Samstag, 7. September 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes

Auf das Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

 

Wenn ich erhöht sein werde, werd ich Alles an mich ziehen. Joh. 12, 32.


 Diese Worte enthalten zuerst zwei Punkte: die Art und den Nutzen des Leidens. Jenes liegt in der Erhöhung, dieses in dem Emporziehen. "Christus wurde gehorsam, sagt der Apostel (Phil. 2.) bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Darum erhöhte ihn auch Gott und gab ihm einen Namen über alle Namen." Und der Psalmist (102.): "Am Wege wird er vom Bache trinken, und darum das Haupt erheben." Sodann drittens, weil er durch das Verdienst seines Leidens uns erhöhte, da wir niedrig und verworfen waren. Der Prophet (Jerem. 2.) sagt: "Wie verächtlich wurdest du, daß du wieder deine Wege gingest! Du wirst an Aegypten zu Schanden werden, wie du an Assyrien zu Schanden wurdest;" und der Psalmist (117.): "Die Rechte des Herrn wirkte Kraft, die Rechte des Herrn erhöhte mich über die Engel;" und (Ps. 8.): "Deine Herrlichkeit wurde über die Himmel erhoben." Und Christus sagt (Joh. 12.): "Ich will, Vater, daß da, wo ich bin, auch mein Diener sei."

 Viertens, um zu zeigen, daß das was vor den Menschen niedrig ist, vor Gott groß ist, und umgekehrt das, was in den Augen der Welt groß, in den Augen
Gottes klein ist. Fünftens, um die Art und Weise der Erhöhung zn zeigen, nämlich durch die Demuth; denn Christus demüthigte sich, indem er Knechtsgestalt annahm. "Wer sich demüthigt, wird erhöht werden." (Luc. 14.)

 "Ich werde Alles an mich ziehen." Die natürliche Anziehung geschieht auf sechsfache Weise. Zuerst durch eine gewisse Verähnlichung. So nahm Christus die menschliche Gestalt an, um die Menschen an sich zu ziehen. "Gott sandte seinen Sohn - sagt der Apostel (Röm. 8.) - nach der Aehnlichkeit des sündhaften Fleisches." Denn der Mensch war Gott unähnlich, darum sprach Gott: "Sieh, Adam ist worden wie einer von uns." Zweitens, durch eine gewisse Aushöhlung, wie der Schwamm das Wasser. Diese Eigenschaft war bei Christus die Demuth. "Kommet zu mir Alle - spricht er (Matth. 15.) - die ihr mühselig und beladen seid. Lernet von mir; denn ich bin demüthig und sanftmüthig vom Herzen." Der heilige Bernard sagte: "Immerhin eilen wir dir zu, o Herr, wegen deiner Sanftmuth." Drittens zog uns der Herr an sich, durch die Stricke des Elendes. "In den Stricken Adams will ich dich an mich ziehen." (Ose. 9.) Viertens, durch süße Anlockung. "Du hast die Worte des ewigen Lebens." (Joh. 6.) Der heilige Augustin sagt: "Du verwundetest mein Herz durch dein Wort und ich liebte dich." Fünftens durchVerheißungen. Daniel (12.) sagt: "Die da Viele in der Gerechtigkeit unterrichten werden wie Sterne in alle Ewigkeit leuchten." "Gehet auch ihr in meinen Weinberg," spricht Gott. (Matth. 20.) Sechstens durch das natürliche Verlangen, wie das Feuer nach Oben, die Erde nach Unten strebt; weil aber der Mittelpunkt oben ist, so kann man unten niemals ruhen. Darum spricht Christus (Joh. 18.) "In der Welt habet ihr Betrübuiß, in mir aber Frieden." Der heilige Gregorius sagt: "Da Alles geschaffen ist, Gott zu suchen, so genügt dem menschlichen Geiste nichts außer Gott." Und der heilige Augustin sagt: "Denn von solcher Würde ist die menschliche Natur, daß ihm kein Gut, außer das höchste genügen kann." Darum beweist er gerade dadurch, daß die Sünder nicht sind, wenn es heißt: "Wenn ich erhöht sein werde, so werde ich Alles an mich ziehen," d.h. die Sünder. Sie ließen sich aber nicht ziehen, also sind sie nicht. Der Mensch heißt Alles, weil er das Ende von Allem, weil er zuletzt geschaffen, und weil Alles um seinetwegen geschaffen ist. "Alles unterwarfst du seinen Füßen" (Ps. 8.); entweder weil er zu Allem fähig ist, oder weil er an Allem Theil nimmt, wie der heilige Gregorius zu den Worten bemerkt: "Prediget das Evangelium jeder Kreatur."*)

*) Siehe die Rede auf das Fest der heiligen Kreuzerfindung

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