Montag, 4. November 2013

Predigt vom Hl. Bonifatius - Warum auf die vierzigtägigen Fasten mehr zu achten ist ...

Dreizehnte Rede

Warum auf die vierzigtägigen Fasten mehr zu achten ist als auf die übrigen Fasten.

Wir sollen, geliebteste Brüder! stets zu jeder Zeit uns demüthigen und Gott unserm Herrn dienen, besonders aber in diesen heiligen Tagen der vierzigtägigen Fasten, und wir theilen euch mit, daß wir auf diese heiligen Fasten deßhalb mehr als auf die übrigen Fasten achten müssen, weil unser Erlöser, als er zu den Menschen kam, vierzig Tage und vierzig Nächte fastete und durchaus keine Speise zu sich nahm. Reinigen wir auch uns, in so weit wir es mit Gottes Hülfe vermögen, durch Enthaltsamkeit von unsern Sünden. Ihr wißt, daß von dem gegenwärtigen Tage bis zu den Freuden der Osterfeier sechs Wochen kommen, welche aus zweiundvierzig Tagen bestehen, von denen jedoch, da an den sechs Sonntagen die Enthaltsamkeit nicht geboten ist, nicht mehr als sechsunddreißig Tage für die Enthaltsamkeit übrig bleiben; da aber das Jahr dreihundertundsechzig Tage (Vgl. die Bemerkung der vorhergehenden Rede) zählt und wir uns 

sechsunddreißig Tage hindurch kasteien, so geben wir Gott gleichsam den Zehnten unseres Jahres, indem wir, die wir während des verliehenen Jahres uns selbst gelebt haben, in dem zehnten Theile desselben durch die Enthaltsamkeit unserm Schöpfer dienstbar sind. Beeilet euch also, geliebteste Brüder! ebenso wie euch durch das Gesetz geboten ist, den Zehnten euerer Habseligkeiten zu geben, auch den Zehnten der Tage darzubringen. Jeder soll, in so weit die Kraft ausreicht, sein Fleisch abmergeln und die Begierde desselben niederhalten, damit wir für das Fleisch, welches uns in seiner Ausgelassenheit zur Schuld hinzieht, durch Niederhaltung desselben wieder Verzeihung erlangen und damit wir, die wir durch die Sünde gefallen sind, durch die Verzeihung wieder aufstehen und stets thun, was gut ist, weil der Apostel sagt: Jeder empfängt was er Gutes thut vom Herrn zurück ( Ephes. 12, 8.). Thut deßhalb, Brüder! was ihr Gutes zu thun vermöget, thut es ohne Traurigkeit, weil geschrieben steht: Einen freudigen Geber liebet Gott ( II. Korinth. 9, 7.). Jeder aber strebe jede böse Handlung zu meiden und enthalte sich nicht nur der Unzucht, welcher zu fröhnen stets verboten ist, sondern auch des erlaubten ehelichen Umgangs ( In der früheren frömmeren Zeit wurden sogar Diejenigen, welche dieser Vorschrift Folge zu leisten unterließen, auf Ostern nicht zum Abendmale zugelassen.) in diesen vierzig Tagen; eben so meide er müssige Scherze und unnütze und schandliche Worte und sinne Tag und Nacht darauf, alle seine Mühe zum Lobe unseres Herrn Jesus Christus auf heilige Gebete und Wachen, auf Almosen und auf den Besuch der Kirche zu verwenden, und kommt er zur Kirche, so bitte er den allmächtigen Gott, daß dieser seinen Weg nach seinem Willen leite und sich würdige, ihm seine Sünden zu verzeihen; auch höre er gern das Wort Gottes und hindere keinen Andern daran, weil der Herr uns mahnt und sagt: Bittet, so wird euch gegeben werden, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgethan werden (Luc. 11, 9.). Laßt uns auch diese heilige Fasten nach dem Willen Gottes halten, weil das Fasten eine heilige Sache und ein himmlisches Werk ist und Jeder, der es heilig vollbringt, mit Gott vereinigt und geistig gemacht wird, denn dadurch werden die Laster niedergekämpft, das Fleisch gedemüthigt und die Versuchungen des Teufels überwunden. Fliehen wir also alle Laster, Unzucht, Uneinigkeit, Feindschaft, Streit, Mißgunst, Zorn, Zank, Zwietracht, Todtschlag, Neid, Trunkenheit und Fraß und behalten wir Liebe und Freude, Friede und Langmuth, Geduld und Güte, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit, damit wir mit guten Werken ausgerüstet die Versuchungen des Teufels zu überwinden, in der Furcht Gottes zu wachsen und jetzt und immer seinen Willen zu thun vermögen, da wir zu jeder Stunde geschmückt und glänzend sein müssen, besonders aber in diesen vierzig Tagen, weil wir wie weiter oben gesagt wurde, in diesen Gott den Zehnten unseres Jahres geben sollen. Geliebteste Brüder! reinigen wir stets Leib und Seele, damit wir in der Stunde unseres Hinscheidens Gottes würdig befunden werden und an dem Tage des Gerichtes, wenn unser Herr Jesus Christus in seiner Herrlichkeit mit seinen Engeln gekommen sein wird, zu dem ewigen Leben zu gelangen und dort für immer selig zu leben verdienen, wo gewisse Sicherheit, sichere Ruhe, ruhige Ergötzung, glückselige Ewigkeit, ewige Glückseligkeit und vollkommene Liebe und keine Furcht ist, wo es ewiges Heil in Fülle giebt und die Wahrheit herrscht, wo Niemand betrügt und Niemand betrogen wird, wo alle Güter unser Herr Jesus Christus ausmacht, welcher mit dem Vater und dem heiligen Geiste lebt und regiert, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er wolle uns verleihen, daß wir zu jenem Leben und zu jener Glückseligkeit gelangen. Amen 
(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)