Dienstag, 6. Mai 2014

2. Sonntag nach Ostern - Predigt vom hl. Thomas von Aquin

 Zweiter Sonntag nach Ostern 


Erste Rede 


Christus hat für uns gelitten, und uns ein Beispiel hinterlassen, daß wir seinen Fußstapfen nachfolgen. 1. Petr 2, 21.

 In diesem Briefe wird viererlei bemerkt; zuerst die Unschuld unsers Herrn in den Worten: Der keine Sünde that; zweitens seine große Geduld, wenn es heißt: Da er duldete, drohte er nicht; drittens seine unaussprechliche Liebe in den Worten: Der unsere Sünden selbst ertrug an seinem Leibe auf dem Holze; viertens unser vielfacher Nutzen aus diesen dreien, indem es heißt: Durch dessen Wunden wir erlöft wurden.


In Bezug auf das Erste ist zu bemerken, daß sich seine Unschuld in drei Stücken zeigte. Zuerst, weil er keine Sünde that. Der Apostel (Hebr. 7.) sagt: Es geziemte sich, daß er ein solcher Hohepriester wäre, der heilig, unschuldig und von den Sündern getrennt ist. Zweitens, weil er Niemanden täuschte, wie es daselbst heißt: Und in seinem Munde fand man keinen Trug. Es heißt (2. Cor.1.): Denn Jesus Christus, der Sohn Gottes, der unter uns durch uns verkündigt wurde, durch mich und Silvanus und Timotheus, war nicht Ja und Nein, sondern Ja. Drittens, weil er Niemanden beleidigte, wovon geschrieben steht: Welcher, obwohl er gelästert wurde nicht lästerte, und (Isai.13.): Wie ein Lamm vor dem Scherer wird er verstummen.
 In Bezug auf das Zweite ist zu bemerken, daß sich seine Geduld in drei Stücken zeigte. Zuerst, weil er sich freiwillig dem Leiden unterwarf, was die Worte sagen: Er übergab sich aber dem ungerechten Richter, und (Isaias 53.) sagt: Er wurde dargebracht, weil er selbst wollte. Zweitens, weil er obschon ungerecht verurteilt, es dennoch sehr geduldig ertrug, denn er übergab sich dem ungerechten Richter. Dieß aber ist die wahre Geduld, wenn Jemand das ungerechte Urtheil über sich freudig ergehen läßt. Christus sagt (Joh 10.): Viele gute Werke habe ich euch gezeigt, und darum wollet ihr mich steinigen. Und der Apostel Petrus (1. Br. 2.) sagt: Denn dieß ist die Gnade, wenn Jemand wegen Gott Traurigkeit erfährt und Ungerechtes geduldig erträgt. Drittens, weil er auch seinen Peinigern nicht drohte, wie es heißt: Da er litt, drohte er nicht. Und der Prophet sagt (Jerem. 11.): Ich bin ein sanftes Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Er betete für sie. Und Isaias (53.): Er betete für die Sünder, daß sie nicht zu Grunde gingen.

In Bezug auf den dritten Punkt isl zugleich zu bemerken, daß sich seine Liebe vorzüglich auf dreifacheWeise zeigte. Zuerst, weil er unsere Sünden selbst hinwegnahm. Das Evangelium (Joh. 1.) sagt: Sieh das Lamm Gottes, welches hinwegnimmt die Sünden der Welt. Zweitens in der Weise der Aufopferung, weil er in seinem Leibe die Strafen für unfere Sünden litt, wie der Prophet Isaias (53) sagt: Er aber wurde verwundet wegen unserer Missethaten und zermalmet wegen unserer Laster. Drittens, weil er einen so grausamen Tod zur Tilgung unserer Sünden duldete. Der Apostel (Philipp. 2.) sagt: Christus ward gehorsam für uns bis zum Tode, aber bis zum Tode am Kreuze.
In Bezug auf den dritten Punkt brachte uns der Tod Christi einen dreifachen Nutzen. Zuerst weil er uns von der Schuld befreite, was die Worte sagen: Er starb für die Sünden. Und der Apostel sagt (Tit. 2.): Er gab sich selbst für uns hin, um uns von jeder Sünde zu erlösen, und das ihm wohlgefällige, den guten Werken nachstrebende Volk zu reinigen. Zweitens, weil er uns die Gnade wiederum gab, was die Worte sagen: Wir sollen der Gerechtigkeit leben. Und der Apostel (Röm. 5.): Wie durch den Ungehorsam Eines Menschen Viele zu Sündern wurden, so werden Viele durch den Gehorsam Eines Menschen gerecht. Und das Evangelium (Joh. 1.): Und von seiner Fülle haben wir Alle empfangen Gnade für Gnade. Drittens zeigt er, daß er uns von der Verwesung heilte, indem er sagte: Durch dessen Wunden wir geheilt wurden. Und der Prophet Isaias (53.) sagt: Wirklich ertrug er unsere Krankheiten.
 Dieß sind die drei Fußstapfen in denen wir ihm nachfolgen sollen. Zuerst in der Reinheit der Unschuld. Im Gesetze Mosis (Levit. 11.) heißt es: Seid heilig, weil auch ich heilig bin; und das Evangelium (Matth. 5.) sagt: Selig die eines reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen, und der Apostel (1. Petr. 1.): Auch ihr sollt in jedem Wandel heilig sein, weil geschrieben steht: Ihr sollt heilig sein, weil auch ich heilig bin. - Heiliget euch und seid rein, heißt es (Levit. 20.) weil ich heilig bin, sagt der Herr. Zweitens in unerschüttterlicher Geduld. Der Herr sagt (Luc. 21.): In euerer Geduld werdet ihr euere Seelen besitzen. - Denket an ihn, spricht der Apostel (Hebr. 12.) der gegen sich selbst einen solchen Widerspruch litt. Drittetens in Liebe, wie Christus (Joh. 15.) sagte: Dieß ist mein Gebot, daß ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe. Job (23.) sagt: Seinen Fußtritten folgte mein Fuß. Wer ihm auf diesen Fußtritten folgt gelangt zu den Freuden der ewigen Glückseligkeit. Es heißt (Joh. 8.): Wer mir nachfolgt der wandelt nicht in Finsterniß, sondern wird das Licht des Lebens haben. Dazu möge uns Christus das Licht und das Leben führen. Amen.

Zweite Rede 

Der gute Hirt läßt sein Leben für seine Schafe Joh. 10, 11.

 Diese Worte enthalten dreierlei; zuerst die große Güte unsers Herrn Jesu Christi in den Worten: Der gute Hirt. Zweitens seine große Liebe in den Worten: Er gibt seine Seele. Drittens die Heiligkeit seiner Auserwählten in den Worten: Für seine Schafe. 

In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß Christus in dreifacher Hinsicht der gute Hirt heißt. Denn dreifach ist die Pflicht eines guten Hirten. Zuerst, die Schafe zu vertheidigen; zweitens, sie auf gute Weide zu führen; drittens, die Irrenden zu suchen. So vertheidigt zuerst unser Herr Jesus Christus seine Schafe vor den Löwen, d.h. den Teufeln; vor den Wölfen, d.h. den Tyrannen; vor den Bären, d. h. den Ketzern. Bei den Propheten heißt es (Ezech. 34.): Weil meine Heerden zum Raube wurden und meine Schafe zur Zerfleischung aller Thiere, so will ich meine Heerde befreien, und im Evangelium (Joh. 10.): Sie werden in Ewigkeit nicht zu Grunde gehen und Niemand wird sie von meiner Hand entreißen. Zweitens weidet er seine Schafe auf dem Felde der Schrift, der Gnade und der Verherrlichung. Beim Propheten (Ezech. 34.) heißt es: Auf den reichsten Weiden will ich sie weiden und auf den hohen Bergen Israels werden ihre Weiden sein. Drittens, er sucht ängstlich die Irrenden. Im Evangelium heißt es (Luc. 15.): Wer aus euch hat hundert Schafe u. s. w. , und bei dem Propheten (Ezech. 34.): Und sieh, ich werde meine Schafe suchen.
 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß Christus uns dreierlei gab, worin sich seine große Liebe zeigte. Zuerst seinen Leib zur Speise, wie es im Evangelium (Matth. 26.) heißt: Nehmet und esset; dieß ist mein Leib. Zweitens, das Blut zum Tranke, indem es ebendaselbst heißt: Nehmet und trinket. Drittens die Seele zum Lösegelde, wie Johannes (1. Joh. 3.) sagt: Darin erkennen wir die Liebe Gottes, weil er seine Seele für uns hingab; und Christus selbst sagt (Joh. 10.): Ich gebe mein Leben für meine Schafe. In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß es drei Arten der Güte gibt; zuerst Niemanden zu schaden, wie der Apostel (2. Cor. 6.) sagt: Beleidiget Niemanden. Die zweite ist das Unrecht geduldig zu ertragen, wie der Apostel (Röm. 12.) sagt: Vergeltet nicht Böses mit Bösem. Die dritte ist sich und das Seinige Allen gerne hingeben. Dionysius sagt: Das Gute geht über sich selbt hinaus, und der Apostel (1. Joh. 3.): Auch wir müssen unser Leben für die Brüder hingeben. Darum heißen die Schafe heilig, zuerst wei die Schafe Niemanden beleidigen, zweitens, weil sie geduldig die Leiden ertragen, drittens, weil sie sich und das Ihrige zum Gebrauche der Menschen hingeben. Die Schafe Christi, welche so sind gelangen ohne Zweifel zum Schafstalle Christi, welcher das himmlische Reich ist. Es heißt (Matth. 25.) Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, und sagen: Kommet, Gesegnete meines Vaters, empfanget das Reich. Dazu wolle uns Gott führen. Amen.

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