Freitag, 25. Oktober 2013

Von den acht evangelischen Seligkeiten - Predigt des Hl. Bonifacius

Vierte Rede 

Von den acht evangelischen Seligkeiten 

1. Als unser Herr Jesus an einem gewissen Orte predigte und viele Kranke (Nach einer andern Handschrift lautet diese Stelle: als er mancherlei Krankheiten heilte, Aussätzige reinigte, Blinde sehend machte und Todte erweckte.) heilte, kamen große Schaaren zu ihm und er bestieg einen erhabeneren Ort und fing an zu lehren, indem er sprach: Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. Selig sind die Hunger und Durst haben nach  der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättiget werden. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott anschauen. Selig sind die Friedsamen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden. Selig sind die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich (Matth. 5, 3.- l0.). Der Herr versprach denen, welche seine Gebote beobachten, die Seligkeit des Himmelreichs und sagt (Matth. 5, 3. vgl. Luc. 6, 20.), indem er zuerst von der Demuth spricht: Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Wenn er von den Armen im Geiste spricht, so dürfen wir nicht glauben, daß jene selig seien welche die Noth und die Dürftigkeit arm macht, vielmehr sind nur jene wirklich selig, welche sich im Geiste demüthigen und obgleich sie Reichthümer besitzen sich doch nicht im Stolze überheben, sondern in Demuth Gott preisen, der denen, welche auf ihn hoffen, stets wohl thut, indem die Demuth das Grundgesetz ist für alle Guten, denn ihrer ist das Himmelreich. Durch Stolz und Ungehorsam verlor der Mensch das Himmelreich, und deßhalb müssen wir durch Demuth und Gehorsam das Reich Gottes erwerben.


2. Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen (Matth. 5, 4.; vgl. Ps. 36, 4.). Gott ist sanftmüthig gegen uns und verleiht uns alles Nothwendige, damit auch wir sanftmüthig und gütig gegen unsere Nächsten seien und ihnen alles Gute, was in unserm Vermögen steht, gern erweisen, wie denn der Herr selbst an einem andern Orte mahnt, indem er sagt: Lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und demüthig von Herzen; so werdet ihr Ruhe finden für euere Seelen (Matth. 11. 29.; vgl. Jer. 6, 16.). Die Sanftmüthigen werden das Erdreich besitzen, aber nicht dieses vergängliche Erdreich, welches mit den Leichnamen der Todten angefüllt ist und oft durch Stolz unterdrückt und durch blutige Kriege (Nach andern Handschriften durch das Blut Abels) besudelt wird, sondern die Sanftmüthigen werden jenes Erdreich haben, von dem ein Heiliger sagt: Ich glaube die Güter des Herrn zu schauen im Lande der Lebendigen (Ps. 26, l3.). Es ist dieß jenes Land, wo die Engel und die Seelen der Heiligen wohnen und ewige Freude ist und Glückseligkeit ohne Ende.

 3. Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden (Matth. 5, 5.; vgl. Isa. 61,13.). Selig sind die welche in dieser Welt ihre Sünden beweinen, damit sie nicht bei den ewigen Strafen mit dem Teufel zu trauern brauchen. Besser ist es, hier eine kurze Zeit für seine Vergehen zu büßen und sich auf ewig mit den Heiligen zu freuen, als die kurzen Freuden dieser Welt unmäßig zu genießen und nach diesem Leben durch ewige Pein bestraft zu werden. Laßt uns also jenen ähnlich sein, zu welchen der Herr sagt: Ihr werdet traurig sein, aber euere Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden (Joh. l6, 20.).

4. Selig sind, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättiget werden (Matth. 5, 6.). Nicht Alle sind selig, welche Hunger und Durst haben, sondern jene allein sind selig, welche stets Hunger nach der Gerechtigkeit haben. Wir müssen aber so nach der Gerechtigkeit Hunger haben, daß wir nie glauben, hinreichend gerecht zu sein, sondern sollen stets Gott bitten, daß er unsere Verdienste im Guten mehre; denn wer glaubt, er besitze genug Gerechtigkeit, hat keinen Hunger nach der Gerechtigkeit, sondern überhebt sich im Stolze und wird alsbald fallen, der Demüthige aber wird fortwährend von Tugend zu Tugend schreiten und sich stets seines Fortschrittes zum Besseren freuen.

5. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen (Ebend. Vers 7.). Wir wünschen sehr, daß Gott uns, wenn wir Buße thun, unsere Vergehen erlasse, eben so sollen auch wir unsern Nächsten, wenn sie uns bitten, ihre Schuld erlassen, wie denn der Herr selbst sagt: Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist (Luc. 6, 36.). Die Barmherzigen werden nämlich Barmherzigkeit erlangen, weil uns, wenn wir den Menschen ihre Fehler verzeihen, unser himmlischer Vater auch unsere Vergehen verzeihen wird.

6. Selig sind die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott anschauen (Matth. 5, 8.; vgl. Ps. 23, 4.). Ein reines Herz werden jene haben, welch die Bosheit, die List, den Neid und die Begierlichkeit gänzlich aus ihrem Herzen verbannen und ihr Gewissen durch die Liebe, die Keuschheit, die Gerechtigkeit und die übrigen heiligen Tugenden reinigen werden, denn Gott will nicht in einem durch Sünden besudelten Körper wohnen; deßhalb müssen wir auch uns von jedem Schmutze des Fleisches und des Geistes reinigen, damit Gott in unsem Herzen wohne und uns zu jedem guten Werke lenke; wenn wir nämlich unsere Sünden beichten, uns von denselben reinigen und nicht mehr in dieselben zurückfallen werden, so wird uns Gott von unsern Sünden reinigen, uns mit himmlischen Tugenden erfüllen und uns der himmlischen Seligkeit mit allen Heiligen würdig machen; suchen wir sie aber zu verheimlichen, so wird Gott sie enthüllen, wir mögen wollen oder nicht wollen. Auch ist es besser, einem einzigen Menschen seine Sünden zu beichten, als sie bei jenem schrecklichen Gerichte vor den drei Genossenschaften des Himmels, der Erde und der Hölle veröffentlicht zu sehen und für seine Sünden beschämt zu werden, und zwar nicht um Verzeihung derselben zu erhalten, sondern ewige Strafe dafür zu leiden.

7. Selig sind die Friedsamen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden (Matth. 5, 9.). Wir müssen in solcher Weise nach dem Frieden streben, daß wir zuerst zwischen Gott und uns selbst Frieden herstellen, indem wir befolgen, was er vorschreibt und das Böse, was Gott verhaßt ist, fliehen; sodann müssen wir zwischen unsern Nächsten, welche wir in Zwietracht mit einander leben sehen, Frieden stiften, denn des Friedens wegen werden wir Söhne Gottes genannt werden. Gottes Güte ist groß und die Gnade des Schöpfers unaussprechlich, denn wir werden Söhne Gottes genannt und sind nicht würdig, dessen Knechte zu sein. Bemühen wir uns also, daß wir selbst durch gute Werke verdienen, einer so großen Erbschaft würdig zu sein und trennen wir uns nicht selbst von einem so gütigen Vater, welcher sich gewürdigt hat, uns des Looses seiner Söhne theilhaftig werden zu lassen.

8. Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich (Matth. 5, 10.; vgl. I. Petr. 2, 19.; 4. 44.; 8, 14.). Christus, Gottes Sohn, hat für uns Schläge und Schmähungen ertragen und zuletzt sich sogar dem Tode für uns unterzogen, auch wir müssen also für seinen Namen jede Widerwärtigkeit geduldig ertragen, weil wir durch viele Trübsale, wenn wir sie der Gerechtigkeit wegen ertragen, in das Reich Gottes eingehen werden. Die Seligkeit ist uns demnach im Himmel bereitet, bereiten wir uns durch gute Werke auf dieselbe vor und eilen wir nach derselben mit ganzem Verlangen. Es erwarten uns alle heilige Engel im Himmel und freuen sich, daß wir zu ihnen kommen wollen. Loben wir also die Barmherzigkeit Gottes, sagen wir ihm in Allem Dank und flehen wir zu ihm, daß er, der uns zu erlösen sich gewürdigt hat, uns auch von allen Sünden reinige und uns bei allen Heiligen zu Genossen seines Reiches mache. Ihm sei Ehre und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)