Montag, 30. September 2013

Von der Hoffnung und dem Gebete des Herrn - Hl. Petrus Canisius


Kurzer Inbegriff der christlichen Lehre oder Katechismus des ehrwürdigen Lehrers Petrus Canisius der Gesellschaft Jesu Theologen - Aus dem lateinischen Originalwerke in das Deutsche übersetzt - Dritte sehr verbesserte und um sieben Druck Bogen vermehrte Auflage  (1826)

Zweites Hauptstück.


I. Was ist die Hoffnung?


Sie ist eine Tugend von Gott eingegossen, kraft welcher wir die Güter unsers Heiles und des ewigen Lebens von Gott mit gewisser Zuversicht erwarten.

 Es ist übrigens nicht genug, daß man an Gott und Gottes Wort glaube, und die göttlichen Glaubenslehren, die in der Kirche geprediget werden, bekenne, sondern der Christ soll auch von der Güte Gottes, die er schon (so vielfältig) erfahren hat, Hoffnung fassen und Vertrauen, die Gnade und das ewige Heil zu erlangen. Diese Hoffnung stärkt (a) den Gerechten in den größten Bedrängnissen so mächtig, daß, wenn er auch von aller Hilfe, von allem Schutze der Welt verlassen ist, er dennoch unerschrocken spricht: Und (b) wenn Er mich auch tödtet, so will ich auf Ihn hoffen. Und: (c) auf Gott hoffe ich; ich werde mich nicht fürchten, was soll mir ein Mensch thun? (d) Mein Gott auf dich vertraue ich, ich werde nicht zu Schanden werden.

II. Wie kann mau diese Hoffnung erlangen?


Erstens gehört dazu heißes und (a) häufiges Gebeth zu Gott: hernach muß die Hoffnung genährt werden durch die tägliche Betrachtung der Güte und (b) Wohlthaten Gottes, besonders derjenigen, welche Christus der Herr, nach seiner unermeßlichen Liebe gegen uns, auch sogar den Unverdienten erzeiget und verheißen hat. Endlich muss man damit Reinigkeit (c) des Gewissens verbinden, und diese durch fromme Werke und durch eine in Widerwärtigkeiten unbesiegte Geduld allzeit bewähren. (d) Denn welchen das Zeugniß eines guten Gewissen oder der Vorsatz eines bessern Lebens mangelt, diese fördern nicht die Hoffnung, die sich geziemt, sondern vielmehr die Vermessenheit, (e) und sie prahlen verwegen mit einem durchaus eiteln Vertrauen, so sehr sie sich auch der Verdienste Christi und der Gnade Gottes rühmen.

 Der Prophet spricht: (f) Hoffe auf den Herrn und thue Gutes. Und der nämliche wiederum: Sey Unterthan dem Herrn und bitte ihn. Und ein anderer: (g) Gütig ist der Herr allen die auf ihn hoffen; der Seele, die ihn sucht. Doch soll man diese Hoffnung nicht von aller Furcht trennen, (h) wie es die Stelle hinreichend beweißt: (i) DerHerr hat Wohlgefallen an denjenigen, die ihn fürchten und an jenen, welche auf seine Barmherzigkeit hoffen.

 III. Welche Güter gehören unter die Hoffnung, und welche darf ein Christ hoffen?

 Vorzüglich zwar die Güter (a) des himmlischen Reiches, die den Menschen selig machen, und in keinem Theile unglücklich seyn lassen; dann aber kann man auch alles dasjenige unter die Güter, die wir hoffen und erwarten dürfen, zählen, was immer als in diesem Leben dem Menschen dienlich und heilsam (b) auf die rechte Weise verlangt und erbethen wird. Solches leuchtet aber vorzüglich aus dem Gebethe des Herrn hervor, welches nämlich Christus der Herr (c) mit seinem hochgeweihten Munde gelehrt und mit bewunderungswürdiger Weisheit allen vorgeschrieben hat. die ihre Hoffnungen und Wünsche Gott im Gebethe vortragen wollen.


(a) Tit. 2, 13. 3, 7.
(b) Hebr. 4, 16.; Aug. in Ench. c. 114.
(c) Matth. 6, 9. sq.; Luc. 11, 1-4.


 IV. Welches ist die Gebethweise des Herrn?


Diese: Vater unser der du bist den Himmeln:


 1. Geheiliget werde dein Name
 2. Zukomme uns dein Reich
 3. Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erde
 4. Gieb uns heute unser tägliches Brod
 5. Und vergieb uns unsre Schulden wie auch wir vergeben unsern Schuldigern
 6. Und führe uns nicht in Versuchung
 7. Sondern erlöse uns von dem Uebel. Amen.


V. Was begreift in Kürze das Gebeth des Herrn?

 Es werden in demselben (a) sieben Bitten vor gelegt, auf welche alle Formen und Weisen aller Gebethe zurückgebracht (b) werden können und sollen, sey es denn, daß man um Erlangung des Guten oder um Tilgung der Sünden, oder um Abwendung aller Uebel die göttliche Hilfe anflehe. In den drey ersten Bitten begehren wir ordentlich, was eigentlich zum Ewigen gehört, in den übrigen vier aber auch Zeitliches, was wegen des Ewigen zu erlangen uns nothwendig ist.

 VI. Was will der Anfang des Gebethes sagen: Vater unser, der du bist in den Himmeln?


Er ist eine kurze Vorrede und erinnert uns bie höchste Wohlthat, durch welche Gott der Vater, jene ewige Majestät, die im Himmel höchst sslig herrscht, uns zu Gnaden und um Christi seines Sohnes willen auch zu seinen Kindern und zu Erben des himmlischen Reiches durch den heiligen Geist angenommen hat.

 Diese Erinnerung an so große Wohlthaten weckt nicht nur die Aufmerksamkeit (a), sondern fordert uns auch auf, als Kinder den Vater wieder zu lieben und ihm zu gehorchen, wie es auch nicht minder das Vertrauen  (b) mehrt zu bitten und zu erlangen, um was wir bitten.



 VII. Welches ist der Sinn der ersten Bitte: Geheiliget werde dein Name?


Wir bitten, daß in uns, wie auch in allen Andern, allezeit befördert und vermehrt werde, was zur Ehre unsers höchsten und besten Vaters gehört.

 Solches aber geschieht vorzüglich, wenn das Bekenntniß des wahren Glaubens, auch die Hoffnung und Liebe, und zugleich ein heiliger Wandel eines christlichen (a) Lebens an uns leuchten und ihre Kraft beweisen, so, daß auch (b) Andere, die es sehen, den Vater preisen.




VIII. Was enthält die zweyte Bitte: Zukomme uns dein Reich?

 Wir bitten, daß Gott durch seine Gnade und Gerechtigkeit in der Kirche, ja auch in der ganzen Welt herrsche und regiere, daher alle feindlichen Mächte überwältige und alle bösen Begierden vertreibe.

 Alsdann wünschen und flehen wir, daß wir aus dieser Welt, als aus einer beschwerlichen (a) Pilgerschaft und (hartem) Kriegsdienste baldmöglichst in das Reich der Herrlichkeit und ewigen Seligkeit übersetzet werden, auf daß wir mit Christus und seinen Heiligen ewiglich herrschen.



IX. Was schließt die dritte Bitte in sich: Dein Wille geschehe?


Wir bitten daß wie die Engel und alle Heiligen im Himmel, also auch wir auf Erde, obgleich schwach und gering, Gott einen voll kommenen Gehorsam leisten mögen, und uns nichts so groß (und lieb) seyn lassen, als daß wir sowohl im Glücke, als auch im Unglücke dem göttlichen Willen uns gerne unterwerfen, und nachdem wir unser (a) Willen, der zum Bösen geneigt ist, aufgegeben, in dem göttlichen Willen (b) allezeit ruhen.






X. Was enthält die vierte Bitte in sich: Gieb uns heute unser tägliches Brod?


Wir begehren als Arme und Bettler von dem Urheber und Quell alles Guten das, was hier zum Lebensunterhalte des Leibes täglich genug ist, nämlich Nahrung und Kleidung; überdieß (begehren wir auch) was zum Leben der Seele förderlich ist,  nämlich (a) das Wort Gottes, die geistige Nahrung der Seele, das hochheiligste (b) Sakrament, jenes Himmelsbrod, und die übrigen heilsamen Sakramente der Kirche und Gaben Gottes, welche den innern Menschen nähren, heilen und stärken, um heilig und selig zu leben.





XI. Wie versteht man die fünfte Bitte: Vergieb uns unsere Schulden?

 Hier bitten wir, daß wir von der Seuche der Sünde (denn nichts ist gräulicher, nichts für die Seele ansteckender, als sie) gnädig gereiniget, und uns die Schulden, in welche wir durch die Sünde gefallen sind, nachgelassen werden.Auf daß aber unsere Bitte nicht vergeblich sey, wenn das Herz gegen den Nächsten übel gesinnt ist, so fügen wir noch an, daß wir alle Rachgierde (a) und Feindschaft aufgeben, mit den Nächsten uns versöhnen und eines jeden Schuld von ganzem Herzen nachlassen. Denn gerade da ist es, was Christus dort gewollt hat, da er sagte; (b) Vergebet, so wird euch vergeben. Und wiederum: (c) Wenn ihr nicht werdet vergeben den Menschen, so wird auch euer Vater euch nicht vergeben eure Sünden.



 XII. Was enthält die sechste Bitte: Führe uns nicht in Versuchung?

 Weil dieses gegenwärtige Leben nichts anderes, als ein Kriegsdienst auf  Erde, da wir allezeit von verschiedenen Versuchungen angefochten werden, und mit der Welt, dem Fleische und dem Teufel hart zu kämpfen haben, so stehen wir eben deswegen die göttliche Hilfe andächtig und sorgfältig an, nicht nur, daß wir bey Angriffen solcher Feinde nicht unterliegen, und bey einer solchen Niederlage verdammet werden, sondern auch, daß wir in diesem Kampfe standhaft ausharren und auf die Rechte Gottes uns verlassen und der Macht des Teufels tapfer widerstehen, die Welt verachten, das Fleisch züchtigen, und so endlich als unbesiegbare Kämpfer Christi nach dem Siege gekrönet werden; (a) denn wie der Apostel bezeugt, (a) es wird Niemand gekrönet, als welcher rechtmäßig gekämpft hat.


 XIII. Was liegt in der siebenten und letzten Bitte: Erlöse uns von dem Uebel?


Wir bitten zuletzt, daß uns Gott in Trübsalen dieser Welt, mit welchen auch die Frommen zu kämpfen haben, nicht verderben und mit den Gottlosen umkommen lasse, sondern daß er uns durch seine Güte erlöse, so weit es unserm Seelenheile förderlich ist, und vor allem Uebel, sowohl des Leibes, als der Seele, sey es in diesem oder künftigen Leben, gnädig bewahre. Denn Er selbst hat es so verheissen (a): Rufe mich an am Tage der Trübsal und ich will dich herausreissen und du wirst mich ehren.

 Endlich schließen wir das ganze Gebeth mit dem Einen Worte (b) Amen, auf daß wir im Gebethe zugleich und in Gewährung desselben unser Vertrauen bewähren:
 erstens um der Verheißung Christi willen, der nicht trügt, da er spricht: (c) Bittet, und es wird euch gegeben;
 zweytens wegen der unermeßlichen Güte und übergroßen Barmherzigkeit des (himmlischen) Vaters gegen uns alle, wie darum Joannes spricht: (d) Um wasö wir immer bitten werden nach seinemWillen, (darin) erhört er uns.

 XIV. Welches ist die Summe des Gebethes des Herrn?

 Es enthält die vollkommenste Weise, nicht nur zu bethen und zu begehren, was gut ist, sondern auch um Abwendung und Meidung aller Uebel zu bitten.

 Unter dem Guten soll man aber allererst um das bitten, daß der himmlische Vater von Allen allzeit und überall geehrt und gepriesen werde; dann aber, daß wir seines Reiches theilhaftig gemacht werden; endlich, daß uns die Mittel nicht mangeln, dadurch man füglich zum Reiche Gottes gelangt. Solches geschieht von Seite unserer Seele, daß wir uns dem göttlichen Willen gleichförmig machen, und von Seite des Leibes, daß wir den nothdürftigen Lebensunterhalt haben.

 Was aber von dem zweyten Theile an bis zum Ende des ganzen Gebethes angefügt wird, drückt die herzliche Bitte um Abwendung der Uebel aus, damit diese durch Gottes Gnade und Macht entweder ganz beseitiget werden, nämlich die Sünden, welche die Zerstörung alles Guten und ein Pfuhl aller übrigen Uebel sind, oder damit sie doch so beschränkt werden, daß sie bey ihrer Macht der Erlangung unsers Heiles kein Hinderniß seyn können. Uebel dieser zweyten Gattung sind die verschiedenen Anfechtungen in dieser Welt, und alle Trübsale des gegenwärtigen und künftigen Lebens.


Was von dem Gebethe noch abzuhandeln nöthig ist, das wollen wir bis dahin aufbehalten, wo die dreyerley guten Werke erklärt werden.

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