Montag, 7. Oktober 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf die Vigilie des heiligen Weihnachtsfestes

Auf die Vigilie des heiligen Weihnachtsfestes


 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

 Erste Rede 

 Ehe die Sonne aufgeht, soll man dire Lob und Dank sagen, und beim Anbruche bes Tages dich anbeten. Weish. 16, 28.

 Morgen feiern wir den Aufgang der ewigen Sonne; darum werden wir in diesen Worten ermahnt, uns auf ihren Aufgang vorzubereiten. Hier sind zwei Punkte zu bemerken, nämlich erstens, daß die Sonne aufgeht, und zweitens, was wir bei ihrem Aufgange thun müssen. In Bezug auf den ersten Punkt, so ist Christus die Sonne und sodann das Licht; und in Bezug auf den zweiten Punkt, so soll man vor dem Aufgange anbeten.

Christus heißt aber die Sonne, wie die Schrift (Malach. 3.) sagt: "Wenn ihr Gott fürchtet, so wird euch die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen." Indem er aber Sonne heißt, werden damit sieben wohlthaten angedeutet, die er dem menschlichen Geschlechte durch seinen aufgang erweist, wie die leibliche Sonne in der Körperwelt  sieben Wirkungen hervorbringt. Die erste Wirkung ist die Erzeugung, die zweite die Belebung, die dritte die Ernährung, die vierte das Wachsthum, die fünfte die Vollendung, die sechste die Reinigung, die siebente die Erneuerung. In der sichtbarent Welt bewirkt die Sonne die Erzeugung, bringt zum Leben,
ernährt, befördert, vollendet, reiniget und erneuert sie. Dieß that Christus an uns indem er geboren wurde. Er erzeugte uns, indem er uns zu Söhnen Gottes machte. "Allen welche ihn aufnahmen, gab er die Macht Kinder Gottes zu werden." (Joh.1.) Und Jacobus (3.) sagt: "Freiwillig erzeugte er uns durch das Wort der Wahrheit." Er belebte uns, indem er uns das Leben der Gnade und der Glorie verlieh. "Das Leben war das Licht der Menfchen." (Joh. 1.) Und der Apostel (Eph. 2.) sagt: "Und er gab uns in Christus das Leben." Christus selbst sagt (Joh. 10.): "Und ich gebe ihnen das ewige Leben." Er ernährt mit dem Brode des heiligsten Altarsacramentes und des göttlichen Wortes, wie er selbst sagt (Joh. 6.): "Ich hin das lebendige Brod, das vom Himmel herabgekommen ist," und in dem Buche der Weisheit (16.): "Du hast ihnen Brod vom Himmel gegeben." Und der Psalmist sagt (30.): "Du erziehst und ernährest mich." Er gab Wachsthum und Gedeihen, indem er die Fülle der Gnade und Gaben verlieh. "Von feiner Fülle haben wirAlle empfangen" (Joh. 1.). Und der Apostel spricht  (Eph. 4.): "Thun wir aber die Wahrheit in Liebe und wachsen wir in ihm." Er vollendet, indem er in den Zustand der Vollkommenheit versetzt. Christus (Matth. 5.) sagt: "Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." Er reinigte, indem er den Schmutz der Sünden hinwegnahm, wie der Apostel (Hebr. 1.) sagt: "Er bewirkte die Reinigung von den Sünden." Er erneuerte, indem er die alte Schuld zerstörte und Alles neumachte. Der Apostel sagt (Röm. 6.): "Unser alte Mensch ist zugleich gekreuzigt," und in der Offenbarung (15.) heißt es: "und es sprach der, welcher auf dem Throne saß, Sieh ich mache Alles neu."
 Christus ist äber nicht bloß die Sonne, sondern auch das Licht. Indem er Licht heißt, werden sechs andere Wirkungen angedeutet, die er an uns durch seinen Aufgang macht. Denn sechs sind der Wirkungen des Lichtes. Die erste ist die Erleuchtung; die zweite die Befruchtung, denn die Befruchtung kommt von dem Lichte; die dritte ist die Bewahrung; die vierte die Ordnung; die fünfte die Zierde, wie Dionysius sagt: "Das Licht ordnet und ziert das Vermischte und Ungeordnete." Die sechste ist die Ausgießnng und Ausstrahlung seiner selbst. Er befruchtete, indem er die Strahlen der Tugenden eingoß und zu guten Werken antrieb. Isaias (58.) sagt: "Mit dem Glanze wird er deine Seele erfüllen und du wirst ein bewässerter Garten sein." Die Befruchtung kommt also von der Wirkung des Lichtes. Er erhält, wie Christus (Joh. 17.) selbst sagt: "Ich bewahrte sie." Er ordnet wie es im hohen Liede heißt (2.): "Er ordnete zu mir die Liebe." Er zierte wie Sirach (48.) spricht: "Er schmückte die Zeiten bis zur Vollendung des Lebens,"t und Job (25.) spricht: "Der Geist des Herrn (d.h. Jesu Christi) schmückte die Himmel." Sich selbst gießt er aus, indem er für uns stirbt, wie der Apostel (Gal. 3.) sagt: "Er Christus gab sich selbst für mich hin."

 Diese Sonne brachte uns also durch ihren Aufgang viele Güter; darum müssen wir uns auf ihren Aufgang vorbereiten, und zwar auf siebenfache Weise. Zuerst indem wir uns von jedem Schmutze der Sünde rein waschen; zweitens indem wir jede zeitliche Liebe ablegen; drittens indem wir in seiner Liebe standhaft ausharren. Im alten Bunde (Num. 11.) spricht der Herr: "Reiniget euch heute, und morgen werdet ihr das Fleisch essen." Denn heilig ist so viel als rein. Viertens indem wir göttliche Loblieder anstimmen, wie der Psalmist (94.) sagt: "Kommen wir ihm mit Lobpreisung zuvor." Fünftens ausdauernd, daß wir seiner Geburt durch das Gebet würdig werden. Der Psalmist (87.) spricht: "Am Morgen wird mein Gebet dir zuvorkommen." Sechstens durch sorgfältige Betrachtung wie viele Wohlthaten er uns erwiesen hat. Der Psalmist (118.) sagt: "Meine Augen kamen dir am Morgen zuvor, um deine Worte zu betrachten." Siebentens indem wir für eine solche Gnade danken Dieß heißt sich zu seinem Lobe vorbereiten.

 Beim Aufgange der Sonne, d. h. bei der Geburt Christi müssen wir auf fünffache Weise anbeten. Zuerst indem wir im Herzen glauben, zweitens indem wir mit dem Munde bekennen, drittens indem wir in der That sein Opfer willig übernehmen, viertens indem wir reichliches Almosen spenden, fünftens indem wir Tag und Nacht in seinem Lobe zubringen. In Bezug auf die ersten zwei Weisen heißt es (Röm. 10.): "Im Herzen glaubt man zur Gerechtigkeit mit dem Munde aber geschieht das Bekenntniß zum Heile." Von der dritten (Röm. 12.): !Ich bitte euch, Brüder, durch die Erbarmung Gottes, daß ihr euere Leiber als einheiliges Opfer darstelle." Von der vierten (Isai. 28.): "Dieß ist meine Ruhe, erquicket den Müden und dieß ist meine Erquickung." Die fünfte lehren die Engel, welche diesen Tag so feierlich besangen (Luc. 2.): "Und plötzlich erhob sich mit dem Engel eine Menge der himmlischen Heerschaaren, welehe Gott lobten.

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