Dienstag, 1. Oktober 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Erster Sonntag im Advent

  Erster Sonntag im Advent

 

(Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)


Erste Rede 


Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber hat sich genahet. Röm 13, 12.

 Diesen Tag kann man auf eine vierfache Weise verstehen; denn ein vierfacher Tag ist angebrochen, der Tag der Erbarmung, der Tag der Gnade, der Tag der Gerechtigkeit und der Tag der Herrlichkeit. Diese vier Tage feiert die Kirche in dieser heiligen Zeit.

 Der Tag der Erbarmung ist der Geburtstag Christi, an dem uns die Sonne der Gerechtigkeit aufging, oder vielmehr, der diesen Tag so herrlich gemacht hat. Der Tag der Gnade ist die Zeit der Gnade; der Tag der Gerechtigkeit ist der Tag des Gerichtes; der Tag der Herrlichkeit iist der Tag der Ewigkeit.

 Vom ersten heißt es bei Joel (3. Kap.): "An jenem Tage werden die Berge Honig herabträufeln." Vom zweiten sagt der heilige Apostel Paulus (2. Corinth. 6.): "Sieh, jetzt ist der Tag des Heiles. Vom dritten spricht der Prophet Sophonias (1. Kap.): "Der Tag des Zornes ist jener Tag der Tag der Betrübniß." Vom vierten heißt es beim Propheten Zacharias (14. Kap.): "Es wird ein Tag sein, welcher dem Herrn bekannt ist,"  und bei dem Psalmisten (83.): "Besser ist ein Tag in deinen Wohnungen, denn tausend anderswo."


 Der Geburtstag Christi ist herangekommen, daß wir ihn feierlich begehen; der Tag der Gnade, daß wir sie ergreifen; der Tag des Gerichtes, daß wir es fürchten; der Tag der Herrlichkeit, daß wir nach ihr laufen. Wegen des ersten ruft uns die Kirche zu: "Der Herr ist nahe," (l. Philipp. 4.) und wiederum: "Nahe ist mein Heil, daß es komme," Isai. 56.; wegen des zweiten Tages: "Sieh nun ist die Zeit der Gnade," 2. Corinth 6; wegen des dritten: "Sieh der Richter steht schon vor der Thüre,"  Jac 5; wegen des vierten: "Sieh, ich komme bald und mein Lohn ist bei mir ," Geh. Off. lezt Kap.

 Dem Tage der Geburt Christi müssen wir mit Erbarmung und  in Wahrheit entgegenkommen. Auf diesen zwei Wegen kommt Christus zu uns, und auf diesen müssen wir ihm entgegenkommen. "Alle Wege des Herrn sind Erbarmung und Wahrheit," sagt der Psalmist (24.). Dem Tage der Gnade müssen wir mit Reinigkeit und Demuth entgegenkommen; denn dieses macht uns vorzüglich der Gnade empfänglich. Von der Reinigkeit steht geschrieben (Sprichw. 22.): "Wer die Reinigkeit des Herzens liebt, wird wegen der Anmuth seiner Lippen den König zum Freunde haben;" von der Demuth heißt es (Jac. 4.): "Den Demüthigen aber gibt er seine Gnade." Dem Tage des Gerichtes müssen wir durch das Andenken an ihn, und mit Furcht entgegenkommen. Der heilige Hieronymus sagt: "Ich mag essen oder trinken, so scheint jene Stimme immer in meinen Ohren zu widerhallen: Stehet auf  ihr Todte, kommet zum Gerichte." Hingegen heißt es von den Bösen: "Die Bösen denken nicht an das Gericht." (Sprichw. 28.) Dem Tage der Herrlichkeit müssen wir mit Gerechtigkeit und Behendigkeit entgegenkommen; denn es heißt (Hebr. 4.): "Eilen wir, in jene Ruhe einzutreten."

 Zu diesem Vierfachen ermahnt uns der Apostel in dieser Epistel zur Erbarmung und zur Wahrheit mit den Worten: "Laßt uns die Waffen des Lichtes anziehen." Die Waffen des Lichtes aber sind Erbarmung und Wahrheit. Denn die Erbarmung ist der Schild, wodurch wir uns gegen den Feind vertheidigen; die Wahrheit ist die Tugend, wodurch wir Alles besiegen. Von der Erbarmung steht geschrieben (Pred. 17.): "Das Allmosen des Menschen ist wie ein Siegelring bei ihm gegenwärtig, und die Güte der Menschen bewahrt er wie seinen Augapfel. Aber dann wird er sich erheben und ihnen vergelten, einem jeden auf seinen Kopf, und in das Innerste der Erde sie stürzen." Und von der Wahrheit heißt es (3. Esdras. 4.): "Groß ist die Wahrheit und sie wiegt viel; sie ist groß und stärker, denn Alles. Die ganze Erde ruft nach Wahrheit, auch der Himmel segnet sie und alle Werke erbeben und erzittern vor ihr, und bei ihr ist kein Unrecht. Ungerecht ist der Wein, ungerecht der König, ungerecht die Frauen, ungerecht alle Menschensöhne, und ungerecht alle ihre Werke, und in ihnen ist keine Wahrheit, und sie werden in ihrer Ungerechtigkeit zu Grunde gehen, aber die Wahrheit bleibt." Zur Reinigkeit und Demuth ermahnt uns der Apostel mit den Worten: "Nicht in Unzucht und Unreinigkeit, nicht in Streit und Zank." Unzucht und Unreinigkeit sind Werke der Gottlosigkeit, welche unrein machen. Streit und Zank entstehen aus dem Zorne; indem er uns vor der Unreinigkeit warnt, ermahnt er uns zur Reinigkeit und indem er uns vor Hoffart warnt, ermahnt er uns zur Demuth.

 Zum Andenken und zur Furcht vor dem Gerichte ermahnt er uns, wenn er sagt: "Laßt uns wie am Tage wandeln," d.h. laßt uns so leben, wie es sich auf den Gerichtstag geziemt. Ist ein Mensch vor Gericht und denkt er an das Gericht, so lebt er ehrbar, indem er das Gericht fürchtet. Zur Gerechtigkeit und Behendigkeit werden wir mit folgenden Worten ermahnt: "Jetzt ist die Stunde, daß wir von dem Schlafe erwachen," und darum müssen wir eilen, um von dem Schlafe der Sünde aufzuwachen und Gerechtigkeit zu üben, und der Apostel gibt den Grund hiefür an: "Denn jetzt ist unser Heil näher."

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