Dienstag, 29. Oktober 2013

Von dem Glauben und den Werken der Liebe - Predigt vom Hl. Bonifatius

Fünfte Rede

Von dem Glauben und den Werken der Liebe.

1. Ich ermahne euch in euer Gedachtniß zurückzurufen, was ihr in der Taufe dem allmächtigen Gotte versprochen habt, vor Allem nämlich zu glauben an Einen allmächtigen Gott in der vollkommenen Dreieinigkeit, an Gott, den allmächtigen Vater, und an Jesus Christus, seinen Sohn, und an den heiligen Geist; da aber geschrieben steht, daß der Glaube ohne die Werke todt ist (Jacob. 2, 20.), und da, wer Gott kennt, seine Gebote beobachten muß, so verkünden wir euch die Gebote Gottes, welche ihr beobachten und halten sollt. Du sollst Gott, welchen du bekannt hast, lieben aus ganzem Herzen, aus ganzem Gemüthe und aus allen Kräften (Vgl. Marc. l2, 30.; Matth. 22, 37.), sodann deinen Nächste,n wie dich selbst; an diesen beiden Geboten hängen das ganze Gesetz und die Propheten (Matth. 22, 39. 40.). Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit (Ps. 110, 10.), die Vollendung aber ist die Liebe (Vgl. I. Tim. 1, 5.), und damit ihr diese Liebe, welche Gott ist, erlangen könnet, haltet, wie der Apostel vorschreibt, mit Allen Frieden (Vgl. I. Thess. 5, 13.), denn der Herr sagt: Liebet Frieden und Wahrheit (Zach. 8, 19.); übt Geduld, weil der Herr sagt:
 In euerer Geduld werdet ihr euere Seelen besitzen (Luc. 21, 19.); habt Barmherzigkeit, weil der Herr befiehlt: Seid barmherzig, weil auch euer Vater barmherzig ist (Luc. 8, 36.), und an einer andern Stelle: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen (Matth. 5, 7.); seid gütig, weil der Apostel vorschreibt: Seid gütig gegen einander, barmherzig, vergebt einander, so wie auch Gott euch vergeben hat in Christo (Ephes. 4, 32.); seid keusch, denn der Apostel sagt: Strebet nach Frieden und Keuschheit, ohne welche Niemand Gott schauen wird (Vgl. Hebr. 12, 14.); seid fleckenlos im Herzen und am Körper, weil der Herr sagt: Selig sind die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott anschauen (Matth. 5, 8.); bewahret eueren Gatten die Treue, weil der Herr sagt: Was Gott verbunden hat soll der Mensch nicht trennen (Matth. 19, 6.); die Männer sollen keusch ihre Weiber lieben, denn der Apostel befiehlt: Männer liebet euere Weiber wie Christus die Kirche geliebt hat (Ephes. 11, 25.); die Weiber sollen ihre Männer fürchten, weil Gott zu dem Weibe spricht: Du sollst unter der Gewalt des Mannes sein und er wird über dich herrschen alle Tage deines Lebens (Gen. 3, 16.); lehret euere Kinder, daß sie Gott fürchten sollen, und eben so euere Dienerschaft, damit nicht irgend etwas durch euere Nachläßigkeit Gott verloren gehe; auch ermahnet euere Nachbarn, daß sie Wohlthätigkeit üben sollen, denn es steht geschrieben: Wer den Sünder von seinem Irrwege zurückführt, wird dessen Seele vom Tode erretten und die Menge der Sünden bedecken (Jac. 5, 20.); führet die Zwistigen zur Eintracht zurück, denn selig sind die Füß,e welche Frieden bringen: wer Rechtshändel anhört, urtheile gerecht, weil Gott sagt: Gerecht sollst du richten deinen Nächsten (Levit. l9, 15.), und an einer andern Stelle: Mit welchem Urtheile ihr richtet, mit dem werdet ihr auch gerichtet werden (Matth. 7, 2.); nehmet keine Geschenke, weil sie nach dem Ausspruche Gottes die Augen der Weisen verblenden und die Worte der Gerechten verändern (Deut. l6, l9.), und weil der Herr sagt, daß nur jener in seinem Zelte, das heißt, in seinem Reiche wohnen werde, der nicht Geschenke nimmt gegen den Unschuldigen (Ps. 14, l. 5.).

2. Haltet den Tag des Herrn und eilt zur Kirche, weil Christus in derselben von den Todten auferstanden ist, um uns auch als Beispiel der Auferstehung zu dienen; betet daselbst und vermeidet sorgfältig müßige Reden und Geschwätz, weil geschrieben steht: Mein Haus ist ein Bethaus (Luc. 19, 46.) ihr sollt deßhalb daselbst beten und nicht Unnützes schwatzen. Gebt Almosen nach Kräften, denn wie das Wasser das Feuer löscht, so löscht das Almosen die Sünden (Ecclesiast. 3, 33.); seid gastfrei gegen einander, weil Gott bei dem Gerichte sagen wird: Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt (Matth 25 35), weßhalb auch manche dadurch, daß sie Engel gastlich aufnahmen, sich Wohlgefallen erwarben (Abraham und Loth; vgl. Gen. 19, l. - l6.; 20, l. - 23.); nehmt die Fremden auf und bedenkt, daß ihr in dieser Welt selbst Fremdlinge seid (Vgl. I. Petr. 2, 1l.); besucht die Kranken, weil auch der Herr sagen wird: Ich war krank und ihr habt mich besucht (Matth. 25, 36.); steht den Wittwen und Waisen bei, weil der Herr sagen wird: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder gethan habt, das habt ihr mir gethan (Matth. 25, 40.); gebt den Kirchen den Zehnten, weil dieß der Herr vorschreibt, indem er sagt (Matth. 22, 2l.): Gebet dem Kaiser was des Kaisers ist, das heißt, Steuern und Abgaben, und Gott, was Gottes ist, das heißt, die Zehnten und die Erstlinge, und erfüllt alle Gelübde, die ihr gethan habt, da der Herr lehrt: Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute thun, das sollt ihr ihnen thun, und was du nicht willst, daß dir geschehe, das thue auch keinem Andern, denn das ist das Gesetz und die Propheten (Matth. 7, l2.; Luc. 6, 3l.; Tob. 4, 16.); wenn ihr also diese Liebe gegen einander erfüllet, so werdet ihr alle Gebote erfüllen. Fürchtet überall Gott allein und ehret den König, denn es steht geschrieben: Es giebt keine Gewalt außer von Gott, und wer sich der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes (Röm. 13, l 2.); gehorcht deßhalb seinen gütigen Befehlen und unterschlagt nicht die gerechte Abgabe, wie denn auch der Apostel befiehlt: Gebet Steuer wem Steuer, Zoll wem Zoll gebühret. Ihr, die ihr leibliche Knechte seid, gehorcht euern Herrn, wie der Apostel befiehlt, nicht als Augendiener, um Menschen zu gefallen, sondern mit redlicher Treue und einfachem Herzen, und ihr Herrn thuet gegen euere Diener dasselbe, übt gegen sie Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, denn ihr wisset, daß ihr Herr auch der eurige ist im Himmel (Vgl. Ephes. 6, 5. -  7. 9.). 

3. Das Gebet des Herrn behaltet im Gedächtnisse, denn darin ist kurz alle Nothdurft des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens vollkommen enthalten und Christus hat es gelehrt, weßhalb es auch Gebet des Herrn heißt, und hat befohlen, daß wir so beten sollen (Matth. 6, 9. - l3.). Auch behaltet das Glaubensbekenntniß in euerm Sinne, denn es steht geschrieben: Ohne Glauben ist es unmöglich Gott zu gefallen (Hebr. 11, 6.). Deßhalb glaubet auch ihr, wie daselbst gesagt wird, selbst und überliefert diesen Glauben euern Kindern, so wie auch denen, welche ihr aus der Taufe hebt, weil ihr deßhalb für sie Bürgen seid, daß sie, was ihr sie lehrt glauben sollen. Auch müßt ihr wissen, daß ihr nur einmal und nicht öfter getauft werden und daß ihr nur einmal und nicht öfter zur Firmung gehen dürft, weil auch die Apostel den Gläubigen nur einmal die Hände auflegten, damit diese den heiligen Geist empfingen.

4. Hauptsächlich beobachtet gern die gesetzlichen und allge meinen Fasten, denn Gott wird durch die Enthaltsamkeit und die Almosen des Volks besänftigt und schonte die Niniviten, weil sie drei Tage fasteten (Vgl. Jon. 3, 7. - 10.). Liebt die Gerechtigkeit denn es steht geschrieben: Liebet die Gerechtigkeit, die ihr Richter seid auf Erden (Weish. l. l.). Gebt den Versuchungen des Teufels kein Gehör, sondern widerstehet wie der Apostel vorschreibt, dem Teufel, und er wird von euch fliehen (Jac. 4, 7.). Empfanget im Abendmale den Leib und das Blut des Herrn zu den bestimmten Zeiten.

5. Dieß sind meine geliebtesten Brüder! die Werke des Glaubens, welche von allen Christen gemeinsam festgehalten werden müssen, und wer sich an denselben in dieser Welt nicht betheiligen will, wird auch in der künftigen des Reiches Gottes nicht theilhaftig werden können. Auch wir sind demüthige und geringe Menschen, fühlen uns aber aus Liebe und Sorgfalt für euch bewogen, euch dieß im Einzelnen vorzustellen, damit keiner sich entschuldigen könne, indem er sagt: ich weiß nicht zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen dem Gerechten und Ungerechten zu unterscheiden, ich weiß nicht, was ich lassen und was ich thun soll. Jetzt also, weiche wie geschrieben steht, vom Bösen und thue das Gute; suche den Frieden und jage ihm nach (Ps. 33, l5.). Thut ihr dieß, so wird der Herr Euch Verstand und Kraft stärken, daß ihr auch die höheren und größeren Gebote Gottes zu lernen und zu erfüllen vermöget, und er wird euch, wenn ihr in diesen Werken fortwährend bis ans Ende verharret, nicht nur euere Sünden vergeben, sondern euch auch gleichsam als seinen eigenen Söhnen das ewige und himmlische Reich zukommen lassen, damit ihr wie der Apostel sagt, Erben seid, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi. (Rom. 8,  l7.) 

6. Ferner glaubet, daß Christus, Gottes Sohn, am Tage des Gerichtes kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten, wie er selbst, als er zum Himmel auffuhr, den Aposteln durch die Engel mittheilte, welche sprachen: Er wird eben so wiederkommen, wie ihr ihn sahet hingehen in den Himmel (Apostelg. l, l0.); alsdann wird, wie der Prophet (Oder vielmehr Luc. 3, 6.; Aehnliches findet sich jedoch Ps. 97, 3.; Is. 52, l0.) sagt alles Fleisch das Heil Gottes sehen. Die Gottlosen werden es sehen, damit sie den
fürchten welchen sie verschmäht haben, sie werden sich aber nicht freuen, weil sie keine Freude an jenem hatten, wie denn geschrieben steht: Der Gottlose soll hinweggenommen werden, daß er die Herrlichkeit Gottes nicht sehe (Vgl. Is. 26, 10.) Alsdann werden die Gerechten von den Ungerechten, von welchen sie auf dieser Welt gedrückt wurden, geschieden werden, die Gottlosen, um in dem Kerker des Teufels mit ihm bestraft, die Gerechten, um in dem Reiche Gottes mit diesem verherrlicht zu werden. Die Gottlosen werden ihre Leiber wieder erhalten, um in denselben, weil sie mit ihnen sündigten, ewige Pein zu erleiden: die Rechtschaffenen werden ihre Leiber wieder erhalten, um in denselben, weil sie mit ihnen Gott getreulich dienten, von der Barmherzigkeit Gottes ihren Lohn zu empfangen. Alle werden alsdann auferstehen, wie denn auch der Apostel sagt: Wir werden zwar Alle auferstehen, aber wir werden nicht Alle verwandelt werden ( I. Kor. 15, 5l.), weil nur die Gerechten werden zur Herrlichkeit verwandelt werden; alsdann werden, wie die Wahrheit sagt, die Gottlosen in die ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben (Matth. 25, 46.). Alsdann werden die Gerechten gleich der Sonne glänzen in dem Reiche ihres Vaters; sein wird dort Leben mit Gott ohne Furcht vor dem Tode, dort unabläßiges Licht und nie Finsterniß, dort Wohlergehen, das keine Krankheit trübt, dort unabläßige Sättigung für die welche jetzt Hunger und Durst nach Gerechtigkeit haben, dort Glückseligkeit, welche keine Furcht unterbricht, dort Freude, welche keine Traurigkeit stört, dort ewige Herrlichkeit mit den Engeln und Erzengeln, mit den Patriarchen und Propheten, mit den Aposteln und Märtyrern, mit den Beichtigern und heiligen Jungfrauen, welche Christus überall, wohin er geht, folgen; dort wird Größeres und Besseres, Süßeres und Lieblicheres, Angenehmeres und Behaglicheres, als gesagt und gedacht werden kann den Heiligen gewährt, weil wie der Apostel sagt, kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, welche Freuden Gott denen bereitet hat, die ihn lieben (I. Kor. 2, 9.), und zu welchen euch Der welcher euch geschaffen hat gelangen lassen wolle. Alles dieß, meine Söhne, alles dieß, geliebteste Brüder, was ich Sünder in Demuth euch vorgetragen habe, wolle auf heilsamere Weise zu euern Sinnen und zu euerm Herzen sprechen in ihrer Kraft die allmächtige Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und heiliger Geist, welche lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)