Mittwoch, 25. September 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das Fest aller Heiligen


Auf das Fest aller Heiligen

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

Als Jesus das Volk sah, stieg er auf einen Berg. Matth. 5, 1.

Diese Worte enthalten zwei Dinge, Gottes Güte und Gottes Majestät. Jesus sah die Volksschaaren, welche Gott in den verschiedenen Zeiten mit den Augen seiner Güte sah. Die erste Schaar ist die der Engel, die er am Anfange dere Zeit sah, indem er sie in der Seligkeit befestigte. "Gott sah das Licht, daß es gut sei" (Gen. 1.), nämlich die englische Natur, sagt Augustin. Die zweite ist die der Patriarchen, welche er sah indem er sie durch den Glauben erleuchtete. "Auf seinem Gipfel sah er ihre Väter" (Ose. 9.), d.h. auf der Höhe der Heiligkeit. Die dritte Schaar ist die der Propheten, welche er sah, indem er sie erleuchtete. "Ehe ich dich im Mutterleibe bildete - spricht Gott zu Jeremias (1.) - erkannte ich dich." Die vierte ist die Schaar der Apostel, welche er sah, indem er sie zum Predigtamte schickte. Das Evangelium sagt (Matth. 4.): "Er sah zwei Brüder und er sprach zu ihnen: Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen." Die fünfte ist die Schaar der Martyrer, die er sah, indem er sie im Leiden tröstete. "Die Augen des Herrn gehen auf die Gerechten", spricht der Psalmist (33.). Die sechste Schaut ist die der Bekenner, welche er sah, indem er sie mit dem Lichte der Wissenschaft erleuchtete. "Die Augen des Herrn gehen auf die Gerechten," spricht der Psalmist (33.) Die sechste Schaar ist die der Bekenner, welche er sah, indem er sie mit dem Lichte der Wissenschaft erleuchtete. "Die Augen des Herrn gehen auf die ihn Fürchtenden," sagt der Psalmist (32.). Die siebente Schaar ist die der Jungfrauen, welche er sah, indem er sich mit ihnen unzertrennlich verband. "Es sind solche, sagt die Offenbarung, welche sich mit den Weibern nicht befleckten. Diese folgen dem Lamme, wohin es immer geht."


 Dieß sind die sieben Schaaren, wovon im Evangelium die Rede ist. Der ersten Schaar kommt die erste Seligkeit zu nämlich: Selig sind die Armen im Geiste, d.h. die demüthigen Engel, welche arm waren, d.h. ohne Stolz, womit Lucifer mit seinem Anhange reich und voll war. Die zweite ist die der Patriarchen, welche sanft waren, welche so sehr bedroht, doch die Sanftmuth bewahrten, weßhalb ihnen das Land der Verheißung gegeben wurde. Die dritte Seligkeit eignet den Propheten, welche wegen des Bösen das sie sahen weinten. Die vierte den Aposteln, welche einen solchen Hunger nach der Gerechtigkeit hatten, daß sie um gesättigt zu werden, diese auf der ganzen Welt suchten. Die fünfte Seligkeit bezieht fich auf die Martyrer, welche so voller Barmherzigkeit waren, daß sie diese auch ihren Verfolgern zuwendeten. Die sechste Seligkeit bezieht sich auf die Jungfrauen, welche die Reinigkeit am Leibe und an der Seele bewahrten. Die siebente bezieht sich auf die Bekenner, welche um friedfertig leben zu können, sich von jeder Gottlosigkeit trennten.

 In dem Anblicke der Schaaren zeigt sich also Gottes Güte, aber in der Besteigung des Berges seine Majestät. Er stieg auf einen dreifachen Berg. Der erste Berg ist die Gottheit des Vaters, der zweite die Jungfräulichkeit der Mutter, der dritte die Höhe des Himmels. Der Psalmist (67.) redet von "dem Berge, auf dem es Gott wohlgefällig ist zu wohnen." Denn Gott wohnt in einem unzugänglichen Lichte, wie der Apostel (I. Tim. 1.) sagt. Hinsichtlich des zweiten heißt es (Dan. 4.): "Der Stein wurde vom Berge ohne Hände losgetrennt," weil Christus von der Jungfrau ohne menschliche Hilfe geboren wurde. Hinsichtlich des dritten (Ps. 23.): "Wer steigt auf den Berg des Herrn hinauf?"

 Den ersten Berg besteigt er von Ewigkeit in seiner Geburt vom Vater; den zweiten in der Menschwerdung; den dritten in der Himmelfahrt. Es heißt (Ps. 2.): "Heute habe ich dich gezeugt;" und (Isai. 19.): "Der Herr stieg auf einer leichten Wolke hinauf," und (Eph. 3.): "Ihm sei Ehre in der Kirche und in Christo Jesu bei allen Geschlechtern in Ewigkeit. Amen."  In der ersten Aufsteigung zeigt sich die Ewigkeit, in der zweiten seine Menschheit, in der dritten seine Herrlichkeit. In der ersten ist er anzubeten, in der zweiten zu lieben, in der dritten zu wünschen.