Dienstag, 22. Oktober 2013

Lucas XXII, 34. - 38. Goldene Kette (Catena Aurea)

Lucas 22, 34. - 38.

34. Und er sprach zu ihnen: 35. Als ich euch aussandte ohne Säckchen, ohne Tasche und Schuhe, hat euch etwas gefehlt? 36. Sie aber sprachen: Nichts. Er sagte also zu ihnen: Aber wer jetzt ein Säckchen hat, der nehme es, zugleich auch die Tasche, und wer nicht hat, der verkaufe seinen Rock und kaufe ein Schwert. 37. Denn ich sage euch: An mir muß noch in Erfüllung gehen, was geschrieben steht: Er wurde unter die Uebelthäter gerechnet. Denn das, was auf mich geht, findet sein Ende. 38. Sie aber sprachen Herr! sieh, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach: Es ist genug.

 Der Herr hatte zu Petrus gesagt (Cyrillus), daß er ihn verläugnen würde, nämlich zur Zeit seiner Gefangennehmung. Weil aber einmal seine Gefangennehmung erwähnt wurde, so verkündet er sofort die über die Juden kommende Drangsal. Daher heißt es: Und er sagte zu ihnen: Als ich euch ohne Säckchen aussandte u.s.w. Denn der Erlöser hatte die heiligen Apostel ausgesandt, in den Städten und Flecken das Reich Gottes zu predigen, und ihnen befohlen, daß sie ohne Sorge um Körperliches dahingingen, sondern auf ihn die ganze Hoffnung des Lebens setzten.


 Wie aber der (Chrys. ad Rom. 16), welcher schwimmen lehrt, am Anfange seine Hände unterlegt und seine Schüler sorgsam aufrecht erhält, hernach aber die Hand zurückzieht und ihnen befiehlt, sich selbst zu helfen, ja sie selbst ein wenig eintauchen läßt: so verfuhr auch Christus mit den Jüngern. Im Anfange war er in Allem bei ihnen gegenwärtig, und bereitete ihnen Alles in großer Fülle. Daher folgt: Sie aber sprachen: Nichts. Da sie aber ihre eigenen Kräfte zeigen mußten, entzog er ihnen ein wenig seine Gnade, und hieß sie aus sich Einiges vollbringen.

 Daher folgt: Er sagte also zu ihnen: Wer aber jetzt ein Säckchen hat (worin nämlich das Geld getragen wird), der nehme es, zugleich auch die Tasche (worin nämlich die Speisen getragen werden). Da sie weder Schuhe, noch einen Gürtel, weder einen Stock noch ein Geld hatten, litten sie keinen Mangel. Da er ihnen aber das Säckchen und die Tasche gestattete, scheinen sie zu hungern, zu dürsten und Blöße zu leiden, gleich als wollte er zu ihnen sagen: Bis jetzt hattet ihr reichen Ueberfluß, jetzt aber sollet ihr auch den Mangel leiden, und daher verpflichte ich euch nicht zur Noth des ersten Gesetzes, sondern befehle, sowohl ein Säckchen als eine Tasche zu haben.

 Gott konnte sie zwar bis an das Ende mit einer solchen Fülle ausrüsten; aber er wollte aus vielen Gründen nicht. Zuerst, daß sie sich nichts zuschrieben, sondern erkännten, daß Alles von Gott komme; zweitens, daß sie sich zu mäßigen verstünden; drittens, daß sie nicht zu hoch von sich dächten. Daher ließ er sie in viele Drangsale kommen und löste die Strenge des früheren Gesetzes, damit das Leben ihnen nicht zu schwer und unerträglich würde. - Denn er gibt den Jüngern nicht dieselbe Lebensregel zur Zeit der Verfolgung und des Friedens (Beda). Da er die Jünger zum Predigen aussandte, befahl er, sie sollten nichts auf den Weg mit sich nehmen, aus dem Grunde, weil der, welcher das Evangelium verkündet, von dem Evangelium leben soll. Bei der Todesgesahr aber, da das ganze Volk zumal Hirte und Herde verfolgte, gab er eine für die Zeit passende Regel, indem er gestattete, daß sie die nothwendigen Lebensmittel nehmen sollten, bis nach der Beschwichtigung des Sturmes der Verfolger die Zeit, das Evangelium zu predigen, zurückkehrte. Hier gibt er uns auch ein Beispiel, daß man bei einer vernünftigen Ursache bisweilen von unserer gewohnten Strenge ohne Schuld nachlassen könne. - Es ist also keine Unbeständigkeit des Befehlenden (August. c. Faust. 12, 77.), sondern es liegt in der Weisheit des Erlösungswerkes, daß nach der Verschiedenheit der Zeitunterschiede die Gebote, oder Räthe, oder Zulassungen geändert werden.

 Wenn er aber zu schlagen verbietet (Ambrosius), warum befiehlt er, ein Schwert zu kaufen? Darum, daßh man zur Vertheidigung bereit und die Rache nicht nothwendig sei, und es vielmehr scheine, daß man sich zwar habe rächen können, aber es nicht wollte. Daher folgt: Und wer nicht hat (nämlich ein Geldsäckchen), der verkaufe den Rock u.s.w. - Was bedeutet dieses (Crysostomus)? Er der gesagt hatte (Matth. 6.): Wenn Jemand dich auf die rechte Wange schlägt so reiche ihm auch die andere hin, bewaffnet die Jünger jetzt und zwar mit dem bloßen Schwerte. Denn hätte er sie vollkommen rüsten wollen, so hätten sie auch Schild und Helm haben müssen. Aber hätten sie auch tausend solcher Waffen besessen, wie hätten die Elfe gegen so vielen Hohn und solche Nachstellungen der Völker, der Tyrannen, der Städte, der Nationen sich verhalten, und nicht bei dem bloßen Anblicke der Heere erzittert, sie, die an Seen und Flüssen aufwuchsen? Wir können also nicht glauben, daß er ihnen befohlen habe, Schwerter zu besitzen, sondern durch das Schwert deutet er die bevorstehenden Nachstellungen der Juden an.

 Daher folgt: Denn ich sage euch: Es muß in Erfüllung gehen, was von mir geschrieben steht: Er wurde zu den Missethätern gezählt (Isai. 52.). - Denn da sie oben untereinander wegen des Vorzuges stritten (Theophylactus), sprach er, jetzt ist keine Zeit der Ehre, sondern der Gefahren und Kriege. Denn auch ich, euer Meister, werde zum schmählichen Tode geführt und zu den Missethätern gerechnet. Denn das von mir Vorhergesagte naht sich dem Ende, d.h. der Erfüllung. Indem er also an den gewaltsamen Hohn hindeuten wollte, erinnerte er an das Schwert; aber er hat es nicht vollkommen enthüllt, damit sie nicht von Feigheit ergriffen oder von der Furcht verwirrt würden. Aber er hat auch nicht ganz davon geschwiegen, damit sie nicht bei dem plötzlichen Angriffe hin- und herschwankten, sondern sich nachher erinnerten und verwunderten, wie er sich selbst für das Menschenheil durch das Leiden zum Preise hingab.

 Oder der Herr besiehlt nicht (Basil. in reg. 31.), eine Geld- oder Speisetasche zu tragen und ein Schwert zu führen, sondern er sagt vorher, daß die Apostel an die Zeit des Leidens, der Gaben und des Gesetzes des Herrn vergäßen und es wagten, Schwerter zu nehmen. Denn öfter bedient sich die Schrift der befehlenden Ausdrucksweise, statt der Weissagung. - Oder er verkündet ihnen dadurch vorher (Theophylactus), daß sie Hunger und Durst zu ertragen hätten, was er durch die Tasche bezeichnet, oder Widerwärtigkeiten, was er durch das Schwert angibt.

 Oder es ist so zu fassen (Cyrillus): Wenn der Herr sagt: Wer ein Säckchen hat, der nehme es, zugleich auch die Tasche, so scheint er zu den Jüngern zu reden; aber in der That redet er zu jedem Juden, als wollte er sagen: Wenn ein Jude Reichthum hat, so werfe er Alles hinweg und entfliehe; wenn aber Jemand in der letzten Noth die Religion bewahrt, so verkaufe auch dieser seinen Rock und kaufe sich das Schwert. Denn sie ergreift eine unerträgliche Kampfeslust, so daß nichts widerstehen kann. Endlich gibt er die Ursache für diese Uebel an, weil er nämlich die den Gottlosen gebührende Strafe litt und mit den Missethätern gekreuzigt wurde. Und wenn dieses geschehen ist, so hat das Erlösungswerk ein Ende. Die Verfolger wird aber das treffen, was von den Propheten vorherverkündet wurde. Dieses sagte also der Herr von dem vorher, was über das Judenland kommen würde. Aber die Jünger verstanden die Tiefe dieser Worte nicht, sondern glaubten, daß man wegen des Angriffes des Verräthers Schwerter brauchte.

 Daher folgt: Sie aber sagten: Herr, sieh, hier sind zwei Schwerter. - Wenn er gewollt hätte (Crys. ut sup.), sie sollten eine menschliche Hilfe leisten, so hätten hundert Schwerter nicht zugereicht. Wenn er aber dieses nicht wollte, so sind selbst zwei überflüssig. - Der Herr wollte sie also nicht tadeln (Theophylactus.), als verstünden sie dieses nicht, sondern mit den Worten: Es ist genug, entließ er sie. So sagen auch wir, wenn wir mit Jemanden reden, aber sehen, daß er das Gesagte nicht verstehe: Wohl, lasse es sein, um ihn nicht zu belästigen. Einige aber sagen, der Herr habe aus Spott gesagt: Es ist genug, als wollte er sagen: Da zwei Schwerter vorhanden sind, können sie gegen eine solche Menge, die uns angreifen soll, genügen.

 Oder zwei Schwerter reichen hin (Beda), zu beweisen, daß der Erlöser freiwillig gelitten habe: das eine, welches lehren sollte, daß die Apostel den Muth hätten, für den Herrn zu kämpfen, und der Herr die Kraft zu heilen hätte; das andere, welches nicht von der Scheide gezogen wurde, sollte anzeigen, daß ihnen nicht gestattet wurde, zu thun was sie konnten. - Oder weil das Gesetz zu schlagen nicht verbietet (Ambrosius), so sprach er vielleicht zu Petrus, der zwei Schwerter brachte, daß es genug sei, gleich als wäre es bis auf das Evangelium erlaubt gewesen, so daß im Gesetze das Recht der Gleichheit, im Evangelium die Vollkommenheit der Güte herrschte. Auch gibt es ein geistiges Schwert, daß du das Vermögen verkaufest und das Wort kaufest, womit das Innere der Seele bekleidet wird. Auch gibt es ein Schwert des Leidens, daß du den Leib ausziehest und mit dem Ablegen des geopferten Fleisches dir die heilige Krone des Martyrtodes kaufest. Auch ist es wichtig, daß die Jünger zwei Schwerter brachten, wovon vielleicht das eine auf das alte, das andere auf das neue Testament sich bezieht, wodurch wir gegen die Nachstellungen des Teufels gewaffnet werden. Sodann sagt der Herr: Es ist genug, gleich als ob dem nichts mehr fehlte, welchen die Lehre beider Testamente bewaffnet hätte .