Montag, 12. August 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Sechzehnter Sonntag nach Pfingsten

Sechzehnter Sonntag nach Pfingsten 

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)


"Damit ihr begreifen möget mit allen Heiligen, was die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe sei." Ephes. 3,18.

 Diesfe Worte enthalten vier Stücke, die uns zum Heile nothwendig sind. Zuerst die Liebe, wodurch wir die Freunde und Feinde lieben sollen, was die Worte sagen: Welches die Breite sei, d.h. wie groß die Breite der Liebe sein muß, die sich bis auf die Feinde erstrecken muß. Zweitens die Ausdauer, daß wir in der Liebe bis ans Ende ausharren. Dieß sagt das Wort: Länge, d.h. die Länge der Ausdauer. Drittens die rechte Absicht, daß wir den Herrn allein als Lohn für unsere Handlungen begehren. Dieß sagt das Wort: Höhe; diese ist es welche das Herz nach oben erhebt, daß man Gott als Lohn erwartet. Viertens die Demuth, daß wir in allem diesem durch den Stolz nicht leer
ausgehen. Dieß sagt das Wort: Tiefe, denn die Demuth ist es welche den Menschen in die Tiefe stellt in Bezug auf den Menschen und in die Höhe in Bezug auf Gott Christus (Luc. 18.) sagt: "Wer sich erniedrigt, soll erhöhet werden."

 In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß wir vorzüglich aus drei Gründen die Feinde lieben müssen. Zuerst wegen des Gebotes, wie Christus (Matth. 5.) sagt: "Ich aber sage euch: Liebet euere Feinde, thut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die welche euchb verfolgen und verleumden, daß ihr Kinder eueres Vaters seid, der im Himmel ist." Zweitens wegen des Beispieles Gottes, wie der Apostel (Röm. 5.) sagt: "Gott empfiehlt aber seine Liebe gegen uns, weil Christus, da wir noch Sünder waren, für uns starb. -  Denn wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt wurden, so werden wir umso mehr versöhnt in seinem Leben selig werden." Drittens wegen unseres Nutzens. Denn die Liebe zu den Feinden macht sie zu Söhnen des höchsten Gottes. "Betet für euere Verfolger," sagt Christus (Matth. 5.)

 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß wir aus drei Gründen im Guten beharren müssen. Zuerst um dem Tadel zu entgehen; denn es ist sehr tadelhaft, anzufangen und nicht zu vollendem. So heißt es (Luc. 14.): "Wer von euch, der einen Thurm bauen will, überlegt nicht zuerst reiftich die Kosten, welche nothwendig sind, ob er ihn vollenden kann, damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und nicht vollenden kann. Alle, die es sehen anfangen über ihn zu spotten und zu rufen: Dieser Mann fing zu bauen an, und konnte nicht vollenden. Zweitens, um der Strafe zu entgehen; denn der verdient eine größere Strafe, welcher kostete wie süß es ist Gutes zu thun, und der nicht ausharrte. Es wäre für sie besser gewesen, - spricht Petrus (2. Br. 2.) - den Weg der Gerechtigkeit gar nicht zu kennen, als nachdem sie ihn erkannten, ihn wiederum zu verlassen. Denn es trifft bei ihnen das wahre Sprichwort ein: Der Hund kehrt zum Gespieenen zurück und das Schwein wälzt sich in dem Miste." Drittens wegen der Belohnung; denn die Ausdauer allein verdient einen Lohn. "Wer ausharrt bis zum Ende, wird selig sein." (Matth. 10.)

 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß wir Gott allein zu un,erm Lohne aus drei Gründen erwarten sollen. Zuerst, weil er allein der wahre Lohn ist. Es heißt (Gen. 15.): Dein Beschützer und dein Lohn ist sehr groß." Der heilige Augustin sagte: "Er wird als Lohn Alles in Allem sein; denn er wird uns das Leben und das Heil, Kraft, Fülle, Ehre und Herrlichkeit, Friede und Freude und alle Güter sein." Drittens weil er ein ewiger Lohn ist. "Dieß ist das ewige Leben - sagt Christus (Joh. 17.) - daß sie dich, den allein wahren Gott, erkennen und den du geschickt hast, Jesus Christus."

 In Bezug auf den vierten Punkt ist zu bemerken, daß die Demuth auf dreifache Weise den Menfchen im Guten erhält. Zuerst indem sie ihn vor den Feinden vertheidigt. Der Psalmist (114.) sagt: "Der Herr bewachet die Kleinen; ich ward gedemüthigt, und er half mir." Zweitens, indem sie uns die Vermehrung der Gnade verdient. Jacobus (4.) sagt: "Gott widersteht den Hoffärtigen, den Demüthigen aber gibt er seine Gnade." Drittens, indem sfie ihn bis zur ewigen Herrlichkeit führt, indem geschrieben steht (Sirach. 29.): Den Demüthigen im Geiste wird die Herrlichkeit umfangen." Dazu wolle uns Gott fiihren.

 Amen.

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