Dienstag, 17. Dezember 2013

Dritter Sonntag nach Epiphanie - Predigt vom Hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 

Sieh ein Aussätziger kam, betete ihn an und sagte: Herr, wenn du willst kannst du mich reinigen. Matth. 8, 2.

Unter diesem Aussätzigen versteht man in sittlicher Beziehung den Sünder, und zwar aus vier Rücksichten in Bezug auf den Aussatz. Zuerst, weil der Aussatz ein Verderbniß ist; zweitens, weil er eine Verzehrung, drittens, weil, er eine Ansteckung, und viertens, weil er eine Trennung ist. Denn er ist ein Verderbniß des Feuchten, eine Verzehrung der Glieder, steckt Andere an und trennt die Menschen.

Es ist also die Sünde zuerst eine Vernichtung der natürlichen Güter, zweitens ein Verlust der Gnade, drittens eine Ansteckung des Nächsten, viertens eine Absonderung von den Freuden der Heiligen und Engel. Denn zuerst verdirbt sie die Natur, wie der heilige Augustin sagt: "Die Sünde ist eine Vernichtung des Maaßes, der Gestalt und der Ordnung." Sie entreißt die Güter der Gnade, weil die Gnade nicht zugleich gleich mit der Todsünde bestehen kann, wie die heilige Schrift (Weish. 1.) sagt: "Sie wohnt nicht in einem der Sünde fröhnenden Körper." Sie steckt die Nächsten und die unsinnlichen Geschöpfe an, wie der Psalmist (105.) sagt: "Die Erde ist befleckt durch ihre Werke," und Jeremias (3.): "Du beflecktest die Erde durch deine unreinen Handlungen." Zugleich trennt sie den Menschen von Gott und der Gesellschaft der Engel, wie die Weisheit (1.) sagt: "Verkehrte Gedanken trennen von Gott." Von diesen vier Punkten sagt der Psalmist (13.): "Sie sind verdorben (dieß ist das Verderbniß des Natürlichen), sie wurden verabscheuungswürdig (dieß ist die Trennung; es steht die Ursache statt der Wirkung; denn die Verabscheuungswürdigkeit ist der Grund der Trennung); nicht Einer ist, der Gutes thut (dieß ist der Verlust der Gnade; denn ohne sie kann Niemand etwas Verdienstliches thun); ein offenes Grab ist ihr Mund (dieß ist die Ansteckung; denn der Aussätzige steckt vorzüglich durch den Athem an)."
Darum heißt es (Levit. 13.) von dem Aussätzigen: "Wer mit dem Aussatze behaftet ist, habe dickgenähte Kleider, das Haupt entblößt, den Mund mit dem Kleide bedeckt, und er wohne außer dem Lager." Der Aussätzige, d.h. der Sünder, hat dicke Kleider, weil er in dem Natürlichen zn Schaden gekommen ist; das Haupt. d.h. das Herz, leer von der Gnade; den Mund bedeckt, weil er ansteckt; muß außer dem Lager bleiben, weil er von dem Lager Gottes, d. h. von der Wohnung der Engel und der Heiligen getrennt ist.

Dritte Rede

Fortsetzung

Jesus sprach: Ich will, sei rein. Matth. 8,3.

Was aber die Heilung dieses Aussätzigen anlangt, so kommen drei Punkte zu bemerken; erstens, das Herabsteigen Jesu von dem Berge, zweitens der Hintritt des Aussätzigen zu ihm, und drittens der Befehl Christi. In Bezug auf das erste ist zu bemerken, daß man unter dem Berge den Himmel versteht. Der Psalmist sagt (23.): "Wer steigt auf den Berg des Herrn hinauf?"  Und von diesem Berge stieg der Herr in der Menschwerdnng herab und wurde sichtbar und wird herabsteigen um den Erdkreis zu richten. Bei der ersten Herabkunft reinigte er von dem Aussatze der Schuld: bei der zweiten wird er vom Aussatze der Strafe befreien. Vom ersten heißt es (Offenb.1.): "Der uns liebte und uns von unsern Sünden in seinem Blute wusch;" und so wird der Aussatz durch das Blut des Unschuldigen geheilt. Vom zweiten steht geschrieben (Offenb. 21.): "Gott wird jede Thräne von den Augen der Heiligen trocknen."
In Bezug auf den Aussätzigen ist Vierfaches zu bemerken, was bei der Bekehrung des Sünders vorkommen muß. Zuerst sein Hinzutreten zu Christus; zweitens die Anbetung; drittens das Ausrufen; und viertens die Demuth. Daher lesen wir von dem Aussätzigen, daß er kam, daß er Christus anbetete, daß er ausrief und viertens, daß er sprach: Wenn du willst; gleich als wollte er sagen, durch deinen Willen und deine Güte vermagst du es, nicht durch meine Verdienste. Unter dem Hinzutreten versteht man die Bekehrung des Sünders zu Gott, unter der Anbetung die Genugthuung, unter dem Ausrufen die Beichte, unter dem vierten die Genugthuung der Demuth. Denn zur Bekehrung des Sünders ift viererlei nothwendig; nämlich die Zerknirschung, das Bekenntniß, die Genugthuung und die Demuth. Vom ersten spricht Jeremias (6.): "Betrauere bitter den unsäglichen Verlust"; vom zweiten Jacobus (5.): "Bekennet einander euere Sünden;" vom dritten Matthäus (3.): "Bringet würdige Früchte der Buße;" vom vierten Lucas (17.): "Wenn ihr Alles wohlgethan habt, saget, wir sind unnütze Diener." Dieae vier Punkte enthalten diese Worte: "Gehe hin, zeige dich dem Priester und bringe dein Opfer dar." In dem "Gehen" liegt die Zerknirschung, in dem "Zeige dich" die Beichte, und in dem Opfer die Genugthuung, worin auch die Demüthigung eingeschlossen ist.
In Bezug auf Christus kommen gleichfalls vier Stürke vor, nämlich die Berührung, die Rede, der Wille, die Heilung. Dieß sagen die Worte: Er berührte ihn und sprach: Ich will sei rein. In der Berührung zeigt sich seine Demuth, in der Rede seine Weisheit, in dem Willen seine Güte, in der Heilung sein Gehorsam. Denn durch diese vier Stücke bewirkte er unser Heil und unsere Erlösung, durch die Macht, die Weisheit, die Güte, durch die Demuth der Menschwerdung und des Todes. Darum sagt der Apostel (1. Cor. 1.): "Der uns wurde zur Weisheit (und darum wußte er es) und zur Gerechtigkeit (und darum konnte er es) und zur Heiligung (in dem er die Erlöfung wollte und bewirkte)." Bitten wir also den Herrn u. s w.

1. Rede
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