Montag, 18. August 2014

Elfter Sonntag nach Pfingsten - Predigt vom hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 


Durch Gottes Gnade bin ich das, was ich bin. 1. Cor. 15, 10.

 Diese Worte enthalten eine dreifache Lehre. Zuerst zeigen sie die große Freigebigkeit Gottes. Durch Gottes Gnade bin ich das was ich bin, sagt der Apostel. Zweitens den Nutzen der Gnade. Und seine Gnade war in mir nicht leer. Drittens die Schwachheit der menschlichen freien Thätigkeit für sich. Nicht aber ich, sagt der Apostel, sondern die Gnade Gottes mit mir.

 In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß in drei Stücken die große Güte Gottes sich gegen die Sünder offenbart, wie sie sich an Paulus erwies. Zuerst in der Berufung der großen Sünder, wenn er sagt: Denn ich habe die Kirche Gottes verfolgt, und wiederum (1. Timoth. 1.): Jesus Christus kam, die Sünder zu erlösen, deren erster, d.h. größter ich bin. Zweitens in der Verleihung einer reichlicheren Gnade, wie derselbe Apostel anderswo sagt (Röm. 5.): Da, wo die Sünde überhand nahm, da ward die Gnade noch größer. Durch diese Gnade ward Paulus ein so großer Apostel. Drittens in dem Erweise der geistigen Gemeinschaft. Job (22.) sagt: Wenn du dich zum Allmächtigen bekehrt hast, wirst du dein Gezelt auferbauen und davon das Unrecht entfernen. - Alsdann wirst du über den Allmächtigen an Vergnügen überfließen und zu ihm dein Angesicht erheben. 
In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß der Nutzen der Gnade vielfach ist Der erste ist, daß sie von jeder Sündenmackel reinigt. Darum sagt der Apostel (Röm. 3.): Wir sind umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade durch die Erlösung, welche in Christus Jesus ist, den uns Gott zur Versöhnung durch seinen Glauben gab. Zweitens, weil sie von jedem Elende befreit. Darum ruft der Apostel aus (Röm. 7.): O ich unglücklicher Mensch, wer wird mich von diesem sterblichen Leibe befreien? Die Gnade Gottes durch Jesus Christus. Drittens, weil sie im Guten befestigt. Denn das Beste ist, sagt der Apostel (Hebr. 13.) - durch die Gnade das Herz zu befestigen. Viertens erleuchtet sie die Vernunft (Job. 25.) spricht: Ueber wen glänzt nicht sein Licht. Fünftens erfreut sie den Geist, darum wird sie so beschrieben. Die Gnade ist die Freude des Herzens. Sechstens erfreut sie ihren Besitzer, daß sie - spricht der Psalmist (103.) - im Oele das Gesicht erheitern. Darum sagen Einige: Die Gnade ist ein gewisser Glanz der Seele zur Erlangung der heiligen Liebe. Siebentens führt sie den Menschen zur Herrlichkeit des ewigen Lebens. Die Gnade Gottes aber, - heißt es (Röm. 6.) - ist das ewige Leben.
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß sich in drei Stücken die Schwachheit des freien Willens zeigt. Zuerst, weil er zum Bösen geneigt ist, wie die Schrift (Gen. 8.) sagt: Der Sinn des Menschen und die Gedanken des menschlichen Herzens sind von Jugend auf zum Bösen geneigt. Zweitens weil er nicht aus sich im Stande ist, wenn er in eine Todsünde gefallen ist, wieder aufzustehen. Darum sagt die Schrift (Ps. 77.) Der Mensch ist ein gehender aber kein zurückkehrender Geist. Drittens, weil er aus sich nichts Gutes thun kann. Wir sind nicht im Stande - sagt der Apostel (2. Cor. 3.) - etwas von uns gleichsam aus uns zu denken, sondern unser ganzes Vermögen ist aus Gott. Man muß darum zur helfenden Gnade immer seine Zuflucht nehmen, die sich freiwillig Allen darbietet und durch die wir Alles können, welche uns der Herr verleihen wolle. Amen.

 Dritte Rede 

Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der Eine ein Zöllner, der Andere ein Pharisäer. Luc. 18, 10. (Gewöhnlich auf den vorhergehenden Sonntag)


 In diesem Evangelium kann man drei Punkte hervorheben; zuersr den großen Stolz des Pharisäers, welcher so bei sich betete: Ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Räuber, Ehebrecher, ungerecht usw. Zweitens die wahre Demuth des Zöllners, welcher von der Ferne stand und seine Augen nicht zu erheben wagte ufw. Drittens die große Gerechtigkeit Gottes in seinen Urtheilen, indem es heißt: Wahrlich, ich sage euch, dieser ging gerechtfertigt von dannen.
 In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß sich in drei Stücken der Stolz des Pharisäers zeigte. Zuerst, weil er sich geradezu für gerecht hielt, indem er sprach: Ich bin nicht wie die übrigen Menschen, d.h. ich bin gleichsam allein gerecht. Zweitens, weil er die Uebrigen verachtete, indem er sie für Räuber, Ehebrecher und Ungerechte erklärte. Er verachtete Alle und wollte allein haben, was er nicht hatte. Drittens, weil er seine Tugenden stolz hervorhob; er sprach ja: Ich faste zweimal in der Woche usw. Er ging hinauf zu beten, aber er betet nicht, sondern er lobt sich. Dieß sind die drei Erscheinnngen des Stolzes, sich für gerecht zu halten, Andere zu verachten und sich selbst zu loben.
 Im Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß sich die Demuth des Zöllners in drei Stücken offenbarte. Zuerst, weil er in der Ferne stand und sich so für unwürdig hielt in den Tempel Gottes einzutreten. Zweitens, weil er sich für unwürdig hielt den Tempel anzuschauen, denn er wollte die Augen nicht zum Himmel erheben. Drittens, weil er sich für einen Sünder erklärte und sagte: Gott, sei mir Sünder gnädig. Dieß sind die drei Acte der Demuth. Er wagte es nicht sich zu nähern, daß sich ihm Gott nahe (erster Punkt), er blickt nicht empor, damit man ihn gnädig ansehe (zweiter Punkt), er erkennt sich selbst, damit er von Gott anerkannt werde (dritter Punkt).
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß sich in drei Punkten in diesem Evangelium die Gerechtigkeit Christi zeigt. Zuerst in der Rechtfertigung des demüthigen Zöllners; zweitens in der Verdammung des stolzen Pharisäers; drittens in jeder Verdammung der Stolzen und Erhöhung der Demüthigen. Es heißt: Dieser ging gerechtfertigt von dannen (erster Punkt). Es heißt, von Jenem, d.h. mehr als Jener. Vor dem Falle wird das Herz erhoben, was sich auf den Pharisäer bezieht, und vor der Gnade wird der Mensch gedemüthigt, was sich auf den Zöllner bezieht (zweiter Punkt). Den dritten Punkt enthalten die Worte: Wer sich selbft erhöht wird gedemüthigt werden. Das Evangelium stellt also zuerst das Verhalten des Zöllners und des Pharisäers dar, und hernach den Ausspruch des Richters, daß wir uns vor dem Stolze hüten, die Demuth lieben, welche den Menschen zur ewigen Glorie führt, wie die Schrift (Tob. 22.) sagt: Wer sich demüthigt, wird in der Herrlichkeit sein. Dazu wolle uns der Herr führen. Amen.

Vierte Rede 


Gott sei mir Sünder gnädig. Luc. 18, 13. (Gewöhnlich auf den vorhergehenden Sonntag)

 Dieß ist das Gebet des Sünders, der bei Gott Barmherzigkeit sucht. Zuerst sucht er das Wohlgefallen Gottes, indem er sagt: Gott. Zweitens trägt er seine Bitte vor: Sei gnädig; und drittens gibt er den Grund seiner Bitte an indem er sagt: Mir Sünder.
 In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß wir aus drei Gründen sicher hoffen können, daß Gott Allen die ihn bitten Barmherzigkeit erweist. Zuerst, weil er überaus barmherzig ist, wie der Apostel (Ephes. 2.) sagt: Gott der an Erbarmung reich ist. Zweitens, weil die Erbarmung eine Eigenschaft Gottes ist, wie die Kirche sagt: Gott, dessen Eigenschaft es ist, sich immer zu erbarmen und zu verschonen. Gott spricht darum (Isai. 55.): Der Gottlose verlasse seinen Weg und der Ungerechte seine Gedanken, er bekehre sich zu dem Herrn, so wird er sich seiner erbarmen, zu unserm Gott; denn er ist reich an Erbarmung. Drittens, weil er lange barmherzig ist. Denn von Ewigkeit und in alle Ewigkeit gießt er seine Erbarmung über Alle aus, die zu ihm fliehen. Darum sagt die Schrift (Ps. 102.): Die Erbarmung des Herrn ist von Ewigkeit und in Ewigkeit über die, welche ihn fürchten.
 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß das Gebet des Zöllners aus drei Gründen sehr gut ist. Zuerst wegen der Kürze, wie der Herr (Matth. 6.) sagt: Wenn ihr betet, so redet nicht viel, wie die Heiden, denn sie glauben in vielen Worten erhört zu werden. Zweitens, wegen der Nothwendigkeit; denn er bittet um Vergebung, die Allen nothwendig ist. Der Apostel Johannes (1. Br. 1.) sagt: Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so täuschen wir uns selbst, und es ist keine Wahrheit in uns. Der heilige Augustin sagt: Im Menschenleben ist nichts Lobenswerthes, wenn du die Erbarmung entfernest und es so durchsuclhest. Drittens wegen des Nutzens, die Verzeihung der Sünden und die Verleihung der Gnade zu erlangen, wie es heißt: Dieser ging gerechtfertigt von dannen.
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß der Sünder, welcher die Barmherzigkeit Gottes erlangen will, die drei Stücke des demüthigen Zöllners haben muß. Zuerst eine große Demuth und Zerknirschung des Herzens. Der Zöllner stand von ferne. Im fünfzigsten Pfalm heißt es: Ein zerknirschtes und demüthiges Herz wirst du, o Gott, nicht verschmähen. Zweitens das Bekenntniß seiner Sünden. Der Zöllner betete so bei sich: Gott sei mir Sünder gnädig. Darum spricht die Schrift (Sprichw. 28.): Wer seine Vergehen verbirgt wird nicht gerechtfertigt, wer sie aber bekennt und sie verläßt, wird Erbarmung erlangen. Im Psalm (31.) heißt es: Ich sprach, gegen mich will ich Gott mein Unrecht bekennen, und du verzeihest die Bosheit meiner Sünde. Drittens die Selbstbestrafung oder Genugthuung: Der Zöllner schlug an seine Brust, oder wie der heilige Augustin sagt: Er strafte sich selbst. Das Evangelium (Matth. 3.) sagt: Bringet würdige Früchte der Buße.

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