Sonntag, 6. Oktober 2013

Von den Sakramenten - Hl. Petrus Canisius


Kurzer Inbegriff der christlichen Lehre oder Katechismus des ehrwürdigen Lehrers Petrus Canisius der Gesellschaft Jesu Theologen - Aus dem lateinischen Originalwerke in das Deutsche übersetzt - Dritte sehr verbesserte und um sieben Druck Bogen vermehrte Auflage  (1826)


Viertes Hauptstück.

 Von den Sakramenten


I. Warum soll man die Christen von den Sakramente unterrichten?

 Weil die Erkenntniß und der Gebrauch der Sakramente bewirkt, daß sie durch die Gnade die sie aus den Verdiensten Jesu Christi empfangen, und die durch die Sakramente (a) selbst verliehen wird, im göttlichen Dienste gesetzlich geübt erhalten und befördert werden.

(a) Tit. 3, 5.; Joann. 3, 3. et 20, 22. 23.

II. Was und wie vielfach ist der göttliche Dienst?

 Göttlicher Dienst wird genannt, welchen ein Christ als vorzüglichsten und höchsten (a) Gehorsam Gott seinem Schöpfer und Erlöser schuldig ist und erzeigt.

 Denn es ist kein Zweifel, daß der Mensch vorzüglich (b) dazu, damit er Gott mit reinem und ganzem Herzen diene, anfänglich erschaffen, und nachher erlöst und dazu ganz und gar bestimmt worden sey.

 Der göttliche Dienst aber ist zweyfach; innerlich und äußerlich. Der innerliche, in welchem wir durch Verstand und Willen (c) mit Gott vereiniget werden, wird durch Glaube, Hoff nung und Liebe, wie zuvor gesagt, vollbracht. Der äußerliche ist ein Bekenntniß des innern göttlichen Dienstes, den wir durch gewisse (d) äußere und sichtbare Zeichen und Gebräuche offenbaren. Denn Gott, welcher zwar unserer Güter nicht bedarf, (e) weil er in sich selbst selig und ganz vollkommen ist, wollte doch, daß, wie der ganze Mensch aus Leib und Seele besteht, (f) der selbe eben so auch ganz, das ist, nach allen seinem Wesen und Vermögen, ihm aufrichtig und eifrig diene, und zwar mit der Seele nach dem innerlichen Gottesdienste, wie wir gelehrt haben, dann mit dem Leibe (g) nach dem äußern Gottesdienste, der aber mit dem innen verbunden ist, was offenbar auf mannigfaltige Weise, hauptsächlichst aber und am heilsamsten durch den Gebrauch der Sakramente geschieht.

 Denn so hat es der göttlichen Weisheit gut gedünkt, sich nach der Schwachheit der sterblichen Menschen zu bequemen und ihre Kraft durch gewisse (h) äußere Dinge und Zeichen, die mit den Sinnen erfaßt werden, wirken zu lassen. Denn unser unsterblicher Geist, der in diesem dunkeln und hinfälligen Leibe, wie in einem Kerker, eingeschlossen ist, gebraucht meistens den Dienst der Sinne, und pflegt nicht anders, als durch (i) Hilfe dieser zur Ergreifung göttlicher Dinge sich zu erheben. Daher hat Gott sowohl im alten, als auch im neuen Sakramente und vieles, was zum äußern Gottesdienste gehört, eingesetzt, und das Volk Gottes allzeit beobachtet.


III. Was ist ein Sakrament?


Es ist ein äußeres (a) und sichtbares Zeichen der göttlichen und unsichtbaren Gnade von Chrystus eingesetzt, damit der Mensch durch dasselbe die Gnade Gottes und die Heiligung empfange.

 Deßhalb heißen Nicht alle und jede Zeichen ohne Unterschied Sakramente der Kirche, sondern sie sind gewisse, hochheilige und wirksame Zeichen, die den Christen vermöge göttlich Einsetzung und Verheissung empfohlen sind.

 Sie werden darum Zeichen (b) genannt, weil sie durch eine äußere Gestalt und wie im Bilde das uns darstellen und anschaulich machen, was Gott durch dieselben unsichtbarer und geistlicher Weise an uns thut.

 Sie sind aber gewisse (c), hochheilige und zugleich wirksame Zeichen, weil sie ohne allen Zweifel die Gnade, welche sie bedeuten, auch( in sich) enthalten und zu unserer Heiligung mittheilen. Denn die Sakramente, so viel an ihnen ist, können, (wie Cyprian (d) spricht) nie ohne eigene Kraft seyn, und es entzieht sich die göttliche Majestät den Geheimnissen auf keine Weise, wenn sie schon von Unwürdigen (e) ausgespendet werden.
Daß wir ein Beyspiel geben! Im Sakramente der Taufe ist die äußere Abwaschung, die den Leib von den Flecken reiniget, ein kräftiges Wahrzeichen der innern (f) Abwaschung, als welcher sie ein gewisses Zeugniß giebt, daß die Seele geistlicher Weise gereiniget wird. Eben so werden auch andere sichtbare und äußere Dinge, als Oel, die Gestalten des Brodes und Weines, deren Gebrauch bey den Sakramenten nothwendig ist, uns passend vorgestellt, um dem Menschen die göttliche Gnade und das Heil der Seele sowohl zu bezeichnen, als auch mitzutheilen, wenn er anders nicht unwürdig (g) zu denselben hingeht.


Denn durch die Taufe (h) werden wir wiedergeboren und erneuert; durch die Firmung reichlicher begabt und gestärkt; durch das Sakrament des Altars genährt und erquickt; durch die Buße wieder hergestellt und gesund gemacht im geistlichen Leben; in diesem werden wir auch durch die übrigen Sakramente unterstützt und gefördert, nach eines jeden Kraft und Wirkung, wie wir es hernach an seinem Orte auseinander setzen werden.

 IV. Aus welchen Theilen besteht ein jedes Sakrament?

Aus dem Worte (a) und Elemete (oder Zeichen). Durch das Wort verstehe hier einige gewisse und bestimmte Worte, in welchen bestehet die Form, wie man es nennt, des Sakramentes. Durch das Element verstehe die äußern Dinge, welche eine wahre Materie sind der Sakramente, als nämlich Wasser, Oel, Brod, Wein und dergleichen.

 Mit diesen beyden Stücken, wenn sie vollkommen angewendet werden, sind die übrigen Dinge, welche theils zur schicklichen Ertheilung, theils zum würdigen Empfange eines jeden Sakramentes gehören, verbunden nämlich die göttliche Einsetzung, der ordentliche (b) Diener (der Kirche), die rechte Meinung in dem Diener, der Glaube in dem, der sie empfängt, und was dergleichen anderes is.

 V. Wie viel sind Sakramente?


Sieben, welche (a) die Braut Christi (b) und die Säule der Wahrheit, die Kirche, von Christus durch die Apostel empfangen, bewahrt Sakramenten g und bis jetzt treu ausgespendet hat. Es sind aber diese: (c) die Taufe, die Firmung, das Sakrament des Altars, die Buße, die letzte Oelung, die Priesterweihe und die Ehe.

 Es liegt aber wahrlich nichts daran, wenn schon diese Namen in der Schrift nicht alle ausgedrückt stehen, wenn nur ihr Wesen darin gegründet ist, und der Sakramente Wahrheit und Kraft durch göttliche Zeugnisse bewahrt wird. Diese (d) Sakramente, welche die ganze Kirche, von den Aposteln überliefert, empfangen hat, bewahrt, und zu bewahren empfiehlt, auch wenn sie in der göttlichen Schrift nicht gefunden werden, verdienen gleichwohl unsern vollkommenen Glauben, wie wir vorher gelehrt haben. Von der Einsetzung eines jeden Sa kramentes hernach an seinem Orte.

 Die Kraft der Sakramente aber, wie der treueste Ausleger der Schrift, St. Augustin (e), spricht, vermag unaussprechlich viel, und deßwegen macht sie die, welche sie verachten, zu Gottlosen. Denn nur mit Gottlosigkeit wird das verachtet, ohne was die Gottseligkeit nicht geübt werden kann. Und wie der Nämliche (f) an einem andern Orte lehrt: der Verächter des sichtbarlichen Sakramentes kann auf keine Weise unsichtbarlich geheiliget werden.

 VI. Warum sind die Sakrament eingesetzt?

 Erstens, daß sie uns allzeit die gewissesten Arzneyen seyen wider die Sünde, welche eine tödtliche (a) Krankheit der Seele ist, und wenn sie nicht in dieser Zeit geheilet wird, die ewige Vewrdammnis bringt. Deshalb übertreffen diese Sakramente des alten Gesetzes weit; (b) denn sie sind größer in der Kraft, besser in der Nutzbarkeit, weniger an der Zahl, erhabener im Sinne, leichter in der Beobachtung, vortrefflicher an Bedeutung, welche außerdem, daß sie Heiliges bedeuten, auch heilig machen und das Heil gebe, wie es St. Augustin (c) aus der Schrift aufs Beste gesammelt hat.

 Zweitens sind die heiligen Sakramente eingesetzt, daß wir gewisse und wirksame Zeichen des göttlichen Willens und der Gnade gegen uns haben, die wenn sie in die äußern Sinne fallen, nicht nur den Glauben an Christus und an Gottes (d) Barmherzigkeit und Güte erwecken, sondern auch lebendige Werkzeuge sind, durch welche es Gott  (e) gefallen hat, unser Heil kräftig zu wirken, wie denn schon vor Alters vortrefflich gesagt worden ist, daß das Sakrament auch durch sich selbst sehr mächtig wirke.

 Drittens sind die Sakramente eingesetzt, damit (g) gleichsam Wahrzeichen und äußere Merkmale des christlichen Bekenntnisses vorhanden seyen, an welchen die Kinder Gottes und der Kirche sich wechselseitig erkennen, und damit sie sich in Einigkeit, Demuth und Gehorsam fruchtbar üben und erhalten, und so als durch nothwendige Bande und Bündnisse Einer Religion mit einander vereiniget bleiben. Ohne das, nämlich ohne Sakramente, kann keine Religion weder bestehen, noch genugsam unterschieden werden.

 VII. Was muß man von den Dienern der Kirche halten, welche die Sakramente ausspenden?

 Man muß von ihnen denken, (a) daß sie seyen Christi Diener und Ausspender der Geheimnisse Gottes, welche die Gefässe (b) des Herrn tragen, und dem Tabernakel dienen, welche auch den heiligen Aemtern öffentlich vorstehen, und sie mit einem gewissen Rechte verwalten. Denn nicht allen ohne Unterschied, (c) sondern den Priestern und Bischöfen liegt es ob, und ihnen ist es von Gott befohlen, die Sakramente zu wirken, auszuspenden oder zu verwalten.

 Damit wir aber nicht jemals glauben. die Sakramente hängen von dem Leben und der Frömmigkeit der (d) Kirchendiener ab, so schreibt uns St. Augustin (e) diese Regel vor: Die Sakramente sind deßwegen nicht wahrhafter und nicht heiliger, weil sie durch einen Frömmern gespendet werden; denn sie sind an und für sich selbst wahrhaft und heilig, wegen des wahren und heiligen Gottes, dessen Eigenthum sie sind. Und wiederum: (f) Gedenke, daß die Sitten der bösen Menschen den Sakramenten Gottes keinen Abbruch thun, so, daß sie deßhalben entweder gar nicht oder minder heilig sind. Damit stimmt auch jener Spruch des heil. Ambrosius uberein: Siehe nicht an die Verdienste der Personen, sondern die Aemter de Priester, nämlich in Verwaltung der Sakramente. Denn Gott ist gewohnt, auch durch Unwürdige (h) zu wirken, und wegen des Priesters Leben wird an der Gnade des Sakramentes nichts geschwächt, wie Chrysostomus Zeugniß gibt. (i)

VIII. Was ist von den Ceremonien zu halten, besonders von denjenigen, die man bey den Sakramenten feyerlich gebraucht?


Die Ceremonien die von der Kirche bewährten, sind gewisse äußerliche (a) Gebräuche, heilig und löblich eingesetzt, erstens: daß sie Zeichen seyen, Zeugnisse und Uebungen des innerlichen Gottesdienstes, den Gott (b) vorzüglich fordert.

 Zweytens sind Ceremonien angeordnet, damit es lebendige Reizmittel gebe der Religion, dadurch die menschliche Gebrechlichkeit gleichsam als durch Stützen gehalten und die Geheimnisse theils zu fassen, theils zu behalten wie bey der Hand geführet werde.

 Endlich sind Ceremonien nützlich eingeführt, auf daß alles, was zur Förderung des göttlichen Dienstes und zur Erhaltung der öffentlichen Zucht und Eintracht (c) gehört, mit Anstand und einer gewissen geziemenden Ordnung (d), wie es der Apostel befiehlt, in der Kirche behandelt werde.

 Jene Ceremonien, aber welche bey Ausspendung der Sakramente gebraucht werden, und welche wir von den Vätern (e) als wie von Hand zu Hand übergeben und bewährt empfangen haben (f), müssen wir mit besonders großem Fleiße behalten und beobachten. Denn außerdem, daß sie den Sakramenten ein Zierde geben und eine gewisse Ehrerbiethung einflößen, sind sie auch wegen ihres hohen (g) Alters uns ehrwürdig.

 Dann haben sie außer der ältesten und apostolischen Einsetzung auch eine Fruchtbarkeit und Fülle der wichtigsten und herrlichsten Geheimnisse, wie die heiligsten und gelehrtesten Väter (h) es uns aufgezeichnet haben. Von diesen und andern dergleichen Ceremonien spricht der heil Damascen (i) in diesen vortrefflichen Worten: Die Dinge, welche die christliche Religion, die nicht irren kann, annimmt, und so viele Jahrhunderte schon fest hält, sind gewiß nicht vergeblich, sondern nützlich, Gott gefällig und zu unserm Heile sehr dienlich.

 Die Sektirer lachen zwar der Ceremonien, die bey den Sakramenten gebraucht werden; vielmehr aber sind sie selbst zu belachen oder eigentlich zu beweinen, daß sie auf das blinde Urtheil und den feindseligen Haß die übelsten Nachgebert sich verlassen, und wider die klaresteo Wahrheit Krieg erheben. Von den Ceremonien der Taufe geben uns sogar die allerältesten Gottesgelehrten Zengniß, als Dionysius (k), (l) Klemens, (m) Tertullian, (n) Origenes, (o) Cyprian, (p)  Basilius, (q) Chrysostomus, (r) Cyrillius.

 Obschon die Gottlosen spotten und lästern, so empfehlen doch jene Väter mit großer Uebereinstimmung die Entsagung des bösen Feindes, die Beschwörungen, das geweihte Wasser, den heiligen Chrysam, das Zeichen des Kreuzes. Vor beynahe zweymal sechs hundert Jahren* schrieb der heilige (s) Basilius auf diese Weise: Wir weihen das Wasser der Taufe, und das Oel der Salbung und überdieß den, der die Taufe empfängt."

 Nun aber von den Ceremonien, die den allen und jeden Sakramenten angewendet werden, besonders zu handeln, ist eben so schwer, als weitschichtig und für dieses unser Vorhaben nicht einmal nothwendig. Ja auch Origenes gestehet offenherzig, (t) daß es in solchen kirchlichen Gebräuchen einige gebe, die von allen beobachtet werden müssen, der Grund aber, warum sie so gehalten werden sollen, sey noch nicht genugsam erkannt worden.

* Jetzt vor beynahe fünfzehnhundert Jahren