Freitag, 5. September 2014

Dreizehnter Sonntag nach Pfingsten - Predigt vom hl Thomas von Aquin

Zweite Rede 


 Es ging ein Mann von Jerusalem nach Jericho und fiel unter die Räuber, die ihn ausplünderten, verwundeten und halb todt liegen ließen. Luc.10,30. (Gewöhnlich auf den vorhergehenden Sonntag)

Diese Gleichnißrede enthält drei Stücke. Zuerst zeigt sie das vielfache Elend der Sünder. Ein Mann ging von Jerusalem  nach Jericho. Zweitens die vielfache Erbarimung Christi gegen den Sünder. Ein Samaritan aber kam des Weges, sah ihn am Wege, ging hinzu, von Mitleiden bewegt, goß Oel und Wein in seine Wunden, verband sie, legte ihn auf sein Lastthier, führte ihn in die Herberge und pflegte seiner. Drittens werden wir ermahnt ihm nachzuahmen. Gehe hin und thue auch du das Gleiche. 
In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß die Menschen, wenn sie sündigen, sich in ein vierfaches Elend stürzen. Zuerst gehen sie des ewigen Ruhmes verlustig. Es ging ein Mensch von Jerusalem nach Jericho. Dieß will sagen: durch die Sünde verliert der Mensch das himmlische Jerusalem und verfällt in dieses kummervolle und veränderliche Leben. Nach einem andern Sinne wird  - (Isai. 26.) - der Gottlose hinweggenommen damit er die Herrlichkeit Gottes nicht sehe. Zweitens werden sie den Teufeln unterthan: Er fiel unter die Räuber, d.h. in die Macht des Satans; damit ihnen nicht - sagt der Apostel (2. Tim. 2.) Gott Buße gäbe zur Erkenntniß der Wahrheit, und sie sich von den Stricken des Teufels bekehren, von dem sie nach seinem Willen gefangen gehalten werden. Drittens werden sie der Gnadengaben beraubt . Die ihn beraubten; d. h. sie verlieren das Kleid der geistlichen Gnade. In eine lasterhafte Seele kehrt die Weisheit nicht ein - heißt es (Weish. 1.) und sie wohnt nicht in einem der Sünde unterworfenen Körper. Viertens werden sie in den natürlichen Gütern verwundet. Sie verwundeten ihn. Sie schlagen ihm Wunden, d.h. Sünden, wodurch die Vollkommenheit der menschlichen Natur verletzt wird. Darum sagt der heilige Augustin: Wenn die Güter der Natur nicht wären, würden ihnen die Sünden nicht schaden; nun aber, was entreißen sie ihnen Anderes, als die Vollkommenheit, Schönheit, Tugend und Seligkeit?
 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß eine vierfache Erbarmung Christi gegen die Sünder hier angegeben wird. Die erste war die Annahme der menschlichen Natur. Ein Samaritan fand ihn am Wege, sah ihn und wurde vom Mitleiden bewegt. Der Samaritan ist Christus, der aus Liebe zu uns Mensch wurde und den Weg des gegenwärtigen Lebens wandelte. Die zweite ist die Einsetzung der Sakramente zum Heile der Sünder. Er verband seine Wunden. Dieß geschieht in der Taufe. Darum sagt der Psalmist (146.): Der die zerknirschten Herzen heilt und ihre Wunden verbindet. Die dritte ist die Eingießung der Gnade des heiligen Geistes. Er goß Wein hinein. Dieß ist das Gnadengeschenk des heiligen Geistes. Christus sagt (Joh. 15.): Der Tröster aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch Alles lehren was ich euch gesagt habe. Und wiederum steht geschrieben (Joh. 1.): Von seiner Fülle haben wir Alle empfangen Gnade um Gnade; denn das Gesetz wurde durch Moses gegeben, Gnade und Wahrheit aber ist durch Jesus Christus geworden. Die dritte besteht darin, daß er die Bitterkeit des Leidens für die Sünder erduldete. Er legte ihn auf sein Lastthier. Das Lasthier ist sein Fleisch, worauf er den Verwundelten legt, weil er untere Sünden selbst in seinem Leibe auf dem Kreuzesholze ertrug.
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß wir eine vierfache Erbarmung den Büßenden gewähren müssen. Zuerst, daß wir sie ertragen. Ertraget Einer des Andern Lasten, sagt der Apostel (Gal. 6.). Zweitens das Gebet, wie der Apostel Johannes (1. Br. 3.) sagt: Wer weiß, daß sein Bruder sündige, jedoch nicht zum Tode, der bitte und es wird dem, der nicht tödtlich sündigt, das Leben gegeben werden. Ist es aber eine Todsünde, so sage ich nicht, daß Jemand dafür beten soll. - Betet für einander, - sagt Jacobus (5.) - daß ihr gerettet werdet. Drittens Belehrung, wie der Apostel (Gal. 6.) sagt: Hat sich Jemand in einem Vergehen übereilen lassen, so unterweiset ihr, die ihr geistig seid, einen Solchen im Geiste der Sanftmuth,  und Jacobus (5.) sagt: Meine Brüder, ist Jemand von euch von der Wahrheit abgeirrt und hat ihn Jemand wieder zurückgebracht, so muß er wissen, daß der, welcher einen Sünder vom Irrthume seines Lebens zurückbrachte seine Seele vom Tode retten und die Vielheit seiner Sünden bedecken wird. Christus (Matth. 18.) sagt: Hat dein Bruder gegen dich gesündigt, so gehe hin und weise ihn zwischen dir und ihm allein zurecht. Viertens die Verzeihung. Das Evangelium sagt (Matth. 18.): Petrus trat zum Herrn und sagte: Wenn mein Bruder gegen mich sündigt, wie oft soll ich ihm verzeihen? Siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage nicht siebenmal, sondern siebenzigmal siebenmal. Der Prediger (4.) sagt: Verachte den Menschen nicht, nämlich den bußfertigen, der sich von der Sünde bekehrt, und mache ihm keine Vorwürfe. Erinnere dich, daß wir Alle im Verderben sind.

Erste Rede

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