Mittwoch, 11. September 2013

Catechismus Romanus - Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.

 Römischer Katechismus (Catechismus). Nach dem Beschlusse des Conciliums von Trient und auf Befehl des Pabstes Pius V. herausgegeben. Passau, Druck und Verlag von Friedrich Winkler 1839


Vierter Teil - Zwölftes Hauptstück - Von der dritten Bitte - Dein Wille geschehe


 

I. Warum man nach der Bitte um das Reich Gottes sogleich beifüge, dass sein Wille geschehe. 

 

Da aber Christus der Herr gesagt hat: Nicht ein jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters thut, der im Himmel ist, der wird in das Himmelreich eingehen; [Matth. 7,21] so muss jeder, der in das Himmelreich kommen will, Gott bitten, dass sein Wille geschehe. Desswegen ist diese Bitte hieher gesetzt, gleich nach der Bitte um das himmlische Reich.

 

II. Auf welche Weise man zur wahren Erkenntniss dieser Bitte gelangen könne. 

 

Damit: aber die Gläubigen einsehen, wie nothwendig uns das sey, was wir in dieser Bitte verlangen, und welche Menge heilsamer Geschenke wir durch deren Gewährung erhalten, so sollen die Seelsorger zeigen, von welchem Elende und Jammer das Menschengeschlecht unterdrückt war, wegen der Sünde der Stammeltern.

 

III. Welche Uebel die Sünde der ersten Eltern dem menschlichen Geschlechte zugezogen habe. 

 

1) Wie die Geschöpfe nach ihrem Ziele streben. 2) Der Mensch eilte vom Anfange geraden Weges Gott zu; Aber durch die Erbsünde ging die Gerechtigkeit verloren, und seine Neigung wurde verdorben.

I. Vom Anfange hat Gott den erschaffenen Wesen das Verlangen nach eigenem Wohle anerschaffen, so dass sie vermöge einer gewissen natürlichen Neigung ihren Endzweck suchten, und ihm nachstrebten, von dem sie niemals, ausser es tritt ihnen von aussen her ein Hinderniss entgegen, abweichen.
II. Diese Kraft aber, nach Gott, dem Urheber und Vater ihrer Glückseligkeit zu verlangen, war beim Menschen ursprünglich um so herrlicher und vortrefflicher, weil er mit Vernunft und Klugheit versehen war. Allein diese von Natur ihm angeborne Liebe, welche die übrigen unvernünftigen Wesen bewahret hatten, da sie in der nämlichen Lage und in demselben Zustande, wie sie am Anfange als gute Wesen erschaffen wurden, verblieben, und heute noch verbleiben, hat das unglückselige Menschengeschlecht nicht bewahret; denn es verlor nicht nur die Güter der ursprünglichen Gerechtigkeit, womit es von Gott über die Gaben seiner Natur vermehret und geschmückt war, sondern es verdunkelte auch noch den der Seele angebornen besondern Eifer nach der Tugend. Der Prophet sagt: Alle sind abgewichen, allesamt unnütz geworden, keiner ist, der Gutes thut, keiner, auch nicht einer.
Denn der Sinn und die Gedanken da menschlichen Herzens sind zum Bösen geneigt von Jugend auf; [Ps. 52,4] so dass man hieraus leicht erkennen kann, Niemand aus sich selbst sey klug für sein Heil, sondern Alle seyen zum Bösen geneigt, und die bösen Begierden der Menschen seyen unzählbar, da sie vorschnell sind, und von heftiger Neigung hingerissen werden zum Zorne und Hasse, zur Hoffart, zum Ehrgeize, ja fast zu jeder Galtung von Sünden.

 

VI. Obwohl der Mensch mit vielem Elende überhäufet ist, so kennt er doch seinen Zustand nicht. 

 

Obschon wir bestandig in diesen Uebeln uns befinden, so gibt es doch, worin das grösste Elend unsers Geschlechtes besteht, sehr viele, die uns keineswegs Uebel zu seyn scheinen. Dieser Umstand beweiset das übergrosse Unglück der Menschen, da sie, von Begierden und Leidenschaften geblendet, nicht sehen, dass das, was sie für heilsam erachten, meistentheil unheilvoll sey; ja sie stürmen sogar auf jene Verderblichen Uebel los, gleich als wären sie ein wünschenswerthes und begehrungswürdiges Gut; vor dem aber, was wahrhaft gut und ehrbar ist, schrecken sie zurück, gleich als wäre es das Gegentheil. Diese Meinung und dieses verderbte Urtheil verflucht Gott mit jenen Worten: Wehe euch, die ihr das Gute bös, und das Böse gut nennet, die Finsterniss zu Licht, und des Licht zu Finsterniss machet, das Bittere in Süss und das Süss in Bitter verwandelt. [Isai. 5,20]

 

V. Wie uns die heiligen Schriften dieses unser Elend vor Augen legen. 

 

Um uns daher unser Elend vorzustellen, vergleichen Uns die heiligen Schriften mit jenen, welche den gesunden Geschmackssinn verloren haben; wesshalb geschieht, dass sie heilsame Nahrung verschmähen, und nach dem Gegentheile verlangen. Ferner vergleichen sie uns mit Kranken; wie jene, wenn sie nicht die Krankheit vertrieben haben, die Pflichten und Verrichtungen gesunder und unverdorbener Menschen nicht übernehmen können; so sind auch wir nicht im Stande, Gott wohlgefällige Handlungen ohne den Beistand der göttlichen Gnade zu verrichten.

 

VI. Wie gross im verdorbenen Zustande der Natur die menschliche Schwäche sey, um etwas Gutes zu thun. 

 

Wenn wir auch so beschaffen zu Etwas gelangen, so ist es gering, und hat zur Erlangung der himmlischen Seligkeit wenig oder gar kein Gewicht. Allein Gott, wie es recht ist, lieben, und anbeten, was zu gross und erhaben ist, als dass es wir darniedergedrückte aus menschlicher Kraft erlangen sollten, das können wir nicht, wrnn uns nicht der Beistand der göttlichen Gnade erhebet.

 

VII. Wir sind in göttlichen Dingen durchaus den Knaben gleich. 

 

Zur Bezeichnung des unglücklichen Zustandes des Menschengeschlechtes ist auch jenes Gleichniss sehr passend, welches sagt, wir seyen Knaben gleich, die ihrer eigenen Willkühr überlassen, blindlings sich zu allem verleiten lassen; ich sage, Knaben sind wir, und unverständig, kindischen Reden und Handlungen ergeben, wenn uns der göttliche Beistand verlässt. Die Weisheit schilt uns so: Wie lange ihr Einfältige, liebet ihr die Einfalt: wie lang wollen die Thoren das verlangen, was ihnen schadet? [Prov. 1,22] Und der Apostel ermahnet uns, wie folgt: Werdet nicht Kinder am Verstande. [I. Cor. 14,20] Wir schweben sogar in einer grössern Thorheit und Irrthum, als jenes kindliche Alter, dem es so sehr an menschlicher Klugheit gebricht, die es aber doch durch sich mit der Zeit erreichen kann; da wir die göttliche Klugheit, die zur Seligkeit nothwendig ist, nur unter der Leitung und durch den Beistand Gottes erlangen können. Wenn uns aber Gottes Hilfe nicht unterstützet, so verwerfen wir, was wahrhaft gut ist, und stürzen uns selbst in freiwilliges Verderben.

 

VIII. Welches Heilmittel gegen so grosse Uebel in dieser Bitte vorgeschlagen werde.

Wenn nun Jemand, nachdem Gott die Finsterniss der Seele zerstreut hat, dieses Elend der Menschen sieht, und von seiner Erstarrung befreit, das Gesetz der Glieder fühlet, und empfindet, wie die Begierlichkeiten der Sinne dem Geiste widerstreben, und die ganze Geneigtheit unserer Natur zum Bösen erkennet; wer soll da nicht mit brennendem Eifer ein für dieses Uebel, womit uns die verderbte Natur darniederdrückt, heilsames Mittel suchen, und nach jener heilbringenden Lehre verlangen, nach welcher das Leben des Christen eingerichtet und geordnet werden muss? Das ist´s also, um was wir flehen, wenn wir Gott bitten: Dein Wille geschehe. Denn da wir durch Verweigerung des Gehorsames und durch Nichtachtung des Willens Gottes in dieses Elend gerathen sind: so ist uns nur jenes einzige Heilmittel gegen so grosse Uebel von Gott dargeboten, dass wir einmal nach Gottes Willen, welchen wir durch die Sünde verachtet haben, leben, und alle unsere Gedanken nach dieser Vorschrift bemessen. Und damit wir dieses erlangen können, beten wir inbrünstig zu Gott: Dein Wille geschehe.

 

IX. Auch die Gerechtfertigten, die Gott schon gehorchen, müssen also beten. 

 

Die Gerechtfertigten schweben während dieses Lebens wegen der Geneigtheit zum Bösen immer in Gefahr.
Um diess müssen auch jene eifrig bitten, in deren Gemüthern Gott schon herrschet, und die schon durch die Strahlen des göttlichen Lichtes erleuchtet sind, durch welches Gnadengeschenk sie dem Willen Gottes gehorchen. Wenn sie auch so ausgerüstet sind, so widerstreiten doch ihre eigenen Begierden wegen der Geneigtheit zum Bösen, die den menschlichen Sinnen angeboren ist; so dass wir, wenn wir auch wirklich Gott ergeben sind, hier dennoch immer wegen unser selbst in grosser Gefahr schweben, wir möchten gelockt und gereizt von unsern Begierden, die da kämpfen in unsern Gliedern, [Jak. 4,1] wiederum den Weg des Heiles verlassen. Wegen dieser Gefahr ermahnte uns Christus mit folgenden Worten: Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach. [Matth. 26,41]

 

X. In den Gerechtfertigten lebt noch die Begierlichkeit, welche Niemand gänzlich ausrotten kann. 

 

Das Gemüth der Gerechtfertigten heilet die Gnade Gottes, nicht aber ihr Fleisch. Der Zunder der Sünde oder die Begierlichkeit bleibt immer in unsern Gliedern.

Es liegt nicht in der Gewalt des Menschen, nicht einmal dessen, der durch die Gnade Gottes gerechtferliget ist, die Begierden des Fleisches so im Zaume zu halten, dass sie nachhin in ihm nimmermehr rege werden; denn die Gnade Gottes heilet zwar die Seele derjenigen, die gerechtfertiget sind; aber nicht ihr Fleisch. Hierüber schrieb der Apostel: Ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnet. [Röm. 7,18] Sobald der erste Mensch seine ursprüngliche Gerechtigkeit, wodurch er gleich einem Zaume die Begierden lenkte, verloren hat; so konnte sie nachher die Vernunft keineswegs so beherrschen, dass sie nicht das begehrten, was selbst der Vernunft widerspricht. Daher schreibt der Apostel, in diesem Theile des Menschen wohne die Sünde, das ist, der Zunder der Sünde, damit wir einsehen, er kehre nicht auf einige Zeit bei uns ein wie ein Gast, sondern so lange wir leben, bleibe er als ein Bewohner unsers Körpers immerfort in unsern Gliedern hangen. Also sind wir beständig von häuslichen und innerlichen Feinden bekämpft, und erkennen leicht, dass wir unsere Zuflucht zur Hilfe Gottes nehmen müssen, und bitten, es möge in uns sein Wille geschehen. Nun aber soll den Gläubigen kund gegeben werden, was der Inhalt dieser Bitte sey.

 

XI. Was man in dieser Bitte unter Willen Gottes verstehe.

 

Hier übergeben wir vieles, was die scholastischen Lehrer vom Willen Gottes mit Nutzen und weitschichtig abgehandelt haben, und sagen, man müsse hier jenen Willen verstehen, den sie den Willen des Zeichens zu nennen pflegten, d. h. man müsse hier unter Willen verstehen das, was uns Gott zu thun und zu meiden befohlen und ermahnet hat. Desshalb ist hier unter dem Worte Willen alles begriffen, was uns zur Erwerbung der himmlischen Seligkeit geboten ist, es mag nun den Glauben, oder die Sitten betreffen; endlich alles, was uns immer Christus der Herr selbst oder seine Kirche zu thun befohlen oder verboten hat. Von diesem Willen sagt der Apostel: Werdet nicht unverständig, sondern verstehet, was der Wille Gottes ist. [Ephes. 5,27]

 

XII. Welchen Sinn die dritte Bitte enthalte. 

 

Wenn wir also bitten, dein Wille geschehe: so verlangen wir vor Allem, dass uns der himmlische Vater die Kraft verleihe, den göttlichen Befehlen zu gehorchen, und ihm in Heiligkeit und Gerechtigkeit immerdar zu dienen; dass wir alles nach seinem Winke und Willen thun; dass wir jene Pflichten üben, welche uns die heilige Schrift vorschreibt; dass wir unter seiner Leitung und unter seinem Beistande alles Uebrige leisten, was die thun müssen, die nicht aus dem Willen des Fleisches, sondern aus Gott geboren sind nachfolgend dem Beispiele Christi, der gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tod am Kreuze, [Philipp. 2,8] auf dem bereit seyen, alles lieber zu erdulden, als auch nur im mindesten von seinem Willen abzuweichen.

 

XIII. Welchem es vorzüglich verliehen ist, von Eifer und Liebe zu dem, um was hier gebeten wird, heftig zu entbrennen. 

 

1) Wie erhaben die Würde derer sey, die Gott gehorsamen. 2) Mit welcher Inbrunst alle Heiligen um das Geschenk des Gehorsames gebeten haben.

I. Niemand ist heftiger entzündet vom Eifer und Liebe, dass ihm diese Bitte gewähret werde, als der, dem verliehen ist, die erhabene Würde derjenigen zu schauen, welche Gott gehorchen. Denn dieser sieht ein, dass man mit aller Wahrheit sage, Gott dienen und ihm gehorchen heisse herrschen. Der Herr spricht:Wer den Willen meines Vaters thut, der im Himmel ist, derselbe ist mir Bruder, Schwester und Mutter; [Matth. 12,50] das heisst, mit diesem bin ich durch alle Bande der Liebe und Güte innigst vereint.
II. Es gibt aber beinahe keinen Heiligen, der Gott nicht um das vortreffliche Geschenk dieser Bitte innigst gebeten hat; und alle bedienten sich dazu zwar herrlicher, aber sehr oft verschiedener Gebete; unter ihnen sehen wir den David, der auf mancherlei Weise wunderschön und lieblich darum geflehet hat. Bald sagt er: 0 wären meine Wege dahin gerichtet, deine Rechte zu bewahren. [Ps. 118,5] Bald: Führe mich auf den Pfad deiner Gebote. Ferner: Leite meine Schritte nachdeinem Worte, und lass kein Unrecht über mich herrschen. Dann gehört hieher: Gib mir Verstand, dass ich deine Gebote lerne.... Lehre mich deine Gerichte.... Gib mir Verstand, dass ich deine Zeugnisse erkenne. Oft behandelt und bespricht er den nämlichen Inhalt mit andern Worten. Diese Stellen müssen genau beachtet, und den Gläubigen erkläret werden, damit alle einsehen, welche Menge und welcher Ueberfuss heiliger Dinge im ersten Theile dieser Bitte enthalten sey.

 

XIV. Was wir durch diese Bitte überdiess andeuten. 

 

1) Hier bittet man auch, dass wir die Werke des Fleisches von Herzen verabscheuen möchten. 2} Wenn solche, die In wollüstige und Irdische Begierde verstrickt sind, diese Begierden nicht ablegen, so beten sie nicht in Wahrheit, dass Gottes Wille geschehe.

I. Wir verabscheuen zweitens, wenn wir beten, dein Wille geschehe, die Werke des Fleisches, von welchen der Apostel schrieb: Offenkundig sind die Werke des Fleisches, als da sind: Hurerei, Unreinigkeit, Unzucht, Geilheit, [Galat. 5,19] und: Wenn ihr nach dem Fleische lebet, werdet ihr sterben. [Röm. 8,13] Wir bitten, Gott möge uns das nicht vollbringen lassen, wozu die Sinne, die Begierde, und unsere Schwachheit uns bereden, sondern dass wir unsern Willen nach seinem Willen richten.
II. Diesem Willen fremd sind wollüstige Menschen, welche auf irdische Dinge ihre Sorge und ihre Gedanken heften. Denn das Gelüsten reisst sie hin, sich dessen zu bemächtigen, nach was sie gieren, und sie setzen ihre Glückseligkeit in den Genuss ihrer schändlichen Begierde, so dass sie sogar den glückselig preisen, welcher erlangt, was immer er wünschet. Wir dagegen bitten Gott, wie der Apostel sagt, Lasst uns nicht der Sinnlichkeit pflegen zur Erregung der Lüste, [Röm. 13,14] sondern sein Wille geschehe.

 

XV. Es ist besser, zu wünschen, es möge das geschehen, was Gott will, als das, was wir verlangen. 

 

Es kömmt uns freilich schwer an, Gott zu bitten, dass er unsere Begierden nicht befriedige; denn eine solche Gemüthsstimmung ist schwierig, weil wir selbst gewissermassen das, um was wir bitten, zu hassen scheinen; und solche, die ganz dem Bauche ergeben sind, halten es auch für eine Thorheit. Doch gerne sollen wir uns dem Rufe der Thorheit unterziehen um Christi willen, der da spricht: Wenn mir Jemand nachfolgen will, so verläugne er sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir nach; [Matth. 16,24] besonders da wir wissen, es sey viel besser, das zu wünschen, was recht und gerecht ist, als das zu erlangen, was der Vernunft, der Tugend und den Gesetzen Gottes widerspricht. Und sicherlich ist der schlechter daran, welcher erhält, was er unbedachtsam und auf den Antrieb seines Gelüstens verlangte, als jener, dem nicht zu Theil wird, was er frommen Sinnes mit Recht gewünscht hat.

 

XVI. Auch das, was den Begriff von Frömmigkeit nicht hat, soll man von Gott nicht erbitten. 

 

Wir bitten nicht blos darum, dass uns Gott nicht gewähren möge, was wir selbst nach unserm eigenen Willen verlangen; da bekannt ist, dass unsere Neigung verderbt ist; sondern wir bitten sogar, dass er uns auch das nicht gebe, was wir auf Anrathen und Antrieb des Teufels, der sich als Engel des Lichtes verstellt, als gut bisweilen begehren. Gewiss ganz gerecht und liebevoll war jener Eifer des Apostelfürsten, da er den Herrn von dem Entschlüsse, dem Tode entgegenzugehen, abzuhalten versuchte; und doch tadelte ihn der Herr heftig, da er von menschlichen Begriffen und nicht durch göttliche Vernunft geleitet wurde. Was schien für den Herrn liebevolleres verlangt werden zu können, als das, was die heiligen Männer Jakobus und Johannes, erzürnt über die Samaritaner, die den Lehrer nicht gastfreundlich aufnehmen wollten, von ihm begehret haben, er möchte Feuer vom Himmel herabfallen lassen, das jene hartherzigen und grausamen Menschen vertilgen sollte? Und doch sind sie von Christus dem Herrn mit folgenden Worten getadelt worden: Ihr wisset nicht, wessen Geistes ihr seyd! Der Menschensohn ist nicht gekommen, Seelen zu verderben, sondern selig zu machen. [Luc. 9,55.57]

 

XVII. Wenn das, was wir verlangen, die Erhaltung der Natur betrifft, so muss man um die Gewährung desselben vorzüglich unter der Bedingung bitten, wenn es der Wille Gottes ist. 

 

Wir müssen aber nicht nur Gott bitten, dass uns nicht gegeben werde, wenn das, was wir verlangen, böse ist; sondern auch dann, wenn es wirklich nicht böse ist, wie z. B. wenn der Wille der ersten Neigung der Natur nachgibt, so dass er das verlangt, was die Natur erhält, und verwirft, was ihr entgegen zu seyn scheint. Wenn man daher dahin kömmt, dass wir um etwas solches bitten wollen, dann sollen wir von Herzen sprechen, dein Wille geschehe; wir sollen jenen selbst nachahmen, von dem wir das Heil und die Lehre des Heiles erhalten haben; der, als er von der angebornen Furcht vor dem Leiden und dem bittersten Tode bewegt wurde, doch in jenem Entsetzen vor dem höchsten Schmerze seinen Willen dem Willen Gottes des Vaters unterwarf, und sprach: Nicht mein Wille geschehe, sondern der deinige. [Luc. 22,42]

 

XVIII. Da wir ohne Beistand Gottes die Sünde nicht meiden können, so flehen wir darum auch in dieser Bitte. 

 

Aber das menschliche Geschlecht ist erstaunlich verdorben; da wir, wenn wir auch unserer Begierlichkeit Gewalt anthun, und sie dem göttlichen Willen unterwerfen, doch ohne Gottes Beistand, der uns vor dem Bösen beschützt, und auf das Gute hinleitet, die Sünden nicht meiden können. Daher muss man zu dieser Bitte seine Zuflucht nehmen, und Gott bitten, dass er selbst in uns das Angefangene vollende; dass er die zügellosen Begungen der Begierde unterdrücke, und das Gelüsten unter den Gehorsam der Vernunft bringe; endlich dass er uns ganz nach seinem Willen gestalte. Wir flehen auch, dass die ganze Welt Kenntniss des Willen Gottes erlange, damit das göttliche Geheimniss, seit Jahrhunderten und Geschlechtern verborgen, bei allen bekannt und verbreitet sey.

 

Wie im Himmel, also auch auf Erden.

 

XIX. Was dieser Anhang bedeute. 

 

Freiwillig und aus Liebe muss man Gott gehorchen.

Wir bitten auch um die Form und Vorschrift der Weise dieses Gehorsams; nämlich er soll sich nach der Vorschrift richten, welche die seligen Engel im Himmel beobachten, und die übrige Schaar der himmlischen Geister übet; so dass, gleichwie jene freiwillig und mit der grössten Lust dem höchsten Herrn gehorchen, ebenso auch wir dem Willen Gottes, so wie er es selbst will, freudig nachkommen.

 

XX. Man muss Gott nicht um einer Belohnung willen, sondern aus Liebe zu ihm gehorchen. 

 

Bei dem Dienste und dem Eifer, den wir Gott bezeigen, verlanget er von uns die höchste Liebe und eine besondere Hochachtung, so zwar, dass wir, wenn wir uns ihm auch in der Hoffnung der himmlischen Belohnungen ganz weihen, doch diese desswegen hoffen, weil es seiner göttlichen Majestät gefallen hat, dass wir diese Hoffnung haben sollen. Daher soll sich unsere ganze Hoffnung auf jene Liebe Gottes stützen, welche als Lohn unserer Liebe die ewige Glückseligkeit festgesetzt hat. Denn es gibt Menschen, die Jemandem liebevoll dienen, aber nur des Lohnes wegen, worauf sie die Liebe beziehen. Ferner gibt es einige, welche von reiner Hochachtung und Liebe bewogen, bei dem, welchem sie dienen, auf nichts weiter sehen, als auf seine Güte und Tugend; bei deren Betrachtung und Bewunderung sie sich für selig halten, dass sie ihm ihren Dienst weihen dürfen.

 

XXI. Andere Deutungen dieses Anhanges. 

 

Der Anhang, Wie im Himmel, also auch auf Erden, hat auch folgende Bedeutung. Wir müssen uns nämlich eifrig bestreben, Gott gehorsam zu seyn, wie wir sagten, dass es die seligen Geister seyen, deren Lob, wegen ihrer höchsten Gehorsamleistung, David besingt: Lobet den Herrn, alle seine Heerschaaren; ihr seine Diener, die ihr seinen Willen thut. [Ps. 102,21] Will man sich nach der Meinung des h. Cyprian richten, so legt er jenen Anhang so aus, er sagt: Im Himmel, in den Guten und Frommen, auf Erden, in den Bösen und Gottlosen: auch wir stimmen seiner Meinung bei, dass man unter Himmel den Geist, unter Erde das Fleisch verstehe; damit Alle und Alles in Allem dem Willen Gottes gehorchen.

 

XXII. Wie diese Bitte auch eine Danksagung enthalte. 

 

Diese Bitte enthält ebenfalls eine Danksagung. Denn wir ehren seinen heiligsten Willen, und von grösster Freude durchströmt, preisen wir mit den höchsten Lobsprüchen und Freudenbezeugungen alle seine Werke, indem wir gewiss wissen, er habe Alles wohl gemacht. Da es ausgemacht ist, dass Gott allmächtig ist, so folgt nothwendig, dass wir erkennen, Alles sey auf seinen Wink entstanden. Wenn wir aber auch behaupten, er sey das höchste Gut, wie er es ist; so bekennen wir, alle seine Werke seyen gut, da er allen seine Güte mitgetheilet hat. Wenn wir auch nicht in allen Dingen den göttlichen Rathschluss erforschen können, so bekennen wir doch in Allem, mit Hintansetzung aller Ungewissheit und Ablegung jedes Zweifels, jenen Ausspruch des Apostels: dass seine Wege unerforschlich seyen. [Röm. 11,33] Aber wir verehren auch desswegen den Willen Gottes im höchsten Grade, weil wir von ihm des himmlischen Lichtes sind gewürdiget worden. Denn er hat uns errettet aus der Gewalt der Finsterniss, und in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzet. [Coloss. 1,13]

 

XXIII. Was man aus dieser Bitte für Betrachtungen ziehen soll. 

 

Um endlich das zu erklären, was die Betrachtung dieser Bitte betrifft, muss man zurückgehen auf das, was wir anfangs berührt haben, das gläubige Volk müsse beim Vorbringen dieser Bitte voll Herablassung und Demuth seyn, und bei sich überdenken jene Stärke, der Begierden, die der Natur angeboren ist, und dem göttlichen Willen widerstreitet; es müsse bedenken, dass es in Erfüllung dieser Pilicht von allen erschaffenen Wesen übertroffen werde, von denen so schrieben steht: Alles dienet dir, [Ps. 118,91] und dass es sehr schwach sey, da es kein gottgefälliges Werk nicht nur nicht vollbringen, sondern sogar nicht einmal anfangen kann, wenn es nicht durch Gottes Beistand unterstützt werde. Da aber nichts herrlicher ist, als, wie gesagt, Gott dienen, und nach seinem Gesetze und seinen Vorschriften zu leben; was kann einem Christen erwünschter seyn, als auf den Wegen des Herrn zu wandeln, als nichts su denken, nichts zu thun, was dem göttlichen Willen zuwider wäre? Damit aber das gläubige Volk diese Uebung erfasse, und auf diesem Vorhaben sorgfältiger verharre, so erhole der Seelsorger aus den göttlichen Büchern die Beispiele derjenigen, bei welchen alles einen schlechten Ausgang nahm, weil sie den Plan ihrer Unternehmungen nicht auf den Willen Gottes bezogen.

 

XXIV. Welch grossen Vortheil, um ruhig zu leben, wir aus der Betrachtung dieser Bitte schöpfen können. 

 

Zuletzt endlich soll man die Gläubigen ermahnen, dass sie sich im Willen Gottes ganz und vollkommen beruhigen; es trage der mit Gleichmuth seinen Stand, der niedriger gestellt zu seyn scheint, als es seine Würde erfordert, er verlasse nicht seinen angewiesenen Stand, sondern er harre aus in seinem Berufe, zu dem er berufen ist, und unterwerfe das eigene Urtheil dem Willen Gottes, der besser für uns sorgt, als wir selbst wünschen können. Wenn wir durch häusliche Armuth, durch körperliche Krankheit, durch Verfolgungen, durch andere Beschwerden und Aengsten darniedergebeugt werden; so muss man fest glauben, es könne uns nichts von allem Dem ohne Gottes Willen, welcher die Grundursache von Allem ist, zustossen; und desswegen sollen wir nicht zu bekümmert seyn, sondern mit ungebeugtem Muthe ertragen, und immerdar sprechen: Des Herrn Wille geschehe, [Act. 21,14] und mit Hiob ausrufen: Der Name des Herrn sey gebenedeiet! Wie es dem Herrn gefallen hat, also ist's geschehen. [Job. 1,21]

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