Sonntag, 13. Oktober 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das Fest des heiligen Evangelisten Marcus

Auf das Fest des heiligen Evangelisten Marcus


 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

 Erste Rede 



Mein Vater ist ein Landmann. Joh. 15, 1.

 Jesus nennt seinen Vater einen Landmann, weil er einen vierfachen Acker bebaut. Es sind vier Aecker, die Welt, Christus der Gerechte und das himmlische Paradies. Hinsichtlich des ersten heißt es (Matth. 13.): "Der Acker ist die Welt." Hinsichtlich des zweiten (Ps. 49.): "Die Schönheit des Ackers ist bei mir." Hinsichtlich des dritten (Sprüchw. 2.): "Bebaue deinen Acker fleißig," d.h. dich selbst, indem er vom Gerechten spricht. Hinsichtlich des vierten (Ebend. 31.): "Er betrachtete den Acker und kaufte ihn." Der heilige Augustin sagt: "Bestreben wir uns, jenen Acker zu besitzen wo eine so große Schönheit ist."


 Den ersten Acker, d.h. die Welt bebaut jener Landmann auf vierfache Weise. Zuerst indem er verschiedene Samen, d.h. viele Geschöpfe darauf säet. Zweitens indem er diesen Samen und die Geschöpfe vermehrt, drittens indem er den Samen, d.h. die Geschöpfe erhält, viertens indem er das empor wachsende Unkraut ausrottet. Hinsichtlich des ersten heißt es (Matth. 20.): "Er säete einen guten Samen auf seinen Acker." Hinsichtlich des zweiten (Gen. 1.): "Es sprosse die Erde grünendes Kraut hervor." Hinsichtlich des dritten (Joh. 1.): "In ihm war das Leben;" und (Weish. 11.): "Wie kann etwas ohne deinen Namen fortdauern." Hinsichtlich des vierten (Matth. 13.): "Sammelt zuerst das Unkraut." Das erste that er bei dem Werke der Schöpfung, das zweite bei dem Werke der Fortpflanzung, das dritte bei dem Werke der Regierung, das vierte bei dem Werke der Vergeltung.

 Den zweiten Acker bebaut Christus gleichfalls auf vierfache Weise. Zuerst indem er den Samen aller Tugenden darauf säet, zweitens indem er ihn mit den Wässern der Gnade befeuchtet, drittens indem er ihn umgraben läßt, viertens indem er den Dünger des Ausgespieenen und der Schmach darauf ablagern läßt. Hinsichtlich des ersten heißt es (Gen. 27.): "Sieh der Geruch meines Sohnes ist wie der Geruch eines vollen Ackers." Hinsichtlich des zweiten (Ebend. 2.): "Es ging ein Strom vom Orte des Vergnügens aus." Christus theilt sich in vier Flüsse, weil wir Alle von seiner Fülle empfangen haben. Hinsichtlich des dritten (Ps. 21.): "Sie durchbohrten meine Hände." Hinsichtlich des vierten (Ps. 68.); "Ich bin angeheftet an den Lehm der Tiefe," und (Klagel. 3.): "Er wird mit Hohn gesättigt."

 Den dritten Acker, d.h. den Gerechten, bebaut er gleichfalls auf vierfache Weise. Zuerst indem er die emportreibenden Laster vertilgt; zweitens, indem er ihn mit dem Pfluge der Zerknirschung zerspaltet, drittens indem er den Samen der Tugenden aussäet, viertens indem er ihn mit dem Wasser der Thränen befeuchtet. Hinsichtlich des ersten sagt Boethius: "Wer einen edlen Acker besäen will, befreie die Gefilde vom Unkraute." Hinsichtlich des zweiten und dritten sagt Isaias (28.): "Pflüget wohl den ganzen Tag der Pflüger, um zu säen; wird er immer sein Land aufbrechen und eggen? Wird er nicht, wenn die Fläche geebnet, Dill streuen, Kümmel säen, Weizen nach der Reihe, Gerste, Hirse und Spelt, jedes an seinem Ort?" Hinsichtlich des vierten (Sirach 24.): "Ich will meinen Garten wässern."

 Den vierten Acker, d.h. das Paradies, bebaut er auf vierfache Weise. Zuerst, indem er die bösen Kräuter ausrottet, d.h. die Teufel. Zweitens, indem er die schönsten Bäume, d.h. die Ordnungen der Engel hineinpflanzt, drittens, indem er die schönsten Blumen, d.h. die Lilien der Jungfrauen, die Rosen der Martyrer und die Veilchen der Bekenner hineinsetzt. Viertens indem er ihn mit den Flüssen der Freuden bewässert. Hinsichtlich des ersten heißt es (Offenb. 12.): "Es wurde hinabgeworfen jener große Drache, darum freuet euch, ihr Himmel!" Hinsichtlich des zweiten (Ezech. 31.): "Die Zedern waren nicht höher, als er im Paradiese Gottes." Hinsichtlich des dritten (H. Lied 2.): "Die Blumen erschienen in unserm Lande," und (Ebend. 4.): "Mein Geliebter der unter den Lilien weidet." Hinsichtlich des vierten (Ezech. 45.): "Sieh das Wasser fließt über."

 Der erfte Fluß ist die Freude über das leibliche Geschöpf; der zweite über die Gesellschaft der Engel; der dritte über den Gottmenschen; der vierte über die Herrlichkeit der Gottheit, und diese kann nicht vergehen weil sie unendlich ist.