Freitag, 8. November 2013

Predigt des hl. Papstes Leo - 1. Adventsonntag

Als der Heiland seine Jünger und in den Jüngern die ganze Kirche über die Ankunft des Reiches Gottes und über das Ende der Welt und der Zeiten unterrichtete, sagte er: Hütet euch, daß eure Herzen nicht etwa belastet werden mit Völlerei, Trunkenheit und den Sorgen dieses Lebens. Dieses Gebot, Geliebteste, das wissen wir, geht ganz besonders uns an; denn wir dürfen nicht zweifeln, daß dieser Tag nahe bevor steht, wenn wir auch nicht wissen, wann er kommt. Jeder Mensch ist verpflichtet, auf die Ankunft des Heilandes sich vorzubereiten, auf daß er keinen antreffe, der dem Bauch ergeben oder in den Sorgen dieser Welt verstrickt ist. Denn, Geliebteste, die tägliche Erfahrung beweist, daß durch Überfülle der Getränke auch der schärfste Verstand abgestumpft und durch Übermaß der Speisen alle Kraft des Herzens geschwächt wird. Die Übermässig befriedigte Eßlust wirkt sogar auf das Wohl des Leibes nachteilig, wenn nicht vernünftige Mäßigung der Begierde entgegentritt, und ihr den Genuß entzieht, der später doch nur Last und Schmerz bereitet. Wohl kann der Leib ohne die Seele nichts verlangen und er erhält von ihr die Fähigkeit der Wahrnehmung genau so wie des Begehrens. Anderseits muß aber nun die Seele dem ihr untergebenen Leibe wieder manches versagen und auf Grund ihrer besseren Einsicht ihn von allem Unerträglichen zurückhalten. So wird der Christ immer mehr von den Leidenschaften und Begierlichkeiten des Körpers frei und kann mit Ruhe der Betrachtung der göttlichen Weisheit sich weihen und fern von dem zerstreuenden Geräusche der Welt und ihrer Sorgen in der Betrachtung göttlicher Dinge und im Vorgenuß himmlischer Wonne sich freuen.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)