Dienstag, 10. Juni 2014

Erster Sonntag nach Pfingsten - Predigt vom hl. Thomas von Aquin

Erste Rede 


Lieben wir Gott; denn er hat uns zuerst geliebt. Wenn Jemand sagt: ich liebe Gott und haßt seinen Bruder, der ist ein Lügner. 1. Joh. 4, 19.

 Mit diesen Worten will der heilige Apostel Johannes dreierlei; zuerst ermahnt er zur Liebe, indem er sagt Laßt uns Gott lieben. Zweitens gibt er den Grund der Liebe an, wenn er sagt: Denn er hat uns zuerst geliebt. Drittens ermahnt er zur Liebe des Nächsten mit den Worten: Wenn Jemand sagt ich liebe Gott, und haßt seinen Bruder, so ist er ein Lügner.

 In Bezug auf den ersten Pukt ist zu bemerken, daß wir Gott auf dreifache Weise lieben müssen. Zuerst, daß wir unser ganzes Herz mit seiner Liebe erfüllen. Das alte Testament (Deut. 6.) sagt: Liebe den Herrn, deinen Gott, aus deinem ganzen Herzen. Zweitens, daß wir Alles nur seinetwegen lieben. Der heilige Augustin sagt: Der liebt dich weniger, der neben dir etwas liebt was er nicht um deinetwillen liebt. Drittens, daß wir uns durch keine Betrübniß von der Liebe Christi abbringen lassen. Der Apostel (Röm. 8.) sagt: Was soll uns von der Liebe Christi trennen? Betrübniß oder Angst u.s.w.
 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß wir Gott vorzüglich aus drei Gründen lieben müssen. Zuerst wegen seiner Liebe. Der heilige Bernhard sagt: Die Ursache Gott zu lieben ist Gott. Denn die Güte Gottes ist so groß, daß wenn er dem Menschen nichts Gutes erwiesen hätte oder erweisen würde, er ihn dennoch immer lieben müßte. Zweitens wegen seiner Liebe, wie es heißt: Lieben wir Gott, weil er uns zuvor liebte. Der heilige Augustin sagt: Ich Unglücklicher, wie sehr muß ich meinen Gott lieben, der mich schuf, da ich nicht war; erlöste, da ich zu Grunde gegangen und an meine Sünden verkauft war. Da kam Jener für mich und liebte mich so sehr, daß er sein Blut zum Lösegelde für mich hingab. Drittens rnüssen wir Gott lieben wegen unseres Nutzens; denn für Jene welche ihn lieben, bereitete er unaussprechbare Güter vor. Der Apostel (1. Cor. 2.) sagt ja: Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz ist es gekommem, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß wir den Nächsten aus drei Gründen lieben müssen, Zuerst weil es göttliches Gebot ist. Dieß ist mein Gebot, sagt Christus (Joh. 15.) daß ihr einander liebet. Zweitens, weil es die Natur lehrt, denn wir sehen, daß sich alles Ähnliche von Natur aus liebt. Der Prediger (13.) sagt: Jedes Thier liebt das sich Aehnliche, so auch jeder Mensch seinen Nächsten. Jedes Fleisch verbindet sich zu einem Ganzen. Drittens wegen des Schadens den der sich zuzieht, welcher den Nächsten nicht liebt; denn er fällt in den Tod der Schuld und des ewigen Feuers. Wer nicht liebt, sagt der Apostel Johannes (1. Br. 3.) bleibt im Tode. Davor möge uns Gott bewahren. Amen.

Zweite Rede 


Erinnere dich, Sohn, daß du in deinen Leben das Gute, und Lazarus auf gleiche Weise das Böse erhielt; jetzt aber wird dieser getröstet, du aber gepeinigt. Luc. 16, 25.

 Vier Stücke enthalten diese Worte; zuerst das Wohlergehen der Verdammten auf dieser Welt; zweitens das kurze Uebelergehen der Gerechten in diesem Leben; beide enthalten die Worte: Erinnere dich, daß du das Gute in deinem Leben, und Lazarus zugleich das Böse erhalten hat. Drittens die ewige Glückseligkeit der Gerechten, und viertens die ewige Unseligkeit der Verdammten. Beides sagen die Worte: Nun wird dieser getröstet du aber gepeinigt.
In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß das zeitliche Wohlergehen, das dieser Reiche hatte in drei Dingen besteht. Zuerst in den zeitlichen Schätzen, wie es heißt: Es war ein reicher Mann. Der Psalmist (48.) sagt: Sie rühmen sich über die Menge ihres Reichthumes. Zweitens in den zeitlichen Ehren, wenn es heißt: Er kleidete sich in Purpur und seine Leinwand. Der Apostel Jacobus (4.) sagt: Ihr frohlocket über euern Reichthum. Drittens in den fleischlichen Vergnügungen, indem gesagt wird: Er hielt täglich eine prächtige Mahlzeit. Iob (21.) sagt: Sie bringen im Wohlsein ihre Tage hin und gehen geraden Schrittes der Hölle zu. Der Prophet Amos (6.) sagt: Wehe euch, die ihr das Lamm von der Heerde und die Kälber mitten von den Zugthieren verzehret. 
In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß das Uebelergehen der Heiligen in diesem Leben in den drei Uebeln, die Lazarus hatte, vesteht. Zuerst in der Armuth,  wie es von ihm heißt: Es war ein Bettler. Tobias (4.) sagt: Wir führen zwar ein armes Leben, aber wir werden viel Gutes haben, wenn wir Gott fürchten, die Sünde verlassen und das Gute thun. Zweitens in der Schmach der Verachtung, denn es heißt von Lazarus: Er lag vor der Thüre. Der Apostel (1. Cor. 4.) sagt: Wie das Auskehricht dieser Welt wurden wir Allen zum Spotte bis auf die Gegenwart. Drittens in dem Uebel der Angst und Betrübniß, indem von Lazarus geschrieben steht: Er war voller Geschwüre. Im Buche Judith (6.) heißt es: Alle welche dem Herrn gefielen gingen durch viele Trübsale hindurch. 
Im dritten Punkte ist zu betrachten, worin die Glückseligkeit der Heiligen im andern Leben besteht. Von Lazarus sagt die Schrift, daß er von den Engeln in den Schoos Abrahams getragen wurde. Der heilige Augustin sagt: Ein herrliches Leichenbegängniß hielt jenem in Purpur gekleideten Reichen die Schaar ber Diener; aber ein viel prachtvolleres veranstalteten die Engel jenem mit Geschwüren bedeckten Armen, die ihn nicht in ein marmornes Grabmal, sondern in den Schoos Abrahams trugen. Der Psalmist (20.) sagt: Groß ist seine Herrlichkeit in deinem Heile. Zweitens in dem Besitze des himmlischen Reiches, was der Schoos Abrahams, d.h. die Ruhe des Paradieses sagen will. Christus spricht (Matth. 5.): Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Drittens in dem Genusse der ewigen Freuden und des ewigen Trostes, wie es von Lazarus heißt: Nun aber wird Iener getröstet. Der Psalmist (30.) ruft aus: Wie groß ist die Menge deiner Süßigkeit, o Herr, die du denen, welche dich fürchten verborgen hast, und wiederum (l5.) Die Freuden zu deiner Rechten dauern ewig. 
In Bezug auf den vierten Punkt werden hier drei Dinge angeführt worin die künftige Unglückseligkeit der Bösen besteht. Das erste ist der Mangel an allem Guten, dieß ersieht man bei dem reichen Prasser daraus, daß er selbst nicht einen Tropfen Wasser hatte. Job (27.) sagt. Es kommt über ihn gleichsam der Mangel an Wasser. Zweitens die Bitterkeit und die Fülle der Strafen, was in den Worten angedeutet ist. Da er in den Qualen lag. Der Psalmist (10.) sagt: Feuer, Schwefel und Sturmwind ist ihr Antheil. Drittens die höchste Schmach und Bestürzung, was die Worte sagen: Er wurde in der Hölle begraben. Wo könnte es eine größere Schmach geben, als die, so begraben zu werden. Jeremias (22.) sagt: Wie ein Esel wird er begraben werden, und wiederum (Ebend. 20.) Sie werden in sehr große Angst gerathen, weil sfie die ewige Schmach nicht bedachten, welche man nicht vergessen kann. 
Das gegenwärtige Glück also soll man verachten, das gegenwärtige Unglück freudig auf sich nehmen, das Unglück der Verdammten fliehen und nach dem Glücke der Heiligen aus allen Kräften streben. Das möge uns Gott verleihen. Amen.

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