von Sündern  bezeichnen. Der erste Aussätzige ist der Ungläubige und Irrgläubige, der von der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen ist. Es sprach der Herr zu Moses (Röm. 5.): Befiehl den Söhnen Israels, daß sie von ihrem Lager jeden Aussätzigen entfernen. So machten es die Kinder Israels und vertrieben aus dem Lager Alle, wie der Herr zu Moses gesprochen hatte. Der zweite ist der Verleumder und Lästerer. Es heißt (Röm. 12.): Es redete Maria und Aaron gegen Moses wegen seines äthiopischen Weibes und sie sprachen: Hat er etwa blos wegen Moses gesprochen? Als dieß der Herr hörte, zürnte er sehr und sprachb zu ihnen: Warum fürchtetet ihr euch denn nicht, meinen Diener Moses zu verleumden? Sieh, an Maria zeigte sich ein glänzender Aussatz wie Schnee. Der dritte ist der Vollsäufer, welcher die Luft mit seinem Pesthauche und dadurch die Vorübergehenden ansteckt .Es heißt (Lev. 13.): Wer mit dem Aussatze behaftet ist, halte seinen Mund unter dem Kleide verborgen und rufe: er sei befleckt und schmutzig. Der vierte ist der Geizige, der immer nach Geld unmäßig dürstet. Dieß ist der Aussatz Giezis (4. Kön. 5.). Nun also erhieltest du Silber, Kleider, um Olivengärten, Schafe und Rinder, Knechte und Mägde zu kaufen. Der Aussatz Naamans wird dir anhängen. Der fünfte ist der Stolze, der in der Aufgeblasenheit des Geistes sich gegen den Herrn und Christus erhebt und dieß ist der Aussatz des Naaman, des Königs von Syrien, der sehr reich und mächtig, aber aussätzig war. Der sechste ist der Ehrgeizige, welcher Ehren und Würden begehrt. Dieß ist der Aussatz des Ezechias, welcher die Ehre des Hohenpriesters sich anmaßen wollte. Es erhob sich sein Herz - sagt die Schrift (2. Paral. 26.) er ging in den Tempel und wollte räuchern. Und sogleich brach der Aussatz auf seiner Stirne hervor. Der siebente ist der Heuchler oder der Eitelsüchtige, der feine Tugenden eitelsüchtig erhebt. Dieß ist der Aussatz des Pharisäers Simon. Das Evangelium (Matth. 26.) sagt: Als Jesus in Bethania im Hause Simons des Aussätzigen war, trat zu ihm ein Weib mit einer Alabasterbüchse voll kostbarer Salbe und goß sie über sein Haupt, da er zu Tische saß. Der achte Aussätzige ist der Wollüstige, der durch seine Unreinigkeit die Geschöpfe befleckt. Es steht geschrieben (Lev. 22.): Ein Mann vom Stamme Aaron, der aussätzig ist oder am Blutfluß leidet, soll von dem nicht essen, was mir geheiligt ist bis er gesund ist. Der neunte ist der Todtschläger. Dieß ist der Aussatz des Moab, welchen ihm David vom Herrn erlangt hatte, weil er Abner getödtet hatte, wie es (2. Kön. 3.) geschrieben steht: Und es fehle im Hause Moabs nicht an Samenflüssigen und Aussätzigen.  Der zehnte ist der Verhärtete und Verzweifelte, der absichtlich sündigt. So heißt es (Lev. 13.) Ein dauernder Aussatz ist in ihm; wenn die Haut weiß gefärbt ist und die Haupthaare sich verändern, und das frische Fleisch zum Vorschein kommt, so hält man es für den eingewurzelten Aussatz. Der heilige Hieronymus sagt: Wer an der Verzeihung seiner Sünden verzweifelt, versündigt sich mehr durch Verzweiflung, als er es durch die begangenen Sünden gethan hat. Die Verzweiflung vermehrt die Sünde und ist die größte Sünde.
 Wer von einem solchen Aussatze geheilt werden will, laufe zum Fischteiche des unschuldig vergossenen Blutes, den für uns in seiner unaussprechlichen Liebe der Herr Jesus Christus errichtete, der uns darin reinigte und Alle, die zu ihm ihre Zuflucht nehmen, vom Aussatze jeder Sünde reinigen wird. Der uns liebte - heißt es in der Offenbarung (1.) - und uns von unsern Sünden in seinem Blute erlöste.

erste und zweite Rede

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