Samstag, 24. August 2013

Vom siebenten Gebote - Catechismus Romanus

Römischer Katechismus (Catechismus). Nach dem Beschlusse des Conciliums von Trient und auf Befehl des Pabstes Pius V. herausgegeben. Passau, Druck und Verlag von Friedrich Winkler 1839

 

Dritter Theil - Achtes Hauptstück

Vom siebenten Gebote - Du sollst nicht stehlen.

.

 

I. Wie gross die Vortrefflichkeit dieses Gebotes sey, und in welchem Zusammenhange es mit den zwei vorhergehenden stehe. 

 

1) Nutzen dieser Lehre. 2) Wie sehr Gott besorgt sey, damit die Menschen ein ruhiges und von allen Unbilden freies Leben führen.

I. Dass es eine alte Sitte der Kirche war, die Bedeutung und den Inhalt dieses Gebotes den Zuhörern einzuschärfen, beweiset jene Zurechtweisung des Apostels an die, welche andere besonders von jenen Lastern abschrecken sollten, mit denen sie selbst überhäuft waren. Denn, sagte er, wie belehrest du einen andern, und dich selbst belehrest du nicht, predigest nicht zu stehlen, und stiehlst? [Röm. 2,21] Durch den Nutzen dieser Lehre verhüteten sie nicht allein eine gewöhnliche Sünde jener Zeiten, sondern sie stillten auch Aufruhr und Streitigkeiten, und andere Ursachen von Uebeln, welche der Diebstahl hervorzubringen pflegt. Da auch unser Zeitaller an denselben Sünden sowohl, als auch den Nachtheilen und Drangsalen dieser Sünden jammervoll leidet: so sollen nach dem Beispiele der heiligen Väter und Lehrer der christlichen Zucht, die Seelsorger diesen Gegenstand sehr eifrig behandeln, und beständig und sorgfältig den Inhalt und die Bedeutung dieses Gebotes erklären.
II. Vor Allem sollen sie ihr Ansehen und ihren Fleiss darauf verwenden, die unendliche Liebe Gottes gegen das Menschengeschlecht darzulegen, da er nicht nur durch jene zwei Verbote, Du Solist nicht tödten . . Nicht ehebrechen, unsern Leib und unser Leben, unsern Ruf und unsere Ehre, gleichsam mit Schutzwehren umgibt, sondern auch durch dieses Gebot, Du sollst nicht stehlen, die äussern Güter und das Vermögen gleichsam durch eine Wache beschützt und vertheidigt.

 

II. Was dieses Gebot für eine Bedeutung habe. 

 

Was soll nun dieses Gebot anders bedeuten, ausser das, was wir oben sagten, als wir von den andern Geboten sprachen? Nämlich Gott verbiete, dass diese unsere Güter, die unter seinem Schuze stehen, von irgend Jemanden entwendet oder verletzt werden. Je grösser diese Wohlthat des göttlichen Gesetzes ist, desto dankbarer müssen wir gegen Gott den Urheber
dieser Wohlthat für uns seyn. Und weil unsere grösste Dankbarkeit darin besteht, dass wir nicht nur seine Gebote gerne vernehmen, sondern sie auch durch die That billigen; so sollen die Gläubigen zur Beobachtung dieser gebotenen Pflicht aufgemuntert und angeeifert werden.
Dieses Gebot aber zerfällt, wie die vorigen, in zwei Theile, von denen der eine deutlich ausspricht, was der Diebstahl verbiete; die Bedeutung und der Inhalt des andern, wodurch uns befohlen wird, gegen die Nebenmenschen gütig und freigebig zu seyn, ist im ersten verborgen enthalten. Vom ersten nun soll zuerst gesprochen werden: Du sollst nicht stehlen

 

III. Was der Gesetzgeber durch das Wort Diebstahl ausdrücken wolle. 

 

Hiebei ist zu beachten , dass man unter dem Ausdrucke Diebstahl nicht nur das verstehe, wenn etwas heimlich wider den Willen des Herrn entwendet wird, sondern auch wenn man ein fremdes Gut gegen den Willen des Herrn, der es weiss, besitzt; ausser man müsste etwa der Meinung seyn, dass der, welcher den Diebstahl verbietet, den mit Gewalt und Unrecht vollbrachten Raub nicht missbillige; da doch der Apostel sagt: Räuber werden das Reich Gottes nicht besitzen; [1. Cor. 6,10] derselbe Apostel schreibt, dass man allen Umgang und alle Gemeinschaft mit solchen fliehen soll. [1. Cor. 5,11] Jedoch Räubereien sind ein grösseres Verbrechen, als der Diebstahl, da sie ausser der Sache, die sie Jemandem wegnehmen, auch noch Gewalttätigkeit zufügen, und mit grösserer Schande brandmarken.

 

IV. Warum hat hier Gott vielmehr des Diebstahles als des Raubes Erwähnung gethan, da er jede ungerechte Anmassung einer fremden Sache verbietet? 

 

Man darf sich nicht wundern, warum dieses Gebot des göttlichen Gesetzes mit dem mildern Namen Diebstahl, und nicht mit Raub, bezeichnet ist; diess geschah aus einem wichtigen Grunde, weil der Diebstahl eine weitere Bedeutung hat, und mehreres betrifft, als der Ausdruck Raub, den nur jene unternehmen können, die an Macht und Stärke andere übertreffen. Jedoch sieht jedermann, dass durch das Verbot der geringern Vergehungen dieser Art, auch schwerere Verbrechen verboten seyen.

 

V. Es werden die Arten des Diebstahls, im weitern Sinne genommen, aufgezählt. 

 

Der ungerechte Besitz und Gebrauch fremder Sachen wird mit verschiedenen Namen bezeichnet, je nach der Verschiedenheit dessen, was wider Willen und Wissen der Eigenthümer entwendet wird; denn wenn einem Privatmanne heimlich etwas genommen wird, heisst es Diebstahl; wird es aus einer Staatskasse gestohlen, so heisst es Unterschlagung, Kassadiebstahl; Menschenraub, Plagiat nennt man es, wenn ein freier Mensch, oder ein fremder Sklave, in die Sklaverei abgeführt wird; wenn aber eine heilige Sache entwendet wird, so heiss man diess Gottesraub, welches abscheuliche und lästerliche Verbrechen so zur Gewohnheit wurde, dass man Güter, welche nur allein zum heiligen Dienste und für die Diener der Kirche und zum Gebrauche der Armen fromm und weise bestimmt waren, zur Befriedigung eigener Begierden und schändlicher Lust verwendet.

 

VI. Dieses Gebot übertreten nicht blos jene, die wirklich fremdes Eigenthum besitzen. 

 

Ausser dem Diebstahle selbst, d. h. der äussern Handlung, ist auch die Neigung und der Wille zu stehlen durch das göttliche Gesetz verboten. Denn es ist ein geistiges Gesetz, das sich auf die Seele, die Quelle der Gedanken und Entschlüsse bezieht. Denn aus dem Herzen, spricht der Herr, kommen die bösen Gedanken, Todschläge, Ehebrüche, Hurereien, Diebstähle, falsche Zeugnisse, Gotteslästerungen. [Matth. 15,19]

 

VII. Wornach man vorzüglich die Grösse eines Diebstahls bemessen könne. 

 

Welch ein schweres Verbrechen der Diebstahl sey, zeigt deutlich der Begriff und die Art seiner Natur; denn er ist der Gerechtigkeit entgegengesetzt, welche Jedem das Seinige zutheilt. Die Verteilungen und Zuweisungen von Gütern, die schon vom Anfange her durch das Völkerrecht festgesetzt, und sogar von göttlichen und menschlichen Gesetzen bestätigt wurden, müssen geachtet werden, so dass, wenn wir nicht die menschliche Gesellschaft aufheben wollen, jeder das behält, was ihm von Rechtswegen zugefallen ist. Der Apostel sagt: Weder Diebe, noch Geizige, noch Säufer, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes besitzen. [1. Cor. 6,10] Die Ungerechtigkeit und Grausamkeit dieses Lasters beweisen auch die vielen Folgen des Diebstahles. Denn es werden über Viele manche freventliche und unüberlegte Urtheile gesprochen, es entstehen Hass, Feindschaften, bisweilen die härtesten Verurteilungen unschuldiger Menschen.

 

VIII. Wie das Gestohlene nothwendig zurückgegeben werden müsse. 

 

Notwendigkeit und Schwierigkeit der Zurückgabe.

Was sollen wir über die Notwendigkeit sagen, welche von Gott Allen aufgelegt ist, dem Ersatz zu, leisten, welchem etwas entwendet worden ist? Der heil. Augustin sagt: Es wird die Sünde nicht nachgelassen, wenn das Gestohlene nicht zurückgegeben wird. Wie schwer aber diese Zurückgabe sey, wenn sich Jemand angewöhnet hat, sich mit fremdem Gute zu bereichern, kann man ausserdem, dass Jeder aus dem Umgange mit andern und aus eigenem Urtheile es bemessen mag, aus dem Zeugnisse des Propheten Habakuk kennen lernen; denn er sagt: Wehe dem, der aufhäuft, was nicht sein ist! Auf wie lange! Er häuft dichten Koth für sich [2,6]
Er nennt den Besitz fremder Sache dichten Koth, woraus sich die Menschen schwerlich hinausarbeiten und befreien können. Es gibt aber so viele Arten von Diebstahl, dass ihre Aufzahlung sehr schwer ist. Daher mag es genug seyn, hier von den zwei Arten, dem Diebstahle und Raube, gesprochen zu haben, auf welche sich, als auf die Hauptarten, alle übrigen, von denen wir reden werden, beziehen. Um ihre Abscheulichkeit zu zeigen, und das glaubige Volk von dieser Lasterthat abzuschrecken, sollen die Seelsorger alle Mühe und Sorgfalt aufwenden. Doch wir wollen die Abtheilungen dieser Art durchgehen.

 

IX. Welches die Hauptarten von Diebstählen seyen, und wer unter die Diebe gerechnet werden müsse. 

 

Diebe sind also auch jene, die gestohlene Sachen kaufen, oder auf irgend eine Weise gefundene, unrechtlich in Besitz genommene, oder weggenommene Sachen zurückbehalten. Der h. August in sagt: [Lib. 50. hom. 9. et de verb. Apost. serm. 109.] Wenn du etwas gefunden hast, und nicht zurückgibst, so hast du einen Raub begangen. Kann man aber den Eigenthümer der Sachen auf keine Weise erforschen, so soll man jene Güter für die Armen verwenden. Wer nicht dazugebracht werden kann, das Gestohlene zurückzugeben, beweist dadurch deutlich, dass er allenthalben alles stehlen würde, wenn er könnte. Des nämlichen Verbrechens machen sich schuldig, welche beim Kaufe und Verkaufe von Sachen betrügen und lügen; der Herr wird ihre Betrügereien rächen. Grösser und schwerer versündigen sich bei dieser Art von Diebstählen jene, welche falsche und verdorbene Waaren für ächte und frische verkaufen, oder durch Gewicht, Maass, Zahl und Elle die Käufer betrügen. Im Deuteronnmium heisst es: Du sollst nicht zweierlei Gewicht in deinem Sacke haben, ein grösseres und ein kleineres; [Deut. 25,13] und im Leviticus: Ihr sollt kein Unrecht thun im Gericht, in der Elle, im Gewicht, im Maass. Richtige Wage, richtige Gewichte, richtiges Schäffel, und richtiges Maass. [Lev. 19,35.36.] Und anderswo: Ein Gräuel ist bei dem Herrn doppeltes Gewicht; eine falsche Wage ist nicht gut. [Prov. 26,23] Es stehlen auch offenbar die Handwerker und Künstler, die von denen den ganzen und ungeschmälerten Lohn fordern, denen sie nicht die bedungene und schuldige Arbeit geleistet haben. Auch unterscheiden sich nicht von den Dieben ungetreue Diener ihrer Herren und ungetreue Verwalter von Gütern; ja sie sind um so verabscheuungswürdiger, als andere Diebe, vor denen man zusperrt, weil vor einem diebischen Diener nichts im Hause verschlossen werden kann. Einen Diebstahl begehen ferner die, welche durch erdichtete oder geheuchelte Reden und Lügen Geld erpressen; und ihre Sünde ist um so schwerer, weil sie zum Diebstahle auch die Lüge häufen. Auch jene sind unter die Diebe zu rechnen, welche zu einem Privat- oder öffentlichen Dienste gedungen sind, und sich keine oder nur geringe Mühe geben, ihren Dienst vernachlässigen, und nur den Lohn und Nutzen geniessen. Die übrige Menge von Diebstählen, welche der geschäftige Geiz, der alle Wege, sich Geld zu verschaffen, weiss, ausgedacht hat; aufzuzählen wäre, wie wir schon sagten, zu lange und sehr schwierig.

 

X. Welches die Arten von Raub seyen, und welche Räuber genannt werden. 

 

Ehevor aber von dem Raube, welcher die zweite Hauptart dieser Sünden ist, geredet wird, soll der Seelsorger das christliche Volk ermahnet, jenes Ausspruches des Apostels eingedenk zu seyn: Die reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstriche des Teufels. [1. Tim. 6,9] Auch soll er ihnen nirgends dieses Gebot entfallen lassen: Alles, was ihr wollet, das euch die Leute thun, das sollt ihr ihnen thun. [Matth. 7,12] Ferner sollen sie beständig daran denken: Siehe, dass du niemals einem andern thust, was du nicht willst, dass dir von einem andern widerfahre. [Tob. 4,16] Der Raub hat also einen weitern Umfang; denn wer den Taglöhnern den schuldigen Lohn nicht ausbezahlt, ist ein Räuber; diese ermahnt, der h. Jakobus mit folgenden Worten zur Busse: Wohlan nun ihr Reichen, weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommen wird. [Jak. 5,1] Diesem fügt er die Ursache der Busse bei: Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder eingeerndtet haben, welcher von euch vorenthalten worden, schreiet; und ihr Geschrei ist zu den Ohren des Herrn der Heerschaaren ackommen. [Jak. 5,4] Diese Art von Raub wird im Levitikus [19,13] , Deuteronomium [24,14] , beim Malachias [3,15] und Tobias [4,15] heftig gerügt. In dieses Verbrechen des Raubes sind auch jene verwickelt, welche den Vorstehern von Kirchen und den Obrigkeiten die schuldigen Zölle, Steuern, Zehenten und das übrige dergleichen nicht bezahlen, oder unterschlagen, oder an sich ziehen.

 

XI. Wucher treiben heisst einen Raub begehen, und wie schwer dieses Laster sey. 

 

Hieher gehören auch die Wucherer, die ärgsten und widerlichsten unter den Räubern, welche das arme Volk durch Wucher ausplündern und zu Grunde richten. Wucher aber ist, was man über die Summe und das Kapital, das man gegeben hat, annimmt; sey es um Geld, oder was man um Geld kaufen und darnach schätzen kann. Denn beim Ezechiel steht geschrieben: der Wucher und Daraufgabe nicht nimmt, [18,17] und der Herr sagt bei Lukas: Leihet, ohne etwas dafür zu hoffen. [6,35] Dieses Laster hielt man immer für sehr gross, auch bei den Heiden sogar war es sehr verhasst. Daher sagt Ambrosius: Was heisst wuchern? Was einen Menschen morden. Denn die wuchern, verkaufen das nämliche zweimal, oder sie verkaufen, was nicht ist.

 

XII. Bestechliche Richter und Betrüger der Gläubiger begehen Raub. 

 

Ebenso begehen Raub feile Richter, welche ihre Richtersprüche verkaufen, und durch Geld und Geschenke bestochen, die gerechteste Sache der Schwächern oder Armen verkehren. Die Betrüger der Gläuhiger, und die die Schuld wegläugnen, und die eine Frist zum Zahlen bestimmen, und auf ihren oder fremden Credit Waaren einkaufen, aber nicht Wort halten, sind ebenfalls des Verbrechens des Raubes schuldig; ihr Vergehen ist sogar grösser, weil die Kaufleute, veranlasst durch ihre Wortbrüchigkeit und Betrügerei, aum grossen Nachtheile der Bürgerschaft, alles theurer verkaufen. Auf solche scheint jener Ausspruch Davids zu passen: Es wird borgen der Sünder, und nicht bezahlen. [Ps. 36,21]

 

 

XIII. Die Reichen, welche durch Auspfändung die Armen unterdrücken, werden unter die Räuber gezählt. 

 

 

Was sollen wir von jenen Reichen sagen, welche von denen, die nicht im Stande zu zahlen sind, was sie zu leihen genommen haben, mit Strenge eintreiben, und gegen das Verbot Gottes sogar pfandweise ihnen wegnehmen, was zur Erhaltung ihres Leibes nothwendig ist? Der Herr spricht: Wenn du von deinem Nächsten das Oberkleid zum Pfände genommen, sollst du es ihm vor Sonnenuntergang wieder zurückgeben. Denn es ist sein einzig Kleid, damit sein Leib bedeckt wird, und er hat kein anderes, darin er schlafe; wird er zu mir schreien, so will ich ihn erhören, denn ich bin barmherzig. [Exod. 22,26.27] Die Strenge solcher Menschen bei Eintreibung von Schuld-Forderungen nennen wir mit Recht Raubsucht, und daher Raub.

 

XIV. Welche bei einer Hungersnoth das Getreide zurückhalten, sind Räuber. 

 

In die Zahl derjenigen, die von den heiligen Vätern Räuber genannt werden, gehören die, welche bei einem Fruchtmangel das Getreide zurückhalten, und bewirken, dass durch ihre Schuld der Getreidepreis höher und drückender werde; diess gilt auch von allen zur Nahrung und zum Leben nothwendigen Sachen; solche trifft der Fluch Salomons: Wer Korn verbirgt, wird verflucht unterm Volk. [Prov. 11,26] Die Seelsorger sollen sie über ihre Verbrechen zur Rede stellen, freimüthig anklagen, und ihnen die auf ihre Sünden gesetzten Strafen weitlläufiger auseinander setzen. So viel nun von dem, was verboten ist; jetzt kommen wir zu dem, was geboten ist, worin die Genügthuuug oder Zurückerstattung den ersten Platz einnimmt. Denn die Sünde wird nicht nachgelassen, wenn das Gestohlene nicht zurückgegeben wird.

 

XV. Welche zur Zurückgabe verbunden seyen. 

 

Aber weil nicht nur der, welcher einen Diebstahl begangen hat, dem, welchem er gestohlen hat, das Gestohlene zurückerstatten muss, sondern überdiess alle, welche am Diebstahle Theil genommen haben, durch dieses Gesetz zur Rückerstattung verbunden sind, so muss dargelegt werden, wer jene seyen, welche der Notwendigkeit Ersatz zu leisten und zurückzuerstatten nicht entgehen können. Dergleichen Menschengattungen sind mehrere. Die erste ist jene, welche zu stehlen befehlen, und diese sind nicht nur selbst Theilnehmer und Urheber der Diebstähle, sondern sie sind die abscheulichsten aller Diebe. Die zweite Gattung ist der vorigen an Willen gleich, an Macht aber ungleich, jedoch zum nämlichen Grade von Dieben zu zählen, und dazu gehören jene, welche, da sie nicht befehlen können, zu Diebstählen rathen und antreiben. Der dritten Gattung sind jene, welche mit den Dieben übereinkommen. Zur vierten Gattung gehören die, welche an Diebstählen theilnehmen, und daraus Gewinn ziehen; wenn man das Gewinn nennen kann, was ihnen, wenn sie sich nicht bekehren, die ewige Pein zuzieht. Von solchen spricht David: Sähest du einen Dieb, so liefest du mit ihm. [Ps. 49,18] Die fünfte Gattung von Dieben sind die, welche, da sie Diebstähle verhindern könnten, weit entfernt sind, ihnen entgegenzutreten und zu widerstehen, dass sie vielmehr denselben volle Freiheit lassen und sie gestatten. Die sechste Gattung ist die derjenigen, welche, obgleich sie sowohl vom geschehenen Diebstahle, als auch wo er geschehen ist, gewiss wissen, die Sache doch nicht anzeigen, sondern sich stellen, als wüssten sie nichts davon. Die letzte Gattung umfasst alle Mithelfer zu Diebstählen, Hehler, Beschützer, und welche ihnen Aufenthalt und Wohnung verschaffen; alle diese müssen denen, welchen etwas entzogen worden ist, Ersatz leisten, und sind zu dieser unerlässlichen Pflicht dringend anzumahnen. Von diesem Laster sind nicht einmal jene gänzlich frei, welche den Diebstahl gutheissen und loben. Auch sind dieser Sünde nicht fremd Söhne, und Eheweiber, die ihren Vätern und Männern heimlich Geld nehmen.

 

XVI. Was von den Almosen, welche hier stillschweigend ebenfalls vorgeschrieben werden, zu denken sey. 

 

Von den Werken der Barmherzigkeit durch Almosen gegen die Armen. Nothwendigkeit des Almosengehen.
In diesem Gebote liegt auch der Auftrag, dass wir uns der Armen und Dürftigen erbarmen sollen, und ihrer Noth und Bedrängniss durch unser Vermögen und unsere Hilfeleistung abhelfen. Weil dieser Gegenstand sehr oft und weitläufig behandelt zu werden verdient, sollen die Seelsorger aus den Büchern der heiligen Männer, des Cyprian, Johannes, Chrysostomus, Gregor von Nazianz und anderer, welche über das Almosen wunderschön geschrieben haben, dasjenige entnehmen, wodurch sie dieser Amtspflicht Genüge leisten. Denn die Gläubigen müssen zum Eifer und zur Bereitwilligheit angefeuert werden, dass sie denen zu Hilfe kommen, welche von fremder Barmherzigkeit leben müssen. Sie sollen aber auch belehret werden, wie nothwendig das Almosengeben sey, nämlich dass Wir wirklich und in der That gegen die Dürftigen freigebig seyen, aus jenem sehr wahren Grunde, weil am Tage des jüngsten Gerichtes Gott diejenigen verfluchen, und in's ewige Feuer Verstössen wird, welche die Pflichten des Almosengebens unterlassen und vernachlässigt haben; aber jene beloben und in's himmlische Vaterland einführen wird, welche den Armen Wohlthaten erwiesen haben. Beide Aussprüche hat Christus der Herr selbst gethan: Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, besitzet das Reich, welches seit Grundlegung der Welt euch bereitet ist, [Matth. 25,34.41] und: Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer.

 

XVII. Wie das Volk zum Almosengeben angeeifert werden soll. 

 

Die Priester sollen überdiess jene zur Ueberredung geeigneten Stellen anwenden: Gebet, und es wird euch gegeben werden. [Luc. 6,38] Sie sollen vorbringen die Verheissung Gottes, das ausführlichste und herrlichste, das nur gedacht werden kann: Niemand ist, der verlässt ... der nicht Hundertfältiges dafür erhält, jetzt in dieser Zeit ... und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. [Marc. 16,29.30] Sie sollen beifügen, was Christus der Herr gesagt hat? Machet euch Freunde mittelst des ungerechten Reichthums, damit, wenn es mit euch zu Ende geht, sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen. [Luc. 16,9]
Sie sollen auch die Theile dieser nothwendigen Pflicht auslegen, dass die, welche den Dürftigen nichts reichen können, um ihnen Unterhalt zu verschaffen, doch nach der Vorschrift Christi des Herrn den Armen darleihen sollen: Leihet, ohne etwas dafür zu hoffen. [Luc. 6,35] Die Glückseligkeit dieser Sache drückte der heilige David so aus: Glückselig der Mann, der Mitleiden hat, und leihet. [Ps. 111,5]

 

XVIII. Um Almosen zu geben, und den Müssiggang zu meiden, muss man arbeiten. 

 

Es ist eine Pflicht der christlichen Frömmigkeit, wenn man sonst kein Vermögen hat, sich um jene wohl verdient zu machen, die zu ihrer Erhaltung fremder Barmherzigkeit benöthiget sind, auch den Müssiggang zu meiden, und durch Anstrengung, Arbeit und Handlohn das zu erwerben, wodurch man die Dürftigkeit der Armen erleichtern kann. Dazu ermahnet Alle durch sein Beispiel der Apostel im Briefe an die Thessaloniker mit den Worten: Denn ihr selbst wisset, wie ihr uns nachahmen sollet. [II. Tess. 3,7] Ferner an dieselben: Bestrebet euch, ein stilles Leben zu führen, euer eigen Geschäft zu treiben, mit euren eigenen Händen zu arbeiten, wie wir es euch befohlen haben. [I. Tess. 4,11] Und an die Epheser: Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr, und wirke mit seinen Händen Gutes, damit er habe, um dem, der Mangel leidet, mitzutheilen. [Eph. 4,28]

 

XIX. Man muss sparsam leben, um die Noth Anderer zu erleichtern. 

 

Man muss auch für Mässigkeit Sorge tragen, und fremde Güter schonen, damit wir Andern nicht beschwerlich und lästig sind; diese Mässigkeit leuchtet wahrlich bei allen Aposteln hervor, aber insbesondere zeichnet sich der heilige Paulus aus, der an die Thessaloniker schrieb: Ihr erinnert euch, Brüder, unserer Mühe und Beschwerde, wie wir Tag und Nacht arbeiteten, um Keinem von euch beschwerlich zu fallen, da wir euch das Evangelium Gottes predigten. [i. Tess. 2,9] Der nämlicehe Apostel schreibt an einer andern Stelle: Wir haben gearbeitet Tag und Nacht, um Niemanden unter euch lästig zu seyn. [II. Tess. 3,8]

 

XX.Durch welche Gründe das christliche Volk zur Verabscheuung der Diebstähle, und zum Eifer in der Wohlthätigkeit bewogen werden soll. 

 

1) Wie abscheulich Diebstahl und Raub sey. 2) Diebstähle und Räubereien sind die nicht geringsten Ursachen öffentlicher Drangsale.

I. Damit aber das gläubige Volk vor jeder Art dieser Lasterthaten einen Abscheu fasse, so sollen die Seelsorger aus den Propheten und den übrigen göttlichen Büchern die Verwünschungen von Diebstählen und Räubereien entnehmen, und die furchtbaren von Gott gegen jene ausgesprochenen Drohungen, die solche Laster begehen. Der Prophet Amos ruft: Höret das, die ihr die Armen zertretet, und aussauget die Dürftigen des Landes, sprechend: Wann ist der Neumond vorüber, dass wir unsere Waaren verkaufen, und der Sabbath, dass wir Getreid aufthun? Dass wir das Maas verkleinern, und den Seckel vergrössern, und falsches Gewicht unterschieben? [Amos. 8,4.5]
II. Vieles von demselben Inhalte findet sich beim Jeremias, in den Sprüchwörtern und beim Ecclesiastikus. Auch darf man nicht zweifeln, dass diese Samen Von Uebeln, wodurch unser Zeitalter gedrückt wird, grossentheils aus diesen Ursachen entstehen. Damit sich aber die Christen gewöhnen, Dürftigen und Bettlern Freigebigkeit und Güte zu erzeigen, was zum zweiten Theile dieses Gebotes gehört, so sollen die Seelsorger die grossen Belohnungen vorstellen, welche Gott den Wohlthätigen und Freigebigen sowohl in diesem, als auch im andern Leben geben zu wollen verspricht.

 

XXI. Was von jenen zu halten sey, die ihre Diebstähle und Kirchenraub mit leerem Vorwande entschuldigen. 

 

Diebstahl und Raub lässt sich bei Gott auf keine Weise entschuldigen.

Weil es nicht an solchen fehlt, welche sogar ihre Diebstähle entschuldigen; so sind sie zu erinnern, dass Gott keine Entschuldigung ihrer Sünde annehmen werde; es werde vielmehr durch solche Entschuldigungen die Sünde ausserordentlich vergrössert, statt dass sie verringert würde. Siehe, so sind die Schwelgereien vornehmer Leute nicht zu gedulden, welche glauben, ihre Schuld zu vermindern, wenn sie behaupten, sie lassen sich nicht aus Leidenschaft oder Geiz verleiten, einem andern das Seinige zu entziehen, sondern um das Ansehen ihrer Familie und Ahnen zu schützen, deren Hochachtung und Würde zu Grunde ginge, wenn sie nicht durch Erwerbung fremden Gutes gestützt würde. Diesen muss ihr verderblicher Irrthum genommen, und zugleich gezeigt werden, es gebe nur eine Weise, Ueberfluss und Schätze und den Ruhm der Ahnen zu erhalten und zu vermehren, wenn sie nämlich dem Willen Gottes gehorchen, und seine Gobote halten; wenn man diese verachtet, so gehen die noch so fest begründeten Reichthümer zu Grunde; Könige werden von ihrem königlichen Throne und von der höchsten Stufe der Ehre herabgestürzt, und an ihre Stelle werden zuweilen Menschen vom gemeinsten Stande, die sie bitter hassten, von Gott berufen. Es ist unglaublich, wie sehr auf diese Gott zürne; ein Zeuge hievon ist Isaias, bei welchem jene Worte Gottes stehen: Deine Fürsten sind ungläubig und Diebsgesellen; alle lieben die Gaben, und gehen der Belohnung nach; dem Waisen schaffen sie nicht Recht, und die Sache der Wittwen kömmt nicht vor sie. Darum spricht der Herr, der Gott der Heerschaaren, der Starke in Israel: Wehe, ich werde mich trösten an meinen Feinden, und Rache nehmen an meinen Widersachern. Ich werde meine Hand gegen dich wenden, und deine Schlacken rein ausschmelzen. [Isai. 1,23-26]

 

XXII. Wie man denen antworten müsse, welche behaupten, sie werden angetrieben, um der Bequemlichkeit willen fremdes Gut zu rauben. 

 

Es fehlt nicht an solchen, die nicht den Glanz und Ruhm als Ursache angeben, sondern eine bequemere und ausgesuchtere Weise, sich Nahrung und Lebensunterhalt zu verschaffen; diese sollen widerlegt und belehret werden, wie gottlos ihr Grund und ihre Rede sey, da sie ihre Bequemlichkeit dem Willen und der Ehre Gottes vorziehen, welchen wir durch Vernachlässigung seiner Gebote furchtbar beleidigen. Und welche Bequemlichkeit kann der Diebstahl geben, da er die grössten Nachtheile nach sich zieht? Der Ecclesiastikus sagt: Auf den Dieb wartet Reue und Schande. [Eccl. 5,17] Aber es sey, dass es ihnen so übel nicht, ginge; so schändet doch der Diebstahl den göttlichen Namen, er widerstreitet seinem heiligsten Willen, und verachtet dessen heilsame Gebote. Aus dieser Quelle entströmt aller Irrthum, alle Bosheit und Gottlosigkeit.

 

XXIII. Was man denen sagen müsse, welche ihre Diebstähle durch Beraubung der Reichen, oder durch ihre Gewohnheit entschuldigen.

 

Wie aber, was man bisweilen von Dieben hören kann, welche behaupten, sie sündigen darin nicht, wenn sie reichen und vermöglichen Menschen etwas entziehen, da sie durch diese Entziehung keinen Schaden erleiden, ja es nicht einmal merken? Wahrlich eine elende und unheilvolle Entschuldigung.

Ein Anderer glaubt, es müsse als Entschuldigung gelten, weil er an das Stehlen so gewöhnt sey, dass er dieser Gesinnung und Handlungsweise nicht leicht mehr entsagen könne; ein solcher wird sich wohl, er mag wollen oder nicht, auch an die ewige Höllenpein gewöhnen müssen, wenn er nicht auf den Ausspruch des Apostels merkt: Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr. [Ephes. 4,28]

 

XXIV. Was hinwiederum jenen zu sagen sey, welche zur Entschuldigung anführen, sie werden entweder durch die Gelegenheit oder Rachgierde zum Stehlen verleitet

 

Es gibt einige, welche als Entschuldigung anführen, sie hätten einem andern etwas gestohlen, weil sich Gelegenheit darbot; denn es gebe ein altes Sprichwort: Gelegenheit zügelt Diebe, die es vorhin nicht waren. Solche müssen von dieser gotteslästerlichen Meinung durch den Grund abgebracht werden: Man müsse den bösen Begierden widerstehen. Dehn wenn man immer das thun müsste, wozu uns die Begierlichkeit anreizt, wo wäre ein Maass und Ziel der Verbrechen und Lasterthaten? Eine solche Verteidigung ist also abscheulich, ja ein Bekenntniss der äussersten Unenthaltsamkeit und Ungerechtigkeit. Denn wer sagt, er sündige desswegen nicht, weil er keine Gelegenheit zum Sündigen habe, der gesteht beinahe, er wolle, wenn ihm Gelegenheit sich darbiete, immer sündigen. Es gibt solche, die sagen, sie stehlen, um sich zu rächen, weil sie von andern auch bcstohicn worden scyen. Diesen entgegne man: Erstlich sey es Niemanden erlaubt, Unbilden zu rächen; ferner, es könne Niemand Richter in seiner eigenen Sache seyn; dann könne noch viel weniger zugegeben werden, dass man andere strafe für das, was sie gegen uns begangen haben.

 

XXV. Was jenen geantwortet werden müsse, welche stehlen, um ihre Schulden zu bezahlen. 

 

Endlich halten einige dafür, der Diebstahl sey durch jenen Grund hinlänglich entschuldigt und gedeckt, weil sie sich, von Schulden gedrängt, nicht anders helfen können, wenn sie nicht stehlen, um zu bezahlen; diese muss man belehren, es gebe keine schwerere Schuld, wodurch das Menschengeschlecht mehr gedrückt würde, als jene, deren wir täglich im Gebete des Herrn gedenken: Vergib uns unsere Schulden ; [Matth. 6,12] desshalb sey es das Zeichen eines ganz verzückten Menschen, Gott mehr schuldig seyn zu wollen, d. h. mehr zu sündigen, um, was man den Menschen schuldet, zu bezahlen; und es sey viel besser, in das Gefängniss geworfen, als in die ewige Höllenpein verstossen zu werden; auch sey es weit härter, durch das Urtheil Gottes, als der Menschen, verdammet zu werden; ferner aber sollten sie flehentlich zu Gottes Beistand und Barmherzigkeit ihre Zuflucht nehmen, von dem sie alles, was sie nöthig haben, erlangen können. Es gibt noch andere Entschuldigungsarten, welche kluge und diensteifrige Seelsorger leicht widerlegen können, um einst ein Volk zu haben , das guten Werken nachstrebt.

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