Sonntag, 16. Juni 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Vierter Sonntag nach Pfingsten

(Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

Vierter Sonntag nach Pfingsten.


Erste Rede

"Die Erwartung des Geschöpfes harrt der Offenbarwerdung der Söhne Gottes entgegen." Röm. 8,19.

Der Apostel sucht in diesem Briefe zu zeigen, daß alle Geschöpfe nach ihrer Weise sich nach der Ankunft der Verherrlichung der Heiligen sehnen. Es sind aber vier Geschöpfe, welche sehnsüchtig auf die Ankunft der Herrlichkeit der Kinder Gottes harren; zuerst die englische Kreatur; zweitens die himmlische; drittens irdische und viertens die menschliche Kreatur, und darum redet der Apostel in diesem Briefe gerade viermal von der Kreatur.

Die Engel sehnen sich darnach aus vier Gründen; zuerst wegen der vollkommenen Besiegung
der Feinde. So spricht die Offenbarung (12): "Hinabgestürztz wurde jener große Drache, die alte Schlange, die Teufel und Satan heißt, und die ganze Welt verführt; er wurde hinabgestürzt und seine Engel wurden mit ihm hinabgeworfen. - Freuet euch ihr Himmel, und die ihr in ihnen wohnet." Zweitens wegen der Erfüllung ihres Dienstes. Der Apostel (I. Cor. 15.) sagt: "Dann wird das Ende sein, wenn er das Reich Gott und dem Vater übergeben, wenn er jedes Fürstenthum, jede Macht und Kraft entleert hat. Er aber muss regieren, bis er alle Feinde unter seine Füsse legt." Drittens wegen der vollkommenen Wiederherstellung seiner Stadt. Der Psalmist (109.) sagt darum: "Er wird die Völker richten, den Abfall ausfüllen;" und der Apostel (Ephes. 1.): "Indem er vorherbestimmte, Alles herzustellen, sei es, was im Himmel, sei es, was auf der Erde ist."

In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß sich die himmlische Kreatur darnach aus drei Gründen sehnt. Zuerst wegen der Entziehung ihres Dienstes von den Unmündigen. Isidor sagt: "Sonne und Mond gehen nach dem Gerichte nicht unter, und ihr Licht wird den Gottlosen auf der Erde nicht dienen." Zweitens wegen der Erlangung der verlorenen Schönheit. Isaias (30.) sagt: "Das Licht des Mondes wird wie das der Sonne sein, und das Licht der Sonne wird siebenfach leuchten." Drittens wegen ihrer Ruhe von der Bewegung. Im Propheten Habacuc (3.) heißt es (nach einer anderen Übersetzung): "Sonne und Mond standen in ihrem Zelt, die Sonne im Aufgange, der Mond im Untergange, wie sie in der Schöpfung gestellt waren;" denn diese drei Güter erlangen die himmlischen Körper.

Auch die irdische Kreatur sehnt sich darnach aus drei Ursachen; zuerst wegen ihrer Reinigung von den Sünden der Gottlosen. Denn jetzt beflecken die Gottlosen die Erde mit Sünden. Darnach sagt der Psalmist (105.): "Die Erde wird befleckt durch ihre Werke; aber sodann wird sie durch das Feuer gereinigt werden." Und der Apostel Petrus (2. Br. 3.) sagt: "Die Elemente werden von der Wärme gelöst werden; aber die Erde ist das, was darin ist, wird vom Feuer verbrannt werden." Zweitens wegen ihrer Befreiung von der Verwesung; denn jetzt tritt eine Verwesung ein, damit eine Erzeugung erfolge, aber sodann wird die Verwesung aufhören, weil keine Erzeugung mehr nothwendig ist. Der Apostel (Röm. 8.) sagt: "Die Kreatur selbst wird von der Knechtschaft der Verwesung zur Freiheit der Verherrlichung der Söhne Gottes befreit werden." Drittens wegen ihrer Erneuerung. Isaias (65.) sagt: "Sieh, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde, und man wird sich nicht mehr an das Frühere erinnern, sondern ihr werdet euch freuen und darüber frohlocken, was ich bis in Ewigkeit schaffe."

Auch der Mensch sehnt sich danach aus drei Ursachen; zuerst wegen seiner Erlösung vom Übel; zweitens wegen seiner Erfüllung mit jeglichem Gute, und drittens wegen der Erlangung der Ewigkeit. Diese drei Güter erlangt der Mensch am Tage des Gerichts, wenn er hier so lebt, daß er dahin zu gelangen würdig ist. Von diesen Dreien sagt der heilige Augustin in seinem Buche von der Stadt Gottes: "In jener Stadt wird also von Allen ein gemeinsamer, sowohl untrennbarer als einziger, freier Wille sein, gelöst von jedem Übel, erfüllt mit jedem Gute, welches Gut zu essen er in Ewigkeit nicht aufhören wird, ohne Ende dieSüßigkeit der ewigen Freuden genießend." Dieß möge uns Christus verleihen. Amen.

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