Donnerstag, 31. Oktober 2013

Von den Hauptsünden und den vorzüglichsten Geboten Gottes (Hl. Bonifatius)

Sechste Rede


 Von den Hauptsünden und den vorzüglichsten Geboten Gottes.

1. Höret und begreifet, Geliebteste! darin besteht das Wort des Glaubens, welches wir predigen, daß wir glauben an Gott, den allmächtigen Vater, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn und an den heiligen Geist, an einen einzigen allmächtigen Gott in der Einheit und der Dreifaltigkeit, dreifaltig in den Personen und Namen und einzig in der Göttlichkeit der Hoheit und Macht: darin besteht das Wort des Glaubens, welches wir predigen, daß wir unterscheiden zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen dem Frommen und dem Gottlosen, zwischen der Gerechtigkeit und der Ungerechtigkeit, das heißt, zwischen den Hauptsünden und den hauptsächlichsten und vorzüglichsten Lehren und Geboten Gottes. Zu den Hauptsünden gehören folgende und vor allen die Gotteslästerung, welche in der Verehrung der Götzen besteht. Als Gotteslästerungen müssen aber gelten alle Opfer und Zeichendeutungen der Heiden, 

wie etwa die Opfer bei den Leichnamen oder auf den Gräbern derselben, oder die Wahrsagungen, oder die Abwehrmittel, oder was sie auf den Felsen oder an den Quellen oder an den Bäumen dem Jupiter oder dem Merkur oder andern Göttern der Heiden, welche alle böse Geister sind, opfern und viele andere Dinge, deren Aufzählung zu weit führen würde (Ueber alle diese hier aufgezählten Gotteslästerungen geben die Verhandlungen des Conciliums zu Listinä (743) und die denselben beigefügten Bemerkungen näheren Aufschluß), welche aber sämmtlich nach dem Urtheile der heiligen Väter als Gotteslästerungen von den Christen zu meiden und zu verabscheuen sind und als Hauptsünden betrachtet werden müssen. Todtschlag, Ehebruch und Unzucht, welche entweder mit der menschlichen Natur oder mit irgend einem Thiere oder von Männern mit Männern oder von Frauen mit Frauen in wilder Brunst für einander getrieben wird, sind ebenfalls Hauptsünden. Eben so müssen Diebstahl und Raub, falsches Zeugniß, Meineid, Verläumdung, Habsucht, Stolz, Neid, Haß, eitle Ruhmsucht und Trunkenheit ohne Zweifel als Hauptsünden angenommen werden. Diese sind es, welche die Menschen zum Untergange und ins Verderben bringen; dieß ist die Bosheit, welche der heilige Petrus abzuwerfen befiehlt, wenn er sagt: Das Wort ist das welches im Evangelium euch verkündiget worden ist.  Leget also ab alle Bosheit und allen Betrug ( I. Petr. l, 25.; 2, l.). Von solchen Dingen sagt der Apostel Paulus: Die, welche solches thun, sind des Todes würdig, und nicht allein, die solches thun, sondern auch, die denen Beifall geben, welche es thun (Röm. 1, 32.). Dieß sind Werke des Satans, welchen die Christen in der Taufe entsagt haben. Diese Werke wird der Satan am Tage unseres Dahinscheidens an uns suchen, und findet er sie, so nimmt er uns, als ihm verfallen, in Anspruch; nackt und weinend und jammernd werden wir sodann von ihm zu den Pforten der Hölle und zu den ewigen Strafen gezogen, wo der Tod fortwährend erduldet werden muß und nie durch den Tod das schlimme Leben enden wird, wo das in Schwefelflammen auflodernde Feuer und der Frost für die zitternden und jammernden Seelen unerträglich ist und nie aufhört ;wo die Augen derjenigen, welche hier die Leuchte des Herrn, das heißt, das heilige Evangelium, mit den Augen des Herzens nicht sehen wollten, ewige Finsterniß ohne Licht erdulden, und wo die Ohren, welche hier die Vorschriften des Lebens im Evangelium Christi nicht hören wollten, nur Stöhnen und Seufzen hören werden, wo die, welche hier den hungernden und dürstenden Armen nicht Speise und Trank geben wollten, auf ewig hungern und dürsten, und wo von denen, welche hier nicht an ihren Tod denken wollten, stets der Tod gewünscht wird ohne ihnen gewährt zu werden. Ueberhaupt wird dort jedes Uebel gefunden und nichts Gutes gesehen werden.
2. Die Gebote Gottes sind der wahre Glaube und ein un beflecktes Leben, nämlich der wahre Glaube, welcher der katholische ist, wie wir ihn weiter oben erklärt haben, die Liebe Gottes nach welcher wir Gott den Herrn aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus allen Kräften lieben sollen, und sodann unsern Nächsten wie uns selbst (Vgl. Matth. 22, 37. - 39.), die Furcht des Herrn, denn es steht geschrieben: Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit (Ps. l10, 10.), Friedfertigkeit, Wohlthätigkeit, Geduld, Demuth, Enthaltsamkeit, Bescheidenheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Die Werke der Barmherzigkeit aber sind: dem Hungrigen Speise und dem Dürstenden Trank geben, den Nackten bekleiden, die Kranken und die im Kerker Eingeschlossenen besuchen und ihnen beistehen, die Gäste aufnehmen, die Todten begraben, gerecht urtheilen, die Gerechtigkeit preisen, die Ungerechtigkeit verabscheuen und nicht verüben, die Wittwen und Waisen unterstützen, die Fremden beherbergen, Almosen an die Armen austheilen, den Trübsal Leidenden Trost zusprechen, jedes Jahr den Zehnten geben, stets zu Gott an jedem Orte seiner Herrschaft beten, die Keuschheit bewahren, die Fasten gern halten, stets den Frieden lieben und Gott für Alles Dank sagen. Für die, welche dieß thun und erfüllen, ist das ewige Reich bereitet; zu ihnen wird der Erlöser der Welt am Tage des Gerichtes sprechen: Kommt ihr Gesegnete meines Vaters, besitzet das Reich, welches seit Grundlegung der Welt euch bereitet ist  (Matth. 25, 34.); alsdann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne im Reiche ihres Vaters (Ebend. l3, 43.), wo Licht ist ohne Finsterniß und Leben ohne Tod, wo ewiges Frohlocken und Freude ohne Ende ist, wo größere und bessere geistige Güter zu finden sind, als die menschliche Zunge auszudrücken vermag, denn es steht geschrieben: Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz ist gekommen, was Gott denen bereitet hat die ihn lieben (I. Cor. 2, 9.).
(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)