Mittwoch, 28. August 2013

Catechismus Romanus - Vom Nutzen des Gebetes.

Römischer Katechismus (Catechismus). Nach dem Beschlusse des Conciliums von Trient und auf Befehl des Pabstes Pius V. herausgegeben. Passau, Druck und Verlag von Friedrich Winkler 1839

Vierter Teil - Zweites Hauptstück - Vom Nutzen des Gebetes.


 

I. Welches der erste Nutzen sey, den jene Nothwendigheit des Gebetes erzeuget. 

 

Diese Notwendigkeit aber hat einen sehr angenehmen Nutzen, welcher die reichlichsten Früchte hervorbringt; ihre Menge mögen die Seelsorger aus den heiligen Schriftstellern entnehmen, wenn es nothwendjg ist, sie dem gläubigen Volke mitzutheilcn. Wir wollen aus dieser Menge einige auswählen, die wir dieser Zeit für angemessen hielten. Der erste Nutzen aber; den wir daraus ziehen, ist, dass wir durch das Gebet Gott ehren; denn das Gebet ist ein Beweis der Gottesfurcht, und wird in den heiligen Schriften mit einem Rauchwerke verglichen. Denn der Prophet sagt: Lass mein Gebet wie Rauchwerk vor dein Angesicht kommen. [Ps. 140,2] Deshalb bekennen wir durch dieses Gebet, dass wir Gott unterworfen seyen, den wir als den Urheber aller Güter anerkennen und preisen, auf den allein wir unser Augenmerk richten, weil er der einzige Schutz und die einzige Zuflucht unsers Heiles und unserer Rettung ist. An diesen Nutzen werden wir auch durch Jene Worte erinnert: Rufe zu mir am Tage der Trübsal so will ich dich erretten, und du wirst mich preisen. [Ps. 49,15]

 

II. Welches der zweite Nutzen sey, den wir durch das Gebet erlangen. 

 

Es erfolgt der grösste und lieblichste Nutzen, wenn von Gott das Gebet erhöret wird; denn nach dem Ausspruche des h. Augustin ist es der Schlüssel zum Himmel. Er sagt: "Das Gebet steigt empor, und Gottes Erbarmung steigt herab." Wenn auch die Erde tief unten liegt, und der Himmel hoch erhaben: so hört Gott doch des Menschen Flehen. Diese Beschäftigung des Gebetes hat eine so grosse Kraft, und so grossen Nutzen, dass wir dadurch die Fülle der himmlischen Geschenke erlangen. Denn wir erflehen von Gott, dass er uns den heiligen Geist zum Führer und Helfer gebe, und erlangen Erhaltung und Reinheit
des Glaubens und Vermeidung der Strafen, und den göttlichen Schutz in Versuchungen, und den Sieg über den Teufel. Ueberhaupt ist im Gebete eine Fülle besonderer Freuden. Desswegen sprach der Herr: Bittet, so werdet ihr empfangen, auf dass eure Freude vollkommen werde. [Joa. 16,24]

 

III. Immer erhöret die göttliche Majestät frommes Gebet. 

 

Es kann kein Zweifel Statt haben, dass Gottes Güte ein solches Gebet erhöre und ihm entgegenkomme. Diess beweisen viele Zeugnisse der heiligen Schrift, von denen wir nur, da sie gerade zu Händen sind, jene bei Isaias als Beispiele anführen wollen: Dann wirst du rufen, und der Herr antworten, du wirst schreien, und er sagen: Siehe, da bin ich! [Isai. 58,9] Und wiederum: Und es wird seyn, ehedem sie rufen, werde ich erhören, und indem sie noch reden, will ich hören. [Isai. 65,24] Da aber die Beispiele derer, welche zu Gott geflehet haben, beinahe unzählig sind, und vor Augen liegen, so übergehen wir sie.

 

IV. Wie es geschehe, dass wir bisweilen nicht erlangen, um was wir bitten. 

 

Allein es geschieht zuweilen, dass wir von Gott nicht erhalten, um was wir bitten. Das ist wohl wahr; aber es sieht Gott dann meistens auf unsem Vortheil; entweder weil er uns andere grössere und vortrefflichere Güter mittheilet; oder weil das, um was wir bitten, uns nicht nothwendig, noch nützlich ist, ja sogar überflüssig und schädlich wäre, wenn er es uns geben würde. Der h. Augustin sagt: "Einiges versagt der gnädige Gott, was er, wenn er erzürnt ist, verleihet." Manchmal geschieht es auch, dass wir so nachlässig und andachtslos beten, dass wir nicht einmal darauf merken, was wir sprechen. Da aber das Gebet eine Erhebung des Geistes zu Gott ist, wie können wir den leeren Schall solcher Worte ein christliches Gebet nennen, wenn beim Beten der Geist, der auf Gott gerichtet seyn soll, ausschweifet, und die Worte des Gebetes ohne Andacht, ohne Eifer, gedankenlos hergesagt werden? Daher ist es keineswegs wundersam, wenn Gott unserm Willen nicht Gewährung leistet, da wir durch die Nachlässigkeit und Unaufmerksamkeit auf unser Gebet beweisen, dass wir entweder selbst nicht wollen, um was wir bitten, oder um Dinge bitten, die uns schädlich wären.

 

V. Die, welche recht beten, erlangen mehr, als sie begehren. 

 

Dagegen aber wird denen, die andächtig und fleissig beten, viel mehr ertheilet, als sie von Gott verlangen; diess bezeugt der Apostel im Briefe an die Epheser [Ephes. 3,20] , und es wird auch durch jenes Gleichnis vom verlorenen Sohne erkläret, welcher sich für ganz glücklich geschätzt hatte, wrenn ihn der Vater statt eines Taglöhners aufgenommen haben würde. [Luc. 15] Wenn wir auch nur fromme Gedanken haben, und nichts verlangen so überhäufet uns doch Gott mit seiner Gnade; Nicht nur durch einen Ueberfluss von Gesehenken, sondern auch durch schnelles Geben. Diess zeigen die heiligen Schriften, da es heisst: Das Verlangen der Armen hat erhöret der Herr. [Ps. 2,17] Denn Gott kommt den innigen und stillen Wünschen der Dürftigen, ohne ihr Rufen zu erwarten, entgegen."

 

VI. Welches der dritte Nutzen des Gebeies sey. 

 

Dazu kömmt auch noch jener Nutzen, dass wir durch das Gebet die Seelenkräfte üben und starken, besonders aber den Glauben. Denn wie jene nicht recht beten, welche an Gott nicht glauben, da es heisst: Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? [Röm. 10,14] ebenso haben die Gläubigen, je eifriger sie beten, einen desto grössern und festern Glauben an die göttliche Vorsehung; und dieser Glaube fordert von uns vorzüglich, dass wir alles, was uns nöthig ist, auf ihn beziehen, und von ihm erbitten.

 

VII. Warum Gott, da er ohnehin weiss, was wir bedürfen wolle, dass wir ihn darum bitten. 

 

Gott könnte uns zwar Alles im Ueberflusse mittheilen, ohne dass wir bitten, ja ohne dass wir sogar daran denken, so wie er den unvernünftigen Tieren alle Lebensbedürfnisse darreichet, aber er will, als der gütigste Vater, von seinen Kindern angerufen werden; er will, dass wir, nach Erlangung dessen, was wir begehren, von Tag zu Tag mehr seine Güte gegen uns bekennen und preisen.

 

VIII. Wie unsere Liebe gegen Gott durch das Gebet geübet werde. 

 

Auch die Liebe wird vermehret; denn indem wir Gott als den Urheber aller unserer Güter und Vortheile anerkennen, so müssen wir ihn mit der grösstmöglichsten Liebe umfassen; und wie die Liebenden durch Gespräch und Umgang noch mehr in Liebe entflammt werden; so werden fromme Menschen, je öfter sie zu Gott beten, und seine Güte anflehen, und gleichsam sich mit ihm unterreden, bei jedem Gebete mit grösserer Freude erfüllet, und heftiger angefeuert, ihn zu lieben und zu verehren.

 

IX. Durch anhaltendes Gebet werden wir der göttlichen Gnade würdig, und erwerben uns Demuth und Waffen gegen den Teufel. 

 

Gott will, dass wir uns desswegen im Gebete üben, damit wir entzündet vom Eifer, zu erbitten, was wir wünschen, an Fleiss und Verlangen solche Fortschritte machen, dass wir würdig sind, jene Wohlthaten zu erlangen, die vorher unser leeres und enges Herz nicht erfassen konnte.
Ferner will er, dass wir einsehen und offen bekennen sollen, wie wir, wenn uns der Beistand der himmlischen Gnade verlässt, durch unsere Bemühung nichts erlangen können, und desswegen eifrigst uns auf das Gebet verlegen sollen. Sehr wirksam sind diese Waffen des Gebetes gegen die erbittertsten Feinde unserer Natur. Der h. Hilarius sagt: "Gegen den Teufel und seine Waffen müssen wir streiten durch den Schall unserer Gebete."

 

X. Welches der vierte Nutzen sey, der den Menschen aus dem Gebete erwächst. 

 

Wir erlangen überdiess jenen herrlichen Nutzen des Gebetes, dass Gott zulässt, dass wir ihn, die wir so geneigt sind zum Bösen und zu den verschiedenen Gelüsten der Ausschweifung aus artgeborner Schwachheit mit unsern Gedanken erfassen, so dass wir, indem wir ihn anbeten, und seine Geschenke zu verdienen streben, ein Verlangen nach Unschuld bekommen, und von jeder Mackel, durch Hinwegnahme aller Sünden, gereiniget werden.

 

XI. Welches der letzte Nutzen des Gebetes sey. 

 

Endlich widersteht nach dem Ausspruche des heil. Hieronymus das Gebet dem göttlichen Zorne. Daher sprach Gott zu Moses so: Las» mich; [Exod. 32,16] da er ihn durch sein Gebet abhielt, als er jenes Volk strafen wollte. Denn es gibt nichts, was den erzürnten Gott so sehr besänftigen, oder ihn auch, wenn er bereit ist, gottlose Menschen zu züchtigen, so sehr abhalten und seinen Zorn aussöhnen könnte, als das Gebet frommer Menschen.

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