Mittwoch, 25. September 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das Fest des heiligen Franciscus


Auf das Fest des heiligen Franciscus

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)


 Den Gerechten führte der Herr auf geraden Wegen und zeigte ihm das Reich Gottes. Weish. 10, 10.

 Diese Worte enthalten zuerst das Verdienst der Heiligen. "Er führte den Gerechten auf geraden Wegen." Zweitens die Belohnung der Heiligen. "Er zeigte ihnen das Reich Gottes." In Bezug auf das Verdienst wird dreierlei bemerkt, zuerst die Ursache, woher das Verdienst ist, zweitens worin das Verdienst ist, drittens wornach das Verdienst ist. Die bewirkende Ursache des Verdienstes ist Gott; die Ursache worin das Verdienst ist, ist der Gerechte, und die, wornach das Verdienst ist, der gerade Weg. Dieß ist die formale Ursache.


 Aber der Herr ist die bewirkende Ursache des Verdienstes auf vierfache Weise; zuerst indem er den Menschen zum Verdienen fähig macht; zweitens indem er zum Wollen bewegt; drittens indem er in der Ausübung ihn unterstützt; viertens indem er ihn in der Standhaftigkeit erhält. Das erste thut er durch die zuvorkommende Gnade; das zweite durch die nachfolgende; das dritte durch die helfende; das vierte dnrch die vollecndende Gnade. Hinsichtlich der ersten Gnade heißt es (II. Cor. 4.): "Gott ist es, der in uns wirkt." Hinsichtlich der vierten (Phil. 1.): "Der in uns das gute Werk anfing, er wird es auch bis zum Tage in Christo Jesu vollenden." Hinsichtlich der andern (I. Cor. 15.): "Durch die Gnade Gottes bin ich das, was ich bin, und seine Gnade war an mir nicht leer."

 Hinsichtlich des zweiten Punktes ist zu bemerken, daß der Gerechte auf vielfache Weise, wie die Gerechtigkeit, so heißt. Denn die Gerechtigkeit heißt erstens die Unschuld. Denn Gott tödtete in Aegypten (Exod. 13.) jede Erstgeburt. Der Tod der Erstgeburt ist aber der Verlust der natürlichen Gerechtigkeit, wodurch die Menschen mit einander verbunden sind. Zweitens heißt die Gerechtigkeit Demuth. "So müssen wir jede Gerechtigkeit erfüllen," d.h. die Demuth. Drittens heißt sie der gute Wille. Der heilige Anselm sagt: "Die Gerechtigkeit ist die Geradheit des Wiilens, in Bezug auf sich selbst." Viertens heißt sie Barmherzigkeit, wie der heilige Augustin sagt: "Die Gerechtigkeit besteht in der Erbarmung der Elenden." Fünftens heißt sie das Recht, Jedem das Seinige zu geben. Sechstens heißt sie die rechtfertigende Gnade. Der Apostel (Röm. 1.) sagt: "Wir sind umsonst durch seine Gnade gerechtfertigt." Siebentens heißt sie jede Tugend. "Du liebtest die Gerechtigkeit und haßtest das Unrecht" (Hebr. 1.). Achtens heißt sie die Ausdauer im guten Werke, darum heißt sie der standhafte und fortdauernde Wille der Seele. Gerecht also, heißt der welcher die Unschuld bewahrt, welcher die Gnade der Rechtfertigung, den gerechten Willen, die Demuth und Erbarmung hat, der Jedem das Seinige gibt, der im Guten ausharrt.

 Er führte ihn "auf geraden Wegen". Die Wege sind gerade, welche ohne Umschweif zum ewigen Leben führen. Dieser sind fünf; erstens die Liebe, wie der Apostiel von ihr sagt (Cor. 13.): "Ich zeige euch noch einen vorzüglichern Weg." Zweitens die Armuth; denn Christus sagt (Matth. 5.): "Selig sind die Armen im Geiste; denn ihrer ist das Himmelreich." Drittens die Ertragung der Trübsale. Darum heißt es (Apostelgesch. 13.): "Man muß durch viele Trübfnle hindurchgehen." Viertens der Gehorsam. Der heilige Gregorius sagt zu jener Stelle (Matth. 2.): "Sie kehrten auf einem andern Wege in ihre Heimat zurück," dieses: "Man befiehlt uns auf einem andern Wege zurückzukehren, daß wir, weil wir durch Ungehorsam das Paradies verloren haben, durch Gehorsam zurückkehren." Fünftens die Wahrheit. Der heilige Anselm sagt: "Die Wahrheit ist das rechte Verhältniß, welches man durch den Verstand allein erfaßt." Im Psalme (24.) heißt es: "Alle Wege des Herrn sind Erbarmung und Wahrheit."

 Wenn also zuerst auf das Verdienst der Heiligen hingewiefen wird, so zuletzt auf die Belohnung des Verdienstes. Das Reich Gottes heißt die himmlische Stadt, oder die ewige Seligkeit, die eigentlich Reich Gottes genannt wird. Dazu möge uns der Herr führen.

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