Dienstag, 24. September 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das Fest des heiligen Thomas

Auf das Fest des heiligen Thomas

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

Erste Rede


 Glückselig der Mann, der in der Weisheit verbleibt.   Sirach 14, 22.

 Mit diesen Worten ist das Verdienst und der Lohn der Heiligen angedeutet; das erste in den Worten: In der Weisheit; das zweite in dem: verbleibt. In Bezug auf die Weisheit ist zu bemerken, daß es eine doppelte gibt, bei der man bleiben muß, die ungeschaffene und geschaffene. Von der ersten spricht Sirach (24.): "Ich bin aus dem Munde des Allerhöchsten hervorgegangen;"  von der zweiten derselbe (1.) "Jede Weisheit ist von Gott dem Herrn."

 In der ungeschaffenen müssen wir auf dreifache Weise verbleiben. Zuerst durch den Glauben nach der Vernunft in seiner Wahrheit: nach der Hoffnung durch das Begehrungsvermögen in seiner Majestät; durch die Liebe naceh dem Gefühlsvermögen in seiner Güte. Hinsichtlich des ersten sagt Christus (Joh. 15.): "Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so bittet um was ihr wollet, und es wird euch geschehen." Vom zweiten: "Bleibet in meiner Liebe." Hinsichtlich des dritten sagt Johannes (i. Br. 3.): "Gott ist die Liebe."



 Diese drei Stücke sind zur Erlangung des ewigen Glückseligkeit nothwendig. Der Apostel sagt hinsichtlich des ersten (Hebr. 11.): "Denn wer zu Gott kommen will, muß glauben, daß er ist und daß er die ihn Suchenden belohnt." Hinsichtlich des zweiten sagt er (Röm. 8.): "Durch Hoffnung sind wir gerettet;" hinsichtlich des dritten (1. Cor. 13.): "Wenn ich mit den Menschen und Engelzungen redete, aber die Liebe nicht hätte, so wäre ich wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle."

 Auch in der geschaffenen Weisheit müssen wir auf dreifache Weise verbleiben, zuerft indem wir vom Bösen abstehen, zweitens indem wir das Gute thun, drittens indem wir dabei ausharren. Dieß ist die dreifache Weisheit der Heiligen. Job sagt (24.): "Sieh, die Frömmigkeit ist selbst die Weisheit, und vom Bösen abzustehen die Erkenntniß;"  und Sirach (17.): "Der heilige Mann bleibt in derWeisheit."

 Der Lohn der Weisheit aber ist die Seligkeit. Diese ist aber der durch den Besitz aller Güter vollendete Zustand, wie Boetius sagt. Die Seligkeit aber ist eine zweifache, die auf dem Wege und die im Vaterlande. Beide werden durch die Weisheit erworben. Denn die auf dem Wege hat eine gewisse Aehnlichkeit mit der, welche im Vaterlande ist, wo es sieben Gaben gibt. Denn sie haben die Klarheit durch die Heiterkeit des Gesichtes; etwas Aehnliches findet auch bei der Weisheit auf dem Wege statt. "Die Weisheit des Menschen leuchtet auf seinem Antlitze" (Sirach 8.) Dieß ist die erste Gabe, die zweite ist die Leidensunfähigkeit, die er durch die Geduld oder Sanftmuth hat. Der Philosoph (Aristoteles) sagt: "Sanft ist wer nicht leidet und sich nicht abbringen läßt." Und Jemand gibt zu der Seligkeit wegen der Sanftmuth bei Matthäus die Erklärung: Sanft ist wer keine Bitterkeit der Seele fühlt. In den Sprüchen (14.) heißt es: "Wer gedunldig ist beherrscht Vieles durch Weisheit." Die dritte Gabe ist die Feinheit, welche der Weise durch das Durchdringen des Geheimen erwirbt, denn dem Weisen ist gleichsam allews möglich Sirach (39.) sagt: "Tiefe Sprüche
erforscht der Weise," und wiederum (Sprüchw. 14.): "Wie in den Gewässern das Gesicht der Hineinschauenden widerscheint, so sind die Herzen der Menschen den Klugen offenkundig." Die vierte ist die Beweglichkeit, welche der Weise durch das schnelle Erfassen aller Dinge gewinnt. Es heißt (Weish. 8.) darum: "Sie reicht von einem Ende bis zum andern. und ordnet Alles kräftig an."

 Die Klarheit erwirbt man durch die Klugheit; dieLeidensunfähigkeit durch die Starkmuth, die Feinheit durch die Nüchternheit, die Beweglichkeit durch die Gerechtigkeit, und diese drei Gaben haben die. welche in der Weisheit verweilen. "Denn sie lehrt Nüchternheit, Klugheit, Gerechtigkeit und Kraft, das Nützlichste für den Menschen" (Weish. 8.) Die fünfte ist die Erkenntniß, denn sie lehrt jede Weisheit. Es heißt (Weish. 8.): "Und wenn Jemand die Menge der Wissenschaft begehrt, so weiß fie das Vergangene und berechnet das Kommende, weiß die Verdrehung der Worte und die Lösungen der Aufgaben. Die sechste Gabe ist die Liebe, welche in der That in der Weisheit ist. "Ich liebe- heißt es von ihr (Sprüchw. 8.) - die mich lieben," und (Weish. 8.): "Ohne Neid theile ich mich mit." Die siebente Gabe ist der Genuß von jedem Gute, wie es heißt (Weish. 7.): "Es kamen mir alle Güter zugleich mit ihr."

 Diese sieben Gaben, oder die Seligkeit, erlangt der, welcher in der Weisheit, d.h. in Christus und in der Gnade Christi, bleibt; aber im Vaterlande hat er die wahre Seligkeit, welche, wie Boetius sagt, der vollendete Zustand bei dem Besitze aller Gitter ist. Denn dort ist alles Gute und nichts Böses. "Wo du - heißt es (Deuter. 8.) - ohne Mangel dein Brod essen und die Fülle an allen Dingen haben wirst."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen