Montag, 20. Januar 2014

2. Sonntag nach Epiphanie - Predigt des Hl. Johannes Chrysostomus (Brevier)

Jedesmal, wenn ich aus den Briefen des hl. Paulus vorlesen höre, wie dies jede Woche oft zweimal, ja dreimal und viermal geschieht, so oft wir eben das Andenken, der hl. Blutzeugen feiern, jedesmal jubele ich vor Freude beim Schalle dieser geistigen Posaune, ich werde angeregt und von Sehnsucht entflammt. Denn diese Stimme ist mir sehr vertraut und es ist mir, als sähe ich ihn vor mir stehen und hörte ihn selbst reden. Zugleich aber empfinde ich auch Betrübnis und Kummer darüber, daß nicht alle diesen Mann, so wie er es verdient, kennen; ja, einige kennen ihn so wenig, daß sie nicht einmal die Zahl seiner Briefe richtig wissen, daran ist aber nicht der Mangel an Unterricht schuldig, sondern die Tatsache, daß sie die Schriften dieses heiligen Mannes nicht beständig in Händen haben wollen. Auch ich verdanke mein Wissen, wenn ich überhaupt etwas weiß, nicht der guten Anlage und Fähigkeit des Geistes, sondern nur dem Umstande, daß ich aus Vorliebe für diesen Mann die Lesung seiner Schriften niemals unterlasse. Liebende kennen ja immer besser als andere die Taten ihrer Geliebten, weil sie eben dafür Interesse haben. Das sagt auch der Apostel selbst, wenn er an die Philipper schreibt: Es ist ja auch billig für mich, so von euch allen zu denken, weil ich euch im Herzen trage, da ihr alle sowohl in meinen Banden als in der Verteidigung und Befestigung des Evangeliums an meiner Freude teilgenommen habt. Wenn ihr also auf die Lesung eifrig bedacht sein wollt, dann braucht ihr sonst weiter nichts zu suchen. Denn wahr ist Christi Ausspruch: Suchet und ihr werdet finden: klopfet an und es wird euch aufgetan werden. Da aber viele von denen, die hier um uns versammelt sind, die Erziehung ihrer Kinder und die Sorge für Weib und Familie auf sich genommen haben und deshalb dieser Beschäftigung sich nicht ganz widmen können, so rafft euch wenigstens dazu auf, das aufzunehmen, was andere gesammelt haben, und mit der gleichen Aufmerksamkeit, die ihr verwendet, wenn es ums Geldverdienen geht, mit der gleichen hört euch das an, was ich euch vortrage. Wohl ist es fast eine Schande, nur das von euch zu verlangen, aber es ist doch wünschenswert, daß ihr wenigstens das tut.

(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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