Freitag, 25. Oktober 2013

Von dem doppelten Wirken der Gerechtigkeit - Predikt vom Hl. Bonifacius

Dritte Rede 

Von dem doppelten Wirken der Gerechtigkeit.

1. Die erste Gerechtigkeit ist, das Böse nicht zu thun, was der Teufel eingiebt, die zweite ist, das Gute zu thun, was der allmächtige Gott uns zu thun ermahnt, weil Gott das Heil unserer Seelen wünscht und, wie gesagt wird, will ,daß alle Menschen selig werden (I. Tim. 2, 4.). Hören wir also, Geliebteste! worin das Böse besteht, welches der Teufel eingiebt, und sodann, worin das Gute besteht, welches wir nach dem Willen unsers Herrn und Gottes thun sollen, damit wir Kinder seiner Liebe und nicht Kinder des ewigen Verderbens seien. Die erste und schlimmste unter den Sünden ist der Stolz, durch welchen der Teufel, als er ein hochherrlicher Engel im Himmel war, fiel und sich mit allen seinen Gesellen des ewigen Verderbens

schuldig machte. Die zweite war der Ungehorsam, durch welchen der erste Mensch des Paradieses verlustig ging, indem er, weil er das Gebot des allmächtigen Gottes nicht beobachtete, in diese Sterblichkeit versetzt und in der ganzen Nachkommenschaft seiner Söhne der ewigen Verdammniß schuldig wurde, wegen welcher Verdammniß, wie wir gesagt haben, der allmächtige Gott in die Welt kam, um sie von uns abzuwenden und uns von allem Elende zu befreien. Sodann verbietet uns unser Herr und Gott dem Teufel zu gehorchen, weil dieser viele Theilnehmer an seinem Verderben zu haben wünscht, und weil jene welche durch Unzucht, Todtschlag, Ehebruch, Völlerei, falsches Zeugniß, Meineid, Ungerechtigkeit, Raub und Betrug den Willen des Teufels thun und Neid, Haß und Verläumdung gegen ihre Brüder üben, in ewiger Schmach mit dem Teufel und seinen Engeln zu dem nie erlöschenden Feuer verdammt werden, diejenigen aber, welche den Willen des allmächtigen Gottes thun und seinen Geboten gehorchen, in ewiger Herrlichkeit mit Christus und seinen heiligen Engeln herrschen werden.

2. Die göttlichen Gebote, durch deren Befolgung uns von dem allmächtigen Gotte die ewige Glückseligkeit verliehen wird, sind folgende. Voran steht die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen; wir sollen nämlich Gott aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus ganzem Gemüthe, das heißt (Vgl. Matth. 22, 37.; Marc. 12, 30.), mit allem unserm Verstande und allem unserm Willen lieben und stets seinen Willen und seine Gebote im Gedächtnisse haben und sollen die andern Menschen lieben, wie uns selbst (Matth. 22, 39.; Marc. 12, 31.), und keinem Etwas thun, was wir nicht wollen, daß es ein anderer uns thue, und gegen andere so handeln, wie es unser Wille ist daß andere gegen uns handeln (Matth. 7, 12.; Luc. 6, 31.). Auch sollen wir barmherzig sein gegen die Armen und gegen die Unglücklichen und ihnen wohlthun nach unsern Kräften und ihren Bedürfnissen, und wenn Jemand gegen uns fehlt, so sollen wir ihm vergeben, damit uns Gott unsere Sünden vergiebt, weil wir so im Evangelium lesen und die Wahrheit selbst sagt: Wenn ihr den Menschen ihre Sünden vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch euere Sünden vergeben (Matth. 6, 14.). Ferner sollen wir Demuth zeigen im Angesichte des Herrn, weil geschrieben steht: Demüthiget euch unter die gewaltige Hand Gottes, daß er euch erhöhe zur Zeit der Heimsuchung (I. Petr. 5, 6.), und weil, wie wir gesagt haben, die Engel des Stolzes wegen vom Himmel herabstürzten, Gottes Gnade aber uns verlieh, durch Demuth zu den englischen Sitzen hinaufzusteigen. Sodann sollen wir Geduld üben, wie denn der Herr selbst gesagt hat: In euerer Geduld werdet ihr euere Seelen besitzen (Luc. 2l, 19.), und sollen keinem Böses mit Bösem vergelten. Eben so sollen wir die Keuschheit unseres Körpers fleißig bewahren, weil, wie geschrieben steht (Weish. 1, 4.), der heilige Geist nicht in einem Leibe wohnt, welcher den Sünden dient. Ferner sollen wir keinen Diebstahl begehen, sondern von unserer gerechten Arbeit den Armen Almosen geben, damit diese für uns beten, und Gott uns unsere Sünden verzeihe, weil, wie in der Weisheit zu lesen ist (Spr. 13, 8.), mancher mit seinem Reichthume sein Leben loskauft. Auch sollen wir den Lehrern der Kirche mit reinem Herzen und gutem Gewissen folgsam sein, die Kirchen Christi in Ehren halten und öfter zum Gebete kommen. Eben so sollen wir unsere Eltern ehren, da der Herr in dem Gesetze geboten hat: Ehre deinen Vater und deine Mutter (Deut. 5, 16.), aber auch die Eltern sollen ihre Kinder unterrichten in aller Keuschheit und in der Furcht Gottes und ihnen nicht beistimmen, wenn sie stehlen, Unzucht treiben, sich berauschen und sonst ungerecht handeln; die Weiber aber sollen ihre Männer fürchten und ehren und ihnen die Keuschheit bewahren; deßgleichen sollen auch die Männer ihre Weiber lieben und die Keuschheit, welche sie von ihnen verlangen, zuerst beobachten, damit diese an ihnen ein gutes Beispiel sehen. Die Armen aber und die Unglücklichen sollen sich freuen in ihrer Armuth und auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen, welcher sagt: Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich (Matth. 5, 3.); sie sollen leben in Keuschheit und im wahren Glauben und in der Hoffnung auf die ewige Vergeltung und geduldig ihr Unglück ertragen, damit ihnen der allmächtige Gott die ewige Seligkeit gewähre.

3. Die Priester aber und die Geistlichen der ganzen heiligen Kirche, welche im Dienste Gottes stehen müssen, sollen Tag und Nacht, in jeder Weise und an jedem Orte untadelhaft vor den Laien leben, damit recht viele durch ihr gutes Beispiel belehrt werden; ihr Sinnen sei Tag und Nacht auf das Gesetz Gottes und den kirchlichen Dienst gerichtet; sie sollen keine Trunkenbolde, keine Geizhälse und keine Schwätzer bei Gelagen sein und nicht nach Reichthümern in dieser Welt streben, sondern sich einen ewigen Schatz im Himmelreiche bereiten. Sie sollen demnach allen Menschen das Beispiel einer guten Aufführung zeigen und das Volk Christi in der Wahrheit und im Glauben unterrichten, damit sie mit vielfachem Gewinne heiliger Seelen vor dem Angesichte unseres Herrn und Gottes erscheinen und vielfacher Belohnung würdig befunden werden.

4. Die Jüngeren und Untergeordneten sollen den Aelteren in aller geistlichen Lehre gehorsam sein und nichts ohne den Rath der Aelteren thun; sie sollen unterthänig sein in Demuth und Gehorsam, damit sie zur gelegenen Zeit ihres Alters würdig befunden werden, Christus, unserm Gotte, zu dienen, denn wie wird, wer in der Jugend nicht gelernt hat, was gut ist, es im Alter haben oder lehren können? Ueberall nämlich sollen Alle, mögen sie reich oder arm, älter oder jünger, Herrn oder Diener, Vorgesetzte oder Untergebene sein, Gott lieben und seine Gebote fleißig beobachten; sie sollen wahrhaftig in ihren Reden ,gerecht in ihren Urtheilen, barmherzig in ihrer Frömmigkeit, sorgfältig in ihrem Dienste, demüthig in ihren Sitten, geduldig bei allen Widerwärtigkeiten sein, den wahren und katholischen Glauben fleißig lernen und im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe leben, die öffentlichen Fasten in Keuschheit halten und ihre Fasten durch Almosen zieren, indem sie was sie sich entziehen den Armen spenden. Auch sollen sie Gott, dem allmächtigen Herrn, ihre Zehnten getreulich geben, damit Gott der Herr ihren Arbeiten seinen Segen verleihe. Sie sollen öfter, hauptsächlich aber an festlichen Tagen, zur Kirche kommen und in der Kirche keine unnützen Reden führen, sondern dem Gebete mit zerknirschtem Herzen obliegen, wie es sich im Hause Gottes und im Angesichte des höchsten Königs geziemt; und hat Jemand gestrauchelt und ist in irgend eine Sünde gefallen, so soll er möglichst schnell durch die Beichte wieder aufstehen und sich durch die Buße
reinigen, weil Gott in seiner Barmherzigkeit stets bereit ist, dem Sünder zu verzeihen, wenn er sich dem Pfade der Gerechtigkeit zuwenden will, wie denn auch der Prophet sagt (Vgl. Ezech. 33, 11.): Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, und an einer andern Stelle (Vgl. eben. Vers 12.) von dem letzten Willen und Wirken: An dem Tage wo der Mensch sich bekehrt haben wird, wird er leben und nicht sterben. Der Neid des Teufels also verleitet uns zu sündigen, die Barmherzigkeit des Herrn aber, welche unser Heil wünscht, giebt die Mahnung, uns von der Sünde nach dem Wege der Gerechtigkeit zu wenden, damit wir der ewigen Herrlichkeit mit seinen Heiligen würdig befunden werden. Auch müssen wir auf das Bestimmteste wissen und glauben, daß alle unsere Werke und Gedanken an dem jüngsten Tage werden gerichtet werden. Die Sünder, welche ihre Sünden nicht lassen und nicht Gottes Geboten gehorchen wollen, werden ewige Qualen mit dem Teufel und seinen Engeln in dem nie erlöschenden Feuer erwarten, denen aber, welche sich mit ganzem Herzen zu dem allmächtigen Gotte bekehren, in der Liebe leben und Gottes Geboten gehorchen, wird ewige Herrlichkeit und Seligkeit und Freude mit Christus und seinen Heiligen zu Theil werden von Ewigkeit zu Ewigkeit .
(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)