Mittwoch, 11. Dezember 2013

Katechismus vom Hl. Thomas von Aquin - Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und Todten


VII. Artikel

Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und Todten.

Das Richteramt gehöret zu den Pflichten eines Königes und Herrn. Der König, welcher auf dem Richterstuhle sitzet, vertilget alles Unrecht mit seinem Blicke (Sprüchw. 20,8).  Da also Christus zum Himmel auffuhr, und zur Rechten Gottes, als ein Herr über alle sitzet, so stehet ihm ungezweifelt richterliche Gewalt zu. Deß halben bekennen wir in der katholischen Glaubensvorschrift, daß er die Lebendigen und Todten zu richten kommen wird. So sagten es auch die Engel: Der Jesus, der von euch zum Himmel hingenommen ward, wird so wiederkehren, wie ihr ihn zum Himmel auffahren saht (Apostelg. 1,11).

Nun sind aber von diesem Gerichte drei Dinge zu erwägen: Das erste die Beschaffenheit dieses Gerichtes, das zweyte die Furchtbarkeit desselben, das dritte unsere Vorbereitung dazu. Die Beschaffenheit des Gerichtes bestimmen der Richter, die gerichtet werden, und worüber gerichtet wird. Der Richter ist Christus. Ihn hat Gott bestellet zum Richter der Lebendigen und Todten (Ebend. 10,42), man mag nun unter den Todten die Sünder, und unter den Lebenden die Gerechten, oder nach dem Buchstaben unter den Lebenden jene verstehen, die damal auf der Welt, und unter den Todten jene, die da mal verstorben seyn werden. Er ist aber Richter nicht allein, als Gott, sondern auch, als Mensch, und dieses aus dreyfacher Ursache. Erstlich weil die den Richter sehen müssen, die zu richten sind. Allein die Gottheit ist so reitzvoll, daß sie Niemand ohne Freude anzublicken vermag: daher auch ein Verdammter in ihrem Anblicke Freude fühlen müßte. Es ist also nöthig, daß er in Menschengestalt erscheine, um allen den Anblick möglich zu machen. Er hat ihm die Macht zu richten gegeben, well er ein Menschensohn ist (Joh. 5,27). Zweytens, weil er dieses Amt als Mensch verdienet hat. Denn als Mensch ist er ungerecht gerichtet worden; deßwegen hat ihn Gott zum Richter aller Welt bestellet. Dein Urtheil ist ausgefallen, wie das eines Verbrechers. Darum wirst du richten und urtheilen (Joh. 36,17). Drittens, damit die Menschen in Erwägung, daß sie von ihres gleichen gerichtet werden, nicht in Verzweiflung fallen. Denn sie würden vor Schrecken verzweifeln, wenn Gott allein richten sollte. Sie werden den Sohn des Menschen in Wolken kommen sehen (Luk. 21,27). Dem Gerichte nun unterliegen alle, die da gelebt haben, leben, und leben werden. Wir alle müssen vor Christi Richterstuhl erforschet werden, damit jeder belohnet oder bestrafet werde, je nachdem er in seinem Leibe gehandelt hat (2. Kor. 5,10). Es ist aber wie Gregorius sagt, ein vierfacher Unterschied derer, die zu richten sind. Entweder sind sie Güte, oder Böse. Einige Böse werden verdammet, aber nicht gerichtet werden, als die Ungläubigen, derer Handlungen nicht mehr untersuchet werden, weil geschrieben steh:t Der nicht glaubt ist schon gerichtet (Joh. 3,13). Andere aber werden verdammet und gerichtet werden, als die Gläubigen, welche in einer Sünde dahin starben. Der Lohn der Sünde ist Tod (Röm. 6,23). Denn der Glaube, den sie gehabt haben, schließt sie vom Gerichte nicht aus. So werden auch einige Gute selig und nicht gerichtet werden, als die Armen im Geiste wegen Gott; vielmehr werden sie andere richten, Ihr die ihr mir gefolget seid, werdet in der Erneuerung der Dinge, wenn der Sohn des Menschen den Sitz seiner Herrlichkeit einnehmen wird, auch auf zwölf Stühlen sitzen, und die zwölf Stämme Israels richten (Matth. 19,28). Und dieses ist nicht allein von den Jüngern, sondern von allen Armen im Geiste zu verstehen; sonst ware Paulus nicht in dieser Zahl, der doch mehr als andere gearbeitet hat (1. Kor. 15,10). Es muß also von allen folgenden Aposteln und apostolischen Männern genommen werden. Wisset ihr nicht, daß wir auch Engel richten werden? (1. -6,3) Der Herr wird mit den Aeltesten und vornehmsten seines Volkes zu Gerichte kommen (Esai. 3,14). Andere werden selig und gerichtet werden, als jene, welche im Gnadenstande verschieden sind. Denn ob sie gleich in diesem Stande verschieden, haben sie doch in zeitlichen Beschäfftigungen Fehltritte gethan, und deßwegen werden sie gerichtet, aber selig werden. Gerichtet wird nun über alle guten und bösen Handlungen. wandle nach den Wegen deines Herzen; allein wisse, daß dich Gott über alles vor Gericht fodern wird (Ekkl. 11,9). Ueber alles Thun, was auch verborgen ist, wird Gott Gericht halten, es mag gut oder bös seyn (Eben. 12,14). So auch über müßige Reden. Die Menschen werden von jedem müßige Worte, das sie hervorgebracht haben, Rechenschaft geben am Gerichtstage (Matth. 12,36). So über Gedanken. Die Gedanken des Bösen werden er forschet werden (Weish. 1,9). Aus diesem erhellet die Beschaffenheit des Gerichtes.
Ein solches Gericht flößet aus vier Gründen Furcht ein. Erstens wegen derWeisheit des Richters; denn er weiß alles, Gedanken, Worte und Werke. Vor seinen Augen ist alles blos und offen (Hebr. 4,13). Alle Menschenwege liegen vor seinen Augen da (Sprüchw. 16,2). Er weis unsere Worte. Des Eiferers Ohr höret alles (Weish. 1,10). Er weis Unsere Gedanken. Verkehrt und unerforschlich ist jedes Herz, wer mag es er gründen? Ich der Herr, der Herzen durchforschet, und Nieren prüft, der jedem nach seinem Wege vergilt, und ach dem Erfolge seines Beginnens (Jer. 17, 9.10). Da wird auch ein untrüglicher Zeuge seyn das eigene Gewissen des Menschen. Ihr Gewissen und die unter sich anklagenden oder auch rechtfertigenden Gedanken werden ihnen Zeugenschaft leisten am Tage, da Gott die Geheimnisse der Menschen beurtheilen wird (Röm. 2,15). Zweytens wegen der Macht des Richters; denn er vermag aus sich alles. Sieh, Gott der Herr wird in Kraft kommen (Esai. 40,10).  Er vermag auch durch andere alles; denn jedes Geschöpf wird mit ihm seyn. Der Erdkreis wird mit ihm streiten wider den Sinnlosen (Weish. 5,21). Darum sagte Job: Es ist Niemand, der deiner Hand entreißen könnte (Joh. 10,7). Steige ich hinauf zum Himmel, so bist du dort; steige ich hinab zur Hölle, so bist du zugegen (Psalm 138,8). Drittens wegen der unbeweglichen Gerechtigkeit des Richters; denn nun ist die Zeit der Barmherzigkeit, dann wird nur die Zeit der Gerechtigkeit seyn. Deßhalben ist nun unsere Zeit, dann wird allein Gottes Zeit seyn. Kömmt meine Zeit, dann werde ich die Gerechtigkeit selbst richten (Psalm. 74,3). Sein Eifer und Grimm wird nicht schonen am Tage der Rache, wird sich durch keine Bitte besänftigen lassen, wird auch der Lösegaben Fülle nicht annehmen (Sprüchw. 6, 34.35). Viertens wegen des Zornes des Richters; denn er wird anders, nämlich hold und erfreulich, den Gerechten erscheinen. Sie werden den König in seinem Schmucke sehen (Esai. 33,17). Anders, nämlich erzörnt und grimmvoll den Bösen, so daß sie zu den Bergen rufen werden: Fallet über uns, und verberget uns vor dem Zorne des Lammes (Apok. 6,16). Dieser Zorn aber ist in Gott von keiner Leidenschaft zu verstehen, sondern von der Wirkung, die sonst der Zorn zuhaben pflegt, nämlich von der ewigen über die Sünder verhängten Bestrafung. O wie enge werden dann im Gerichte ihre Wege seyn!
Wir Müssen uns also wider dieses Besorgniß folgender Vorbeugungen bedienen. Die erste ist ein frommer Wandel. Willst du die Obergewalt nicht fürchten? Handle gut. und du wirst von ihr Lob haben (Röm. 13,3). Die zweyte ist Beicht und Buße der begangenen Sünden, die in dreyen besteht, namlich in der Reue des Herzens, in der Aufrichtigkeit des Geständnisses, und in der Strenge der Genugthuung, wodurch die ewige Strafe getilget wird. Die dritte ist das reinigende Almosen. Machet euch Freunde von dem ungerechten Gute, damit sie euch nach euerm Hinscheiden in die ewigen Hütten aufnehmen (Luk. 11,41). Die vierte ist die Liebe
Gottes und des Nächsten, welche wie geschrieben steht, die Fülle der Sünden bedecket (Sprüchw. 10,12; I. Pet. 4,8).

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