Dienstag, 1. Juli 2014

Dritter Sonntag nach Pfingsten - Predigt vom hl. Thomas von Aquin

 Erste Rede 

Erniedrigt euch unter die mächtige Hand Gottes, daß er euch zur Zeit der Trübsal erhöhe. 1. Petr. 5, 6.

 Mit diesen Worten will der heilige Apostel Petrus dreierlei. Zuerst ermahnt er zur Demuth, zweitens zeigt er die Nothwendigkeit der Demüthigung, drittens führt er den Nutzen der Demuth an. Die Nothwendigkeit drücken die Worte aus: unter die mächtige Hand Gottes, weil er die Widerspenstigen demüthigen kann.

 In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß die Demuth dreifach ist. Die erste ist die standhafte. Es steht geschrieben (Eccli. 19.): Mancher, dessen Inneres voll von Trug ist, demüthigt sich auf boshafte Weise. Die zweite ist die der Strafe. Der Psalmist (105.) sagt: Ihre Feinde beunruhigten sie und sie wurden unter ihren Händen gedemüthigt. Die dritte ist die der Gnade, wie Christus (Matth. 11.) sagt: Lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und demüthig vom Herzen. Die erste ist zu fliehen, die zweite zu ertragen, und die dritte zu begehren.

 In Bezug auf den zweiten Punkt, so zeigt Gott den Stolzen seine Macht auf dreifache Weise. Zuerst indem er ihnen widersteht, zweitens indem er sie unterwirft und drittens indem er sie ewig straft. Das erste sagt die Schrift (Jac. 4.) mit den Worten: Gott widersteht den Hoffärtigen, das zweite (Ps. 72.): Du stürztest sie hinab, als sie sich erhoben, und das dritte (Joel. 2.): Es steigt empor sein Gestank und es erhebt sich seine Fäulniß, weil er stolz handelte, und wiederum (Baruch. 5.): Der Herr beschloß jeden hohen Berg zu demüthigen. 
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß der Mensch einen dreifachen Nutzen von der Demuth erhält. Der erste ist das Gut der Gnade, der zweite ist das Gut der Wissenschaft, der dritte ist das Gut der Herrlichkeit. Vom ersten heißt es (Jac. 4.): Den Demüthigen gibt er seine Gnade, vom zweiten (Matth. 4.): Du hast dieses vor den Weisen und Klugen verborgen und den Kleinen (d.h. den Demüthigen) geoffenbart; vom dritten (Iob. 22.): Wer gedemüthigt wird, wird verherrlicht werden. 

 Zweite Rede 


Vor den Engeln Gottes (im Himmel) wird eine größere Freude sein über einen bußfertigen Sünder, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Luc. 15, 7.

 Diese Worte enthalten zweierlei, zuerst die Würde der Engel; sodann zweitens ihre Güte, denn sie freuen sich über einen bußfertigen Sünder. Groß ist die Würde der Engel, denn sie sind Boten Gottes; und groß ist die Güte der Engel, weil sie sfich üiber die Belehrung eines Sünders freuen. In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß die Engel - Engel Gottes heißen, wie hier, und auch unsere Engel, wie es im Evangelium (Matth. 18.) heißt: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters der im Himmel ist. Diese Worte reden von einer doppelten Kraft, nämlich der der Gegenwart und der Dienstleistung. Denn sie stehen vor Gott und dienen uns. Vor Gott stehen sie auf dreifache Weise, zuerst in der Betrachtung, wie es (Matth. 18.) heißt: Ihre Engel im Himmel sehen oder betrachten allezeit das Angesicht meines Vaters, der im Himmel ist. Zweitens in der Liebe. Darum sagt Petrus (1. Petr. 1.): Auf den die Engel sich hinzuschauen sehnen. Der heilige Angustin sagt: So groß ist die Fülle des göttlichen Anblickes, daß man nie ohne Liebe hinschauen kann. Drittens im Lobe. Iohannes von Damascus sagt: Denn das Geschäft der Engel ist es Gott zu loben. Uns dienen sie auf dreifache Weise; zuerst durch Reinigung, zweitens durch Erleuchtung, drittens durch Dienstleistung wie Dionysius sagt. Denn sie reinigen, indem sie uns von dem Bösen befreien. Isaias (6.) sagt: Und es flog zu mir einer von den Seraphim und in seiner Hand war eine glühende Kohle. Sie erleuchten indem sie lehren. Bei Daniel (10.) heißt es: Und sieh, Michael, einer von den höchsten Engeln kam mir zu Hilfe und ich blieb dort bei dem Könige der Perser. Ich bin aber gesonnen dich zu belehren was deinem Volke bevorsteht. Sie leisten uns Dienste und fördern uns im Guten. In der Schrift (3. Kön. 19.) heißt es: Und sieh, der Engel des Herrn berührte ihn und sagte: Stehe auf und iß, denn du hast noch einen großen Weg vor dir
In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß sich die Engel aus drei Gründen über die Bekehrung der Sünder freuen. Zuerst wegen der Erfüllung ihres Dienstes, denn sie sind Diener, daß sie uns zur Buße ermahnen. Der Apostel Paulus (Hebr. 1.) sagt daher: Sind nicht alle dienende Geister zum Dienste für Jene abgeordnet, welche das Heil erben sollen? Zweitens wegen der Beschämung der Teufel. Denn die Teufel werden beschämt wenn sich Jemand zur Buße bekehrt, worüber sich die Engel freuen. Die Offenbarung (12.) sagt: Jener große Drache, die alte Schlange wurde hinabgestürzt, der Teufel und Satan heißt, der die ganze Welt verführt. Er wurde auf die Erde hinabgestürzt und seine Engel mit ihm. Darum freuet euch ihr Himmel, und die ihr darin wohnet. Drittens wegen der Ehre Gottes, denn der Sünder, welcher sich belehrt, ehrt Gott und dieß ist die Freude der Engel. Es heißt (Josue 7.) Mein Sohn, gib Gott die Ehre, bekenne und sage mir was du gethan hast, und verbirg es nicht.

Dritte Rede 


Es naheten sich Jesus die Zöllner und Sünder um ihn zu hören. Luc. 15, 1.

 In diesem Evangelium ist vorzüglich dreierlei zu bemerken, zuerst die große Güte unsers Herrn Jesu Christi, zweitens der große Nutzen der Buße, und drittens die große Heiligkeit des wahrhaften Büßers. In Bezug auf den ersten Punkt zeigt sich die große Liebe Christi in drei Stücken, zuerst weil er für die Sünden die Schwachheit der menschlichen Natur annahm, indem es heißt: Niemand zündet ein Licht an. Der heilige Gregorins sagt: Er zündete ein Licht an, indem er die menschliche Natur mit dem Lichte seiner Gottheit erfüllte. Der Apostel (1. Tim. 1.) sagt: Treu ist das Wort und jeder Annahme werth, daß Christus Jesus in diese Welt kam, die Sünder selig zu machen. Zweitens, weil er den Sündern eine besondere Freundlichkeit schenkte, wie es heißt: Er nimmt die Sünder auf  und ißt mit ihnen. Und der Apostel (Röm. 5.) sagt: Wo die Sünde überhand nahm, wurde auch die Gnade überfließend. Drittens weil er für die Sünder die Bitterkeit des grausamen Todes übernahm; so heißt es hier: Er legt es freudig auf seine Schultern. Der Apostel Petrus (1. Br. 2.) sagt: Der da unsere Sünden selbst an seinem Leibe auf dem Holze trug. 
In Bezug auf den zweiten Punkt wird ein dreifacher Nutzen der Buße in diesem Evangelium angegeben. Zuerst, weil sich Christus darüber freut, wie es heißt: Freuet euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden. Und anderswo (Luc. 15.) heißt es: Man mußte aber ein Mahl halten und sich freuen, weil dein Bruder gestorben war und wiederum auflebte, verloren war und wiederum gefunden wurde. Zweitens weil sich darüber die Engel freuen, wie es hier heißt: Es freuen sich die Engel Gottes. Drittens, weil der Mensch dadurch vom Verderben befreit wird, wie es heißt: Er geht dem verlorenen Schafe nach bis er es findet, und bei Lucas (13.) heißt es: Wenn ihr nicht Buße thut, werdet ihr Alle zu Grunde gehen. Der Prophet (Ezech. 18.) spricht: Bekehret euch und thuet Buße über jede Sünde, und euere Missethat wird euch nicht zum Verderben sein.  
Die große Heiligkeit des Büßers aber enthalten die Worte: Es ist eine Freude vor den Engeln Gottes. Denn der Herr freut sich mehr über einen wahrhaften Büßer, als über viele Gerechte, welche niemals gesündigt haben, weil diese häufig nachläßiger, jene aber eifriger sind, wie der heilige Gregorius sagt. Der bedarf aber acht Stücke, welcher mit seiner Buße im Himmel eine große Freude machen will. Er muß erstens in der Liebe Gottes eifrig sein, zweitens sich in großen Tugenden üben, drittens alles Harte des heiligen Kampfes auf sich nehmen, viertens, Alles in der Welt verlassen, fünftens die Ehren fliehen, sechstens sich über die Beleidigungen freuen, siebentens sich sehr nach dem himmlischen Vaterlande sehnen, achtens den angerichteten Schaden durch den nachfolgenden Nutzen ersetzen. Von diesem allen spricht der heilige Gregorius. Gewöhnlich bleiben die, welche sich von keiner Sündenlaft bedrückt wissen träge, im Gegentheile entbrennen alle, welche sich unerlaubter Handlungen bewußt sind, von Schmerz durchdrungen von der Liebe Gottes, üben sich in großen Tugenden, wollen alles Harte des heiligen Kampfes auf sich nehmen, verlassen Alles in der Welt, fliehen die Ehren, freuen sich über erhaltene Beleidigungen und sehnen sich nach dem himmlischen Vaterlande, und weil sie sich bewußt sind, daß sie vom Herrn abgeirrt seien, ersetzen sie den vorhergehenden Schaden durch den nachfolgenden Nutzen. Die da wahre Buße wirken, gelangen ohne Zweifel in das Himmelreich. Thuet Buße, heißt es (Matth. 4.) - denn das Himmelreich hat sich genahet. Dazu möge uns der Herr führen. Amen.

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