Dienstag, 5. November 2013

Predigt vom Hl. Bonifatius - Am Tage des Osterfestes

Vierzehnte Rede 

Am Tage des Osterfestes 

1. Dank sei Gott, unserm Erlöser, welcher uns wohlbehalten zu der Feier des heutigen Tages des Sonntages des Osterfestes gelangen ließ. Heute wird in der ganzen Welt in den heiligen Kirchen Christi die Auferstehung unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus gefeiert. Deßhalb geziemt es sich, geliebteste Brüder! daß wir Etwas über ein so großes Fest sprechen. Es ist aber Jesus Christus im Fleische erschienen, hat sich nach seinem Willen gewürdigt zu sterben, ist durch seine Macht auferstanden und hat uns durch sein Beispiel gezeigt was er uns als Belohnung versprochen hat. Er ist allein zur bestimmten Zeit gestorben, und doch keineswegs allein auferstanden; denn es steht geschrieben: Viele Leiber der Heiligen, die entschlafen waren, standen auf (Matth. 27, 52.). Hier erfahren wir also, daß mit Gott Menschen auferstanden sind, und zweifeln nicht, daß dieß reine Menschen waren. Sind wir also Glieder unseres Erlösers, so dürfen wir an uns voraussetzen, was, wie wir wissen, am Haupte, welches Christus Jesus ist, vollbracht wurde. Dieser ist nämlich, wie der Apostel Paulus sagt, unserer Sünden wegen gestorben und um unserer Rechtfertigung willen auferstanden (Röm. 4, 25.). O große Gnade unseres Erlösers, des eingeborenen Sohnes Gottes, und unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, welcher in diese Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen (I. Tim. l, 15.), weil alle Menschen vor der Ankunft des Heilands durch die Erbsünde der ersten Uebertretung Adams und seines Weibes Eva schuldig waren (Vgl. Röm. 5, 13. l4. ).

2. Ihr habt schon oft, geliebteste Brüder! gehört, wie unsere ersten Eltern das Gebot Gottes übertreten haben, und wir wollen jetzt nur kurz darüber sprechen. Sie waren nämlich in das Paradies eines so großen Glückes gesetzt, daß sie, wenn sie in dieser Seligkeit des Paradieses nur darauf geachtet hätten, sich der Frucht des verbotenen Baumes zu enthalten, stets des Todes und des Elendes ledig gewesen wären, denn es befahl ihnen Gott, der Herr, von der Frucht eines einzigen Baumes nicht zu essen, damit sie, wenn sie durch kein Gesetz gebunden würden, sich Alles für erlaubt halten und sich Gott ähnlich wähnen sollten; auch befand sich zwar das Paradies auf der Erde, in ihm herrschte aber, wie gesagt, eine so große Glückseligkeit, daß sie wenn sie das Gebot Gottes beobachtet hätten, stets des Todes und des Elendes ledig gewesen sein würden bis sie in das himmlische Reich versetzt worden wären; aber der alte Feind wollte aus Neid gegen eine so große Herrlichkeit des Menschen nicht, daß der Mensch eine so große Glückseligkeit genieße, welcher er durch seinen Stolz verlustig geworden, weil er, obgleich von Gott gut geschaffen, durch seinen Stolz vom Himmel herabgestürzt war; er hegte also Neid gegen die Herrlichkeit des Menschen, weil er seine eigene verloren hatte, versuchte das Weib durch die Schlange und rieth dem Weibe, von der Frucht jenes Baumes, deren Genuß ihnen der Herr verboten hatte, zu essen, indem er sprach: Wenn ihr von dem Baume esset so werden euere Augen sich aufthun und ihr werdet wie die Götter werden, erkennend Gutes und Böses (Gen. 3, 5.). Das Weib folgte dem Rathe, aß und gab dem Manne; auch dieser aß und darauf wurden nach der Sünde beide aus dem Paradiese in dieses elende Leben geworfen. Auch wurde jeder Mensch wegen dieser Uebertretung unter der Herrschaft des Todes gehalten und alle stiegen zu den Pforten der Hölle herab; zwar brannten die Gerechten daselbst nicht, sie befanden sich aber doch in der Hölle, wo sie in der Finsterniß und im Schatten des Todes saßen, und keiner unter den Menschen vermochte diese Verdammniß von sich abzuschütteln, sondern alle wurden in der Hölle festgehalten, bis unser Herr Jesus Christus sich würdigte, durch den Leib der unbefleckten Jungfrau Maria in der Welt geboren zu werden, damit er der Befreier der Menschen werde, so wie er ihr Schöpfer war; auch hat er in dem Fleische, welches er für das Heil von uns allen annahm, von dem treulosen Volke der Juden viele Unbilden erduldet, und zwar keineswegs, weil er sich nicht hätte rächen können, sondern um uns ein Beispiel der Geduld zu geben und zu lehren, Trübsale und Unbilden mit Gelassenheit zu ertragen. Er ertrug die Versuchungen des Teufels und überwand ihn durch seine Tugend; er konnte ihn durch seine Göttlichkeit in den Abgrund stürzen und erwiederte doch nur Worte der Sanftmuth. Er erduldete von den treulosen Juden viele Schimpfworte und überdieß Schläge, Speichel, Backenstreiche, die Dornenkrone und viele Verletzungen, sträubte sich nicht, als man ihn nach allem Diesem und vielem Anderm auf das Kreuz legte, daß sein Körper von Nägeln durchbohrt wurde, duldete den Tod indem er seinen Geist aufgab, legte ohne Nothwendigkeit und nur nach seinem eigenen Willen sein Fleisch in das Grab, stieg in die Hölle hinab fesselte den Fürsten des Todes, das heißt, den Teufel, zerbrach die eisernen Riegel der Pforten der Hölle, brachte alle Gerechte, indem er sie von da fortnahm in die frühere Freiheit zurück und zeigte uns, die wir an ihn glauben, indem er vom Tode auferstand das Licht des ewigen Heils.
3. Diese Herrlichkeit seiner Auferstehung, welche wir jedes Jahr von neuem preisen, feiern wir heute. Freuen wir uns also, Geliebteste! frohlocken wir, weil an diesem heiligen Feste unser Erlöser durch seine Auferstehung uns das unsterbliche Leben gezeigt hat und es uns auch durch seine Gnade geben wird, wenn wir von den Lastern zu den Tugenden übergehen wollen. Reinigen wir uns deßhalb von aller Missethat und dienen wir unserm Gotte und Herrn Jesus Christus, weil dieser für uns sein heiliges Blut vergoß, um uns von aller Missethat zu erlösen. Leben wir daher in dieser Welt heilig, gerecht und fromm, und ziehen nichts der Liebe Gottes vor, welcher uns so sehr geliebt hat, daß er wie wir gesagt haben selbst für uns starb. Jetzt aber, geliebteste Brüder! laßt uns fröhlich seine Auferstehung feiern und bereiten wir uns mit reinem Herzen und keuschem Körper für ihn vor, damit wir durch diese österlichen Fest,e welche wir hier feiern, zu den himmlischen zu gelangen und dort stets mit den heiligen Engeln und allen Gerechten selig zu leben verdienen, wie denn der Herr selbst sagt: Alsdann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne im Reiche ihres Vaters (Matth. 13, 43.). Zu jener ewigen Freude wolle uns zu führen sich würdigen unser Herr Jesus Christus, der uns erschaffen hat und welcher regiert mit dem Vater in der Einheit des heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen 
(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)