Montag, 7. Oktober 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das heilige Weihnachtsfest

  Auf das heilige Weihnachtsfest

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

 Erste Rede


 Ein Kind wurde uns geboren. Isai. 9, 6.

Quelle: Missale romanum ex decreto sacrosancti Concilii tridentini restitutum: s. 
Pii v. pontificis maximi jussu editum, Clementis VIII. et Urbani VIII. auctoritate recognitum
Mit diesen Worten ist dreierlei in Bezug auf die Geburt des Herrn angedeutet. Zuerst wird die Eigenschaft des Kindes, zweitens die der Geburt, und drittens der Nutzen derselben angegeben. "Ein Kind (erster Punkt) isi geboren (zweiter Punkt) für uns (dritter Punkt)."

Es wurde also ein Kind geboren, aber welches Kind? Ein wunderbares, liebenswürdiges, unaussprechbares,  furchtbares, verehruugswürdiges und begehrenswerthes. Darum heißt es (Isai. 9.): "Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt, auf dessen Schultern Herrschaft ruht, und man nennt seinen Namen: Wunderbar, Rathgeber, Gott, starker Gott, Vater der Zukunft, Friedensfürst." Als wunderbar erzählen ihn die Himmel, rufen ihn die Engel, verkünden ihn die Weisen, predigen ihn die Hirten; nämlich die Himmel, indem sie einen Stern schicken, die Engel, indem sie ihn loben, die Weisen indem sie ihn anbeten, die Hirten, indem sie erzählen was sie sahen.


Er ist wunderbar auf eine dreifache Weise, weil der Schöpfer zum Geschöpfe wird, die Jungfrauschaft bei seiner Geburt nicht verloren geht, und dieß vom Menschen geglaubt wird. Diese drei Wunder wirkte heute der Herr; das erste weil Gott Mensch wurde, das zweite weil die Jungfrau gebar, das dritte weil es das menschliche Herz glaubte.

 Er ist also wegen der Majestät wunderbar, aber liebenswürdig wegen der Güte, die sich in drei Stücken zeigt. Zuerst aus der Ausgießung seiner selbst, indem er sich heute selbst hingab. So sagt Dionysius: "Das Gute gießt sich selbst aus (diffusium sui)." Johannes (1.) sagt: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt." Zweitens aus dem Erweise seiner Güte. Darum singen wir (Tit. 3.): "Es erschien uns die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Heilandes." Drittens aus der Bewirkung des Besten. Dionysius sagt: "Sache des Besten ist es, das Beste zu bewirken." Er brachte uns aber drei Güter, zuerst das der Wissenschaft; zweitens das der Gnade; drittens das der Herrlichkeit. Davon lesen wir irn Evangelium der dritten Messe: "Wir sahen seine Herrlichkeit (in Bezug auf das erste Gut), voll der Gnade (in Bezug auf das zweite Gut) und Wahrheit (in Bezug auf das dritte Gut).

 Er ist also liebenswürdig, aber unaussprechlich aus drei Gründen; zuerst wegen der Ewigkeit. Zweitens wegen der Gleichheit mit dem Vater; drittens wegen der Gottheit. Davon spricht das vierte Evangelium: "Im Anfange war das Wort (in Bezug der Ewigkeit) und das Wort war bei Gott (in Bezug auf die Wesensgleichheit) und Gott war das Wort (in Bezug auf die Gottheit)." Er ist unaussprechlich; er ist aber auch ehrwürdig, weil er Alles schuf, Alles leitet, Alles wiederschafft. Diese drei Eigenschaften enthält die Epistel (Hebr. 1.): "Durch den er auch die Welten erschuf (als Schöpfer) und Alles durch das Wort seiner Kraft trägt (als Regierer) und die Reinigung von den Sünden bewirkte (als Wiederhersteller).

 Er ist also wunderbar; er ist aber auch wünschenswerth wegen der Schönheit; denn diese ist ein gewisses Verhältniß der Theile mit einem gewissen Farbenreize. Denn jede Schönheit besteht in zwei Dingen, im Lichte und den Charakteren, oder Figuren und Farben. Diese zwei Merkmale kommen in dem Briefe (Hebr. 1.) vor: "Durch den er die Welten erschuf, woelcher, da er der Glanz der Herrlichkeit (erste Eigenschaft) und die Gestalt seiner Wesenheit (zweite Eigenschaft) ist u.s.w." Darum nennt ihn der Psalmist (Ps. 44.): "Schön an Gestalt vor den Menschensöhnen;" und das hohe Lied (3.) sagt: "Mein Geliebter ist weiß und roth."
 Er ist also wunderbar; er ist aber auch aus drei Gründen furchtbar; zuerst als Licht, weil er Alles sieht; zweitens als mächtig, weil er Alles vermag; drittens als gerecht, weil er gegen Alle gerecht ist. Vom ersten Punkte heißt es (Joh. 1.): "Das Licht leuchtete in der Finsterniß und die Finsterniß hat es nicht ergriffen;" vom zweiten (Hebr. 1.): "Er sitzt zur Rechten der Herrlichkeit," vom dritten (Hebr. 1.): "Du liebtest die Gerechtigkeit und haßtest das Unrecht."

 Wir müssen ihn also bewundern, daß wir ihn fürchten; lieben, daß wir entglühen; als unaussprechbar denken, daß wir uns demüthigen; als furchtbar, daß wir zittern als verehrungswürdig, daß wir ihn loben; als sehenswerth, daß wir zu ihm eilen.

 In Bezug auf seine Geburt ist zu wissen, daß sie dreifach ist ewig im Schoose des Vaters; zeitlich im Schoose der Mutter; geistig im Herzen. Dieß bedeuten die drei Messen am heiligen Weihnachtsfeste.

In Bezug auf den Nutzen ist in Kürze zu bemerken, daß der Mensch von seiner Geburt einen doppelten Nutzen schöpfte, nämlich die Entfernung jeglichen Uebels und den Gewinn jeglichen Gutes. Dieß sagte heute der Engel (Luc. 2.): "Ich verkünde euch eine große Freude (in Bezug auf die Erlangung des Guten), denn es wurde euch der Erlöser geboren," in Bezug auf die Entfernung des Uebels: denn er wird uns von jedem bösen Werke erlösen.

Christus der heute als Kind geboren wurde, möge uns einer solchen Gnade theilhaft machen, der lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.