Dienstag, 18. Juni 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Fünfter Sonntag nach Pfingsten

(Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

 

Fünfter Sonntag nach Pfingsten


Erste Rede.

Er verlasse das Böse und thue das Gute; er suche den Frieden und verfolge ihn. 1. Petr. 3, 11.


Die Gerechtigkeit, wozu uns der heilige Petrus mit diesen Worten ermahnt, enthält zwei Theile. Der erste besteht in der Vermeidung des Bösen, der zweite in der Übung des Guten. In Bezug auf den ersten Theil ist zu bemerken, daß man das Böse aus drei Gründen vorzüglich zu fliehen soll. Zuerst wegen der vielen Bitterkeit, die es mit sich bringt; zweitens wegen des Verlustes, den es verursacht, und drittens wegen der Strafe, die es herbeiführt. Vom ersten Falle spricht Jeremias (2.): "Sieh wie schlimm und bitter es ist, dass du den Herrn, deinen Gott verließest, und dass du vor mir keine Furcht hattest!" Die Sünde aber verursacht aus drei Gründen große Bitterkeit. Zuerst, weil der Herr der Sünde widersteht, wie es heißt (Deut. 25.): "Er verfolgt jede Ungerechtiogkeit;" und (ebend. 31.): "Es kamen über ihn alle Übel und Beschwerden, so daß er an jenem Tag ausruft: Wahrhaftig, weil der Herr nicht bei mir ist, treffen mich diese Übel." Zweitens, weil der Mensch durch die Sünde in sich sehr verrüttet wird. Darum sagt der heilige Augustin: "Du befahlst, o Herr, und so ist es wirklich, daß jedes ungeordnete Gemüth sich selbst zur Strafe ist." Und Job (7.) sagt: "Warum hast du mich zu deinem Gegner gemacht und warum wurde ich mir  selbst lästig?" Drittens weil jeder Sünder von jedem Geschöpfe Gottes nach dem Urtheile Gottes bekämpft wird. So sagt die Weißheit (16.): "Die dir, ihrem Schöpfer, dienende Kreatur entbrennt zur Qual gegen die Ungerechten."

In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß der Sünder sich einen dreifachen Schaden durch die Sünde zuzieht. Der erste ist, weil durch die Sünde ein vielfaches Gut verloren geht. Der heilige Augustin sagt in seinem Buche von der Stadt Gottes (12.): "Hätten sie nicht eine gute Natur, so würden ihnen die Sünden nicht schaden. Welchen anderen Schaden aber bringen sie sich, als daß sich die Vollkommenheit, die Schönheit und das Heil entreißen?" Zweitens geht wegen der Sünde die Gnade verloren. So heißt es (Weish. 1.): "In eine bösgesinnte Seele geht die Weisheit nicht ein, und sie wohnt nicht in einem den Sünden unterworfenen Körper." Drittens verliert man durch die Sünde das Gut der Glorie. Der Prophet (Isai. 26.) sagt: "Der Gottlose gehe zu Grunde, daß er die Herrlichkeit Gottes nicht schaue."

In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß die Sünde die Menschen in viele Strafen stürzt, vorzüglich aber in drei. Die erste ist die beständige Traurigkeit in der Seele, wie Isaias (13.) sagt: "Qualen und Schmerzen werden die fesseln, wie eine Gebärende werden sie Schmerzen haben." Und Job (20.) sagt: "Wenn er sich gesättigt hat, wird er eingeengt werden, und jeder Schmerz wird über ihn einbrechen". Die Zweite ist der beständige Feuerhunger im Herzen. Es steht geschrieben (Matth. 13.): "Er wird sie in den Feuerofen werfen." Die dritte ist die Ewigkeit in beiden Stücken, wie es heißt: "Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer." Isaias (66.) sagt: "Ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht erlöschen." Der Wurm bedeutet der Schmerz in der Seele; das Feuer die Gluth im Herzen; die Unauslöschlichkeit bedeutet die Ewigkeit in beiderlei Beziehung. Davon möge uns der Herr befreien. Amen.

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