Dienstag, 1. Oktober 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Zweiter Sonntag im Advent

  Zweiter Sonntag im Advent

 

(Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

 

  Erste Rede 

 

Alles, was geschrieben steht, ist zu unserer Unterweisung geschrieben. Röm. 15, 4.

 

 Am vorhergehenden Sonntage ermahnte uns der Apostel, daß wir aufwachen; am heutigen aber, wozu wir aufwachen sollen, nämlich zur Lesung und zum Studium jener Schriften, welche uns unser himmlischer Lehrer verfassen ließ. Denn der Herr war als ein guter Lehrer besorgt, uns die besten Schriften zu machen, um uns vollkommen zu unterrichten. Denn er sagt: "Alles, was geschrieben ist, ist zu unserer Unterweisung geschrieben." Es bestehen aber diese Schriften in einem doppelten Buche, nämlich in dem Buche der Schöpfung und in dem Buche der heiligen Schrift.

  Das erste Buch enthält so viele sehr gute Schriften, als es Geschöpfe hat, welche ohne Lüge die Wahrheit lehren. Als daher Aristoteles gefragt wurde, von wem er Solches und so Vieles gelernt hätte, antwortete er: Von den Dingen, welche nicht täuschen können. Sie lehren aber zweierlei, nämlich zu erkennen und zu handeln. 

In Bezug auf das Erkennen lehren sie uns viererlei; zuerst, daß Gott ist; sodann, daß nur Ein Gott ist; drittens, daß er dreipersönlich ist; und viertens, daß er das höchste Gut ist. Weil die Welt ist, lehrt sie das Dasein eines Schöpfers, welcher wie das Werk, Dasein hat. Denn die Weisheit sagt (13.): "Von der Größe der Gestalt des Geschöpfes kann ihr Schöpfer erkannt werden." Weil die Geschöpfe ein Ganzes sind und auf Eine Weise erhalten werden, so lehren sie, daß nur Ein Gott ist; denn gäbe es mehrere Götter, so wäre die Welt vernichtet, da die Theilung die Ursache der Vernichtung ist. Bei Matthäus (12. Kap.) heißt es: "Jedes Reich, das in sich selbst getheilt ist, wird verödet werden." Weil Alles in der Zahl, im Gewichte und Maaße besteht, so lehren die Geschöpfe durch das Maaß, die Gestalt und Ordnung, daß Gott dreieinig ist. "Alles hast du im Gewichte, in der Zahl, und im Maaße geschaffen," sagt die Weisheit (11. Kap.) Weil Alles gut ist, so lehren die Geschöpfe, daß es ein höchstes Gut gibt, von dem so viele Güter herkommen. Der heilige Augustin sagt: "Es ist ein großes Zeichen der Güte, daß jedes Geschöpf sich selbst hingeben muß. Weil daher Gott gut ist, sind wir."

 In Bezug auf das, was wir thun sollen, lehren sie uns gleichfalls viererlei; zuerst dem Herrn zu gehorchen; sodann ihn zu fürchten; drittens ihn zu lieben; und endlich viertens ihn zu loben. Sie lehren uns dem Herrn zu gehorchen, weil ihm Alles gehorcht, daher sagt der Psalmist (148.): "Er hat ein Gesetz gegeben, und es wird nicht vergehen." Von den Geschöpfen gehorchen alle dem Schöpfer miit Ausnahme des Sünders und des Teufels. Sie lehren uns Gott zu lieben durch die Wohlthaten und die Gaben, welche sie uns täglich geben. Der heilige Augustin sagt: "Himmel und Erde, und Alles was in ihnen ist, rufen mir von allen Seiten zu, dich zu lieben, und sfie hören nicht auf, Allen zuzurufen, so daß ich ohne Entschuldigung bin." Gott zu fürchten lehren sie uns durch die Strafen. Denn wir sehen, daß jedes Geschöpf bereitet ist, die gegen seinen Schöpfer Abtrünnigen zu strafen. Die Weisheit sagt (16.): "Die Kreatur, welche dem Schöpfer dient, entbrennt gegen die Ungerechten, und sie gibt denen, welche auf dich vertrauen, leichter Wohlthaten." Gott zu loben lehren sie uns, weil Alles ihn lobt und zum Lobe einladet. Daher der heilige Augustin sagt: "Es ist wunderbar, daß der Mensch nicht immer Gott lobt, da jedes Geschöpf zu seinem Lobe einladet." Und so ist es klar, wie alle Geschöpfe, welche gleichsfam eine Schrift Gottes sind, uns viererlei zum Erkennen und zum Thun lehren. 

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