Sonntag, 8. September 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das Fest des heiligen Bartholomäus

Auf das Fest des heiligen Bartholomäus

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)


Es schälte meinen Feigenbaum ab; weiß wurden seine Zweige. Joel. 1, 7. 

Dieß kann man auf den heiligen Bartholomäus und sein Leiden anwenden. Es werden davon drei Dinge ausgesagt, zuerst wird die leidende Person beschrieben als Feigenbaum; zweitens sein Leiden ausgedrückt in den Worten: Es schälte ab, und drittens sein Lohn hinzugefügt: Weiß wurden seine Zweige.

 Der heilige Bartholomäus wird aus drei Gründen unter dem Feigenbaume bezeichnet: wegen des Holzes, der Blätter und der Frucht. Unter dem Holze versteht man die Heiligkeit seines Herzens, unter den Blättern die Wahrheit der Rede, unter der Furcht die Anmuth seiner Handlungen.

 Am Stamme sind drei Dinge: das Mark, das Holz und die Rinde. Im Marke ist die Weiße, im Holze die Stärke, in der Rinde beides. Ebenso sind drei Dinge zur Süßigkeit des Herzens nothwendig, nämlich: die Weiße des Glaubens oder die Weisheit in Bezug anf die Erkenntniß; die Standhaftigkeit der Hoffnung in Bezug auf das Begehrungsvermögen, und die Erhaltung in Bezug auf das Gefühlsvermögen. Hinsichtlich des ersten Punktes heißt es (Weish. 7.): "Sie (die Weisheit) ist der Glanz des ewigen Lichtes, und der makellose Spiegel der Herrlichkeit Gottes und das Bild seiner Güte." Hinsichtlich des zweiten (Isai. 36.): "Im Schweigen und in der Hoffnung wird euere Kraft sein." Hinsichtlich des dritten (Röm. 8.):
"Was soll uns trennen von der Liebe Christi? Betrübniß oder Angst" u.s.w.

 Im Holze also wird die Heiligkeit des Herzens angedeutet, aber in den Blättern der Nutzen der Rede. Es sind aber drei Dinge in den Blättern zu unterscheiden: der Saft, die grüne Farbe und die Rauheit beim Anfühlen, und sie drücken drei Dinge aus, welche in der Rede nothwendig sind, nämlich die Reinheit, die Anmuth und der Nutzen. Die Reinheit besteht in der Wahrheit, die Anmut in der Ehrbarkeit und der Nutzen in der Güte der Worte. Die Reinheit liegt in dem Safte, die Anmuth in der grünen Farbe, der Nutzen in der Rauheit. Denn wie eine glatte, d.h. schmeichelhafte Rede schädlich ist, weil sie verführerisch ist, so ist eine rauhe nützlich, weil sie zurechtweist.

 Es ist einleuchtend, daß dieses nothwendig ist. Hinsichtlich des ersten heißt es (Sprüchw. 15.): "Eine reine Rede ist am schönsten;" hinsichtlich des zweiten (Sprüchw. 16.): "Ein Honigknchen sind zierliche Worte;" hinsichtlich des dritten (Eph. 4.): "Keine böse Rede komme aus eurem Munde."

 In den Blättern liegt also der Nutzen der Rede; in der Frucht aber die Heiligkeit der Handlung. In der Frucht aber sind drei Dinge zu betrachten: innerlich die Röthe, äußerlich die Grüne, im Genusse aber die Süßigkeit, und diese bezeichnen drei zur Seligkeit nothwendige Stücke. Denn die Handlung muß im Glauben geschehen, was die Röthe bedeutet; im Mittelmaße, daß es nicht zum Aeußersten komme, daß nicht zu viel oder zu wenig geschieht. Dieß versteht man in der grünen Farbe, denn sie ist eine mittlere Farbe. Ebenso muß sie in Demuth geschehen, was man unter der Schwärze versteht; und in Freudigkeit, was man unter dem angenehmen Geschmacke versteht. Darum sagt die heilige Schrift hinsichtlich des ersten Punktes (l. Cor. 16.): " All euer Werk geschehe in Liebe;" hinsichtlich des zweiten (Röm. 8.): "Euer Dienst sei vernünftig," d. h. es gefchehe weder zu viel, noch zu wenig; hinsichtlich des dritten (Luc. 17.): "Wenn ihr Alles wohlgethan habet, saget: wir sind unnütze Knechte." Der heilige Gregorius sagt: "Wer die übrigen Tugenden ohne Demuth sammelt, führt Staub in den Wind." Hinsichtlich des vierten (II. Cor. 8.): "(Gebet nicht) aus Traurigkeit oder gezwungen; denn einen freudigen Geber liebt Gott."

 Alles dieses hatte der heilige Bartholomäus und darum wird er passend unter dem Feigenbaume bezeichnet. Aber unter dem Abschälen des Feigenbaumes ist sein Leiden angedeutet. Denn er wurde aus drei Gründen geschunden. Zuerst um Gott als ein wahres Lamm zum Opfer dargebracht zu werden. Es heißt (Lev. 1.): "Und wenn dem Opfer die Haut abgezogen ist, sollen sie die Glieder in Stücke hauen, und Feuer auf dem Altar machen von dem Holzhäuflein, das sie ehevor zusammengelegt, und sollen die zerhauenen Glieder der Ordnung nach legen." Zweiten, daß er von jeder Feuchtigkeit ausgetrocknet würde; so schält man den Baum ab, damit er austrockne. Darum sagt Christus von diesem Feigenbaume (Matth. 7.): "Sammelt man etwa von den Disteln Feigen?" Ebenso wurde ihm die Haut abgezogen, um sich wie eine Schlange in Ewigkeit zu erneuern. "Seid klug wie die Schlangen," sagt Christus (Matth. 10.). Die Klugheit der Schlange besteht in der Ablegung der Haut um verjüngt zu werden.

 Sodann heißt es: Weiß wurden seine Zweige. Die Zweige der Seele sind das Gedächtniß, die Erkenntniß und der Wille; die Zweige des Leibes aber sind die körperlichen Sinne. Das Gedächtniß wird weiß durch die Erfassung der Ewigkeit; die Erkenntniß durch die Betrachtung jeder Wahrheit; der Wille durch den Genuß jeglichen Gutes. Die Zweige des Leibes, die Sinne, werden weiß, weil jeder Heilige zum Genusse gelangt. Das Weißwerden der Kräfte der Seele und des Leibes ist nichts anderes, als durch den Empfang des weißen Kleides verherrlicht zu werden. "Sie wuschen ihre Kleider und machten sie weiß in dem Blute des Lammes,"  sagt die Schrift (Offenb. 8.).

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