Dienstag, 1. Juli 2014

Fest der Heimsuchung der hl. Jungfrau Maria - Predigt des hl. Johannes Chrysostomus aus dem Brevier

2. Juli
Als der Erlöser unseres Geschlechtes zu uns gekommen war, ging er sogleich zu seinem Freunde Johannes, als dieser noch im Mutterschoße verborgen war. Als nun Johannes vom Mutterschoße aus ihn im Mutterschoße erblickte, durchbrach er die Grenzen der Natur und rief: Ich sehe den Herrn, der der Natur Grenzen gezogen hat; ich warte die Zeit meiner Geburt nicht ab. Eine Frist von neun Monaten ist hier nicht nötig für mich; denn in mir ist der, der ewig ist. Ich will heraustreten aus diesem dunklen Zelte, will kurz die wunderbaren Dinge künden. Ich bin ein Zeichen und will die Ankunft Christi anzeigen. Ich bin eine Trompete und will den Heilsplan des Gottessohnes im Fleische kundtun. Als Trompete will ich rufen, will der Zunge meines Vaters Heil bringen und sie dazu bringen, daß sie sprechen kann. Als Trompete will ich rufen und den Schoß der Mutter beleben. Siehst Du, mein Lieber, wie neu und staunenswert dieses Geheimnis ist. Noch ist Johannes nicht geboren, und schon redet er durch Aufhüpfen; noch ist er nicht erschienen, und schon spricht er Drohungen aus; noch darf er nicht rufen, und schon macht er sich durch Handlungen vernehmbar; noch führt er kein eigenes Leben, und schon preist er Gott; noch schaut er das Licht nicht, und schon weist er auf die Sonne hin; noch ist er nicht geboren, und schon beeilt er sich, Vorläufer zu sein. Er erträgt es nicht, in Gegenwart des Herrn eingeschlossen zu sein; er erträgt es nicht, den Zeitpunkt der Natur abzuwarten, sondern sucht den Kerker des Mutterschoßes zu durchbrechen und will den kommenden Erlöser im voraus anzeigen. Erschienen ist, sagt er, der die Ketten löst; warum soll ich da noch gefesselt bleiben und mich festhalten lassen und hier weilen? Das Wort ist gekommen, um alles wiederherzustellen; und ich soll mich noch zurückhalten lassen? Ich will heraus, will ihm vorauseilen allen verkünden: Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt! Doch sag uns, Johannes, wie kannst du, da du noch im dunklen Mutterschoße weilst, das alles schauen und hören? Wie kannst du die göttlichen Dinge schauen, wie kannst du aufhüpfen und frohlocken? Er spricht: Groß ist das Geheimnis, das da sich vollzieht; diese Tat übersteigt die menschliche Fassungskraft. Mit Recht schaffe ich neue Gesetze der Natur um dessentwillen, der neu schaffen will, was über der Natur steht. Ich kann sehen, obwohl ich noch im Mutterschoße ruhe; denn ich sehe, wie die Sonne der Gerechtigkeit im Schoße getragen wird. Ich kann hören, weil ich als die Stimme des großen Wortes geboren werde. Ich rufe laut, weil ich den eingeborenen Sohn des Vaters mit Fleisch umhüllt schaue. Ich jauchze vor Freude, weil ich sehe, wie der Schöpfer der Welt die menschliche Natur annimmt. Ich hüpfe auf, weil ich an den fleischgewordenen Erlöser der Welt denke. Ich eile seiner Ankunft voraus und gehe euch gewissermaßen im Bekenntnis voran. (aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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