Zweiter Theil - Fünftes Hauptstück - Vom Sakramente der Busse
I. Die Lehre von der Busse soll den christlichen Zuhörern genau und oft vorgetragen werden.
I. Wie die Hinfälligkeit und Schwäche der menschlichen Natur Allen
bekannt ist, und sie Jeder an sich selbst leicht erfährt, so auch kann Niemand
hierüber unwissend seyn, wie nothwendig das Sakrament der Busse sey. Wenn man
den Fleiss, welchen die Seelsorger auf jeden Vortrag verwenden müssen, nach der
Grösse und Wichtigkeit des Gegenstandes, den sie behandeln, bemessen müssten so
würden wir ohne Scheu bekennen, sie könnten bei der Erklärung dieses
Gegenstandes nie so fleissig seyn, dass man es für hinlänglich halten dürfte; ja
es muss von diesem Sakramente genauer gehandelt werden, als von der Taufe, weil
die Taufe nur einmal ertheilt wird, und nicht wiederholt werden kann; die Busse
aber ist so oft nothwendig, als nach der Taufe gesündigt wird.
II. Denn die Synode von Trient sagt, das Sakrament der Busse sey
den nach der Taufe Gefallenen nicht minder als die Taufe den noch nicht
Wiedergebornen, zur Seligkeit nothwendig; und jener allgemein verbreitete
Ausspruch des heil. Hieronymus wird von Allen, die nachhin über heilige
Gegenstände schrieben, sehr beifällig aufgenommen,
nämlich die Busse sey der zweite Balken (Rettungsbalken im Schiffbruche). Denn
wie bei einem Schiffbruche es das einzige Zufluchtsmittel ist, das Leben zu
retten, wenn man von ohngefähr einen Balken vom Schiffbruche erreichen kann,
ebenso ist nach dem Verluste der Unschuld der Taufe für den, der nicht zum
Balken der Busse seine Zuflucht nimmt, unstreitig keine Rettung zu hoffen. Diess
aber ist nicht blos zur Aneiferung der Seelenhirten, sondern auch für alle
übrigen Gläubigen gesagt, damit sie nicht in dieser so äusserst notwendigen
Sache der Sorglosigkeit angeklagt werden mögen. Erstens müssen sie, eingedenk
der gemeinsamen Schwäche, eifrigst wünschen, dass sie gestützt durch Gottes
Beistand, ohne Unfall oder Straucheln, auf dem Wege des Herrn einhergehen
können. Wenn sie aber manchmal gesündigt haben, so sollen sie die unendliche
Güte Gottes betrachten, der wie ein guter Hirt die Wunden seiner Schafe
verbindet und heilt, und bedenken, dass dieses so heilsame Arzneimittel der
Busse niemals auf eine andere Zeit hinausgeschoben werden dürfe.
II. Wie verschieden die Bedeutung des Wortes Busse sey.
Um aber zur Sache selbst zu kommen, soll zuerst die verschiedene
Kraft und Bedeutung dieses Namens erklärt werden, damit Niemand durch die
Zweideutigkeit des Wortes in Irrthum gerathe. Einige nehmen die Busse für
Genugthuung. Da ferner Andere, weit entfernt von der Lehre des katholischen
Glaubens, meinen, die Busse habe keine Rückwirkung auf die vergangene Zeit, so
erklären sie dieselbe für nichts anders, als für ein neues Leben. Es muss also
gelehrt werden, die Bedeutung dieses Namens sey vielfach. [II. Cor. 7,10.] Denn erstens
sagt man von denen, dass sie Reue haben, welchen etwas missfällt, was ihnen
vorher gefallen hat, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob es gut oder böse
gewesen ist. So büssen Alle, die traurig sind wegen der Welt, und nicht wegen
Gott; eine solche Busse bringt nicht das Heil, sondern den Tod. Eine andere Reue
ist die, wenn Jemand wegen eines begangenen Lasters, woran er vorher Gefallen
gehabt hat, Schmerz fühlt nicht wegen Gott, sondern wegen seiner selbst. Eine dritte ist, wenn wir nicht blos wegen
einer begangenen Sünde im innersten Herzen Schmerz fühlen, oder auch durch ein
äusserliches Zeichen diesen Schmerz zu erkennen geben, sondern wegen Gott allein
uns in dieser Traurigkeit befinden. Alle diese aufgezählten Arten von Reue
heissen eigentlich Reue. Wenn wir aber in den heiligen Schriften lesen Gott bereue, [Gen. 6,6] so ist
deutlich, dass diess uneigentlich, beziehungsweise, gesagt worden; dieser
Redeweise, die den Sitten der Menschen anpassend ist, bedienen sich die heiligen
Schriften, wenn sie darstellen, dass Gott etwas zu ändern beschlossen habe; weil
er dabei nicht anders zu handeln scheint, als die Menschen, welche ein Ding, das
sie bereuen, mit allem Eifer zu verändern streben. Daher steht geschrieben:
Es habe ihn gereut, die Menschen erschaffen zu
haben [Gen. 6,6] ; und an einer andern
Stelle: dass er den Saul zum Könige eingesetzt habe.
[I. Regg. 15,11.] III. Welcher Unterschied zwischen den Bedeutungen der Busse sey.
Man muss den grossen Unterschied zwischen diesen Bedeutungen der
Busse wohl in Acht nehmen. In der ersten Bedeutung ist sie eine fehlerhafte
Reue: in der zweiten ist sie die Rührung eines aufgeregten und zerrütteten
Gemüthes; von der dritten sagen wir, sie gehöre zur Tugend, oder sie sey ein
Sakrament; und diess ist hier die eigentliche Bedeutung. Zuerst nun soll von
ihr, als einem Theile der Tugend, gehandelt werden, nicht nur, weil das gläubige
Volk von den Seelsorgern in jeder Art von Tugend unterwiesen werden muss,
sondern weil die Handlungen dieser Tugend gleichsam die Materie bilden, aus der
das Sakrament der Busse besteht; und weil, wenn nicht ehevor richtig erkannt
wird welches die Tugend der Busse sey, auch die Kraft des Sakramentes nicht
erkannt werden kann.
IV. Was eine innerliche Busse sey.
Vor Allem müssen die Gläubigen ermahnt werden, sich mit aller
Anstrengung und eifrig einer innerlichen Busse des Herzens, welche wir Tugend
nennen, zu befleissen; denn ohne diese wird die, welche äusserlich angewendet wird, sehr wenig nützen; die innerliche Busse
aber besteht darin, wenn wir uns von Herzen zu Gott bekehren, die von uns
begangenen Sünden verabscheuen und hassen; und wenn wir zugleich auch fest
entschlossen sind, die schlechte Lebensweise und die verderbten Sitten zu
bessern, in der Hoffnung, von Gottes Barmherzigkeit Verzeihung zu erlangen.
Dieser folgt Schmerz und Traurigkeit, welche in einer Rührung und
Gemüthsbewegung besteht, und von Vielen ein Leiden genannt wird, gleichsam als
Begleiterin verbunden mit der Verabscheuung der Sünden. Desswegen wird von
mehreren heiligen Vätern die Reue als ein solches Seelenleiden geschildert.
V. Der Glaube ist kein Theil der Busse.
Sess. 14. Conc. Trid. de poenit. c. 3 et can 4.
Bei dem Büssenden muss der Glaube der Busse vorangehen; denn es
kann sich Niemand zu Gott bekehren, der keinen Glauben hat: und hieraus
folgt,dass er keineswegs in Wahrheit ein Theil der Busse genannt
werden.kann.
VI. Die innerliche Busse des Herzens ist für eine Tugend zu halten.
, Viele Vorschriften, welche über die Busse gegeben worden sind
beweisen offenbar, dass diese innerliche Busse, wie wir oben gesagt haben, zur
Tugend gehöre. Denn das Gesetz befiehlt nur solche Handlungen, welche in
Verbindung mit der Tugend unternommen werden. Ueberdiess kann Niemand läugnen,
dass bereuen, Schmerz empfinden, wann, wie, und in wie ferne es sich ziemt, eine
Tugend sey. Damit aber diess recht geschehe, das bewirkt die Tugend der Busse.
Bisweilen ereignet es sich, dass die Menschen wegen begangener Sünden eine
geringere Reue empfinden, als es seyn sollte; weil, nach dem Ausspruche des
Salomon [Prov. 2,14] ,
sogar einige sind, welche sich über ihre Uebelthaien freuen: wieder andere aber
überlassen sich so sehr der Traurigkeit und dem Grame der Seele, dass sie sogar ganzlich an ihrer Seligkeit verzweifeln;
dergleichen möchte Kain gewesen seyn , welcher sagte: Mein
Verbrechen ist zu gross, als dass ich Verzeihung verdiene; [Gen. 4,13] und ein solcher war gewiss Judas [Matth. 8,27.] , welcher aus
Reue sich erhängte. Um bei der Reue Maass zu halten, werden wir durch die Tugend
der Busse unterstützt.
VII. Wie der, welcher eine wahre Reue hat im Herzen beschaffen seyn muss.
Diess kann auch aus dem geschlossen werden, was der für eine
Absicht hat, der wahrhaft die Sünde bereut. Seine erste Absicht ist, die Sünde
auszutilgen, und jede Schuld und jeden Flecken der Seele wegzuschaffen. Die
zweite ist, für die begangenen Sünden Gott Genugthuung zu leisten; was sich
offenbar auf die Gerechtigkeit bezieht. Denn obwohl zwischen Gott und den
Menschen ein eigentliches Verhältaiss der Gerechtigkeit nicht bestehen kann, da
sie so weit von einander verschieden sind, so besteht doch eine Art von
Gerechtigkeit, z.B. wie zwischen dem Vater und seinen Kindern, zwischen dem
Herrn und seinen Dienern. Die dritte ist, dass der Mensch in die Gnade Gottes
zurückkehre, dessen Ungnade und Hass er sich wegen der Schändlichkeit der Sünde
zuzieht. Diess Alles nun beweiset deutlich, dass die Busse zur Tugend
gehöre.
VIII. In welche Abstufungen man zu jener göttlichen Tugend der Busse emporsteige.
Auf fünf Stufen steigt der Mensch zur wahren Busse empor.
Es muss auch gelehrt werden, auf welchen Abstufungen man zu diesen
göttlichen Tugenden emporsteigen könne. Erstens kommt uns die Barmherzigkeit
Gottes zuvor, und bekehret unsere Herzen zu sich. Als der Prophet um diess
flehte, sprach er: Herr, bekehre uns zu dir, und wir werden
bekehret, werden. [Thren. 5,21] Hierauf
richten wir, von diesem Lichte erleuchtet, durch den Glauben das Gemüth auf
Gott. Der Apostel bezeugt: Wer sich Gott nahet, muss
glauben, dass er ist, und dass er denen, die ihn suchen,
ein Vergelter seyn werde. [Hebr. 11,6]
Ueberdiess wird die Furcht rege, und durch die Betrachtung der Strenge
der Strafen wird die Seele vom Sündigen abgehalten. Hieher scheinen sich die
Worte des Isaias zu beziehen: Wie die Schwangere, wenn die
Geburt nahet, weinend ruft in ihren Schmerzen; so sind wir geworden.
[Is. 26,17] Hiezu tritt die Hoffnung, von
Gott Barmherzigkeit zu erlangen, durch die wir gestärkt den Entschluss fassen,
unsern Lebenswandel und die Sitten zu bessern. Endlich werden durch die Liebe
unsere Herzen entzündet, aus welcher jene edle Furcht, die frommen und guten
Kindern eigen ist, entsteht; und so nur jenes Eine fürchtend, dass wir etwa in
irgend einem Stücke Gottes Majestät beleidigen möchten, verlassen wir gänzlich
die Gewohnheit zu sündigen. Auf diesen Stufen also gelangt man zu dieser
herrlichen Tugend der Busse.
IX. Welches die vorzüglichste Frucht der Tugend der Busse sey.
Diese Tugend muss für ganz göttlich und himmlisch gehalten werden,
da ihr die heiligen Schriften das Himmelreich verheissen. Bei'm heiligen
Matthäus steht geschrieben: Thut Busse; denn das Himmelreich
ist nahe; [Mattht. 4,17] und bei Ezechiel:
Wenn der Gottlose Busse thut über alle seine Sünden, die er
begangen hat, und alle meine Gebote beobachtet, und Recht und Gerechtigkeit übt,
wird er leben; [Ezech. 33,11] ferner an einer
andern Stelle: Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern der Gottlose soll
sich bekehren von seinen schlechten Wegen, und leben. Dass aber diess von dem
ewigen und seligen Leben zu verstehen sey, ist klar.
X. Was von der äusserlichen Busse zu kalten sey, und warum Christus sie in die Zahl der Sakramente aufgenommen habe.
1) Was äusserliche Busse sey, und dass die Eigenschaft des Sakramentes
in ihr bestehe. Der erste Grund ist, dass unser Glaube an eine Nachlassuug der
Sünde durch den Urtheilsspruch der Priester befestigt, und unser Gewissen
beruhigt würde. 2) Der zweite Grund ist, dass die Menschen einl Mittel haben
sollten, wodurch die nach der Taufe begangenen Sünden im Blute Christi
abgewaschen würden.
I. Von der äusserlichen Busse soll gelehrt werden, dass in ihr die
Eigenschaften eines Sakramentes liegen und sie habe einige äusserliche und in die Sinne fallende Dinge an sich,
durch welche das, was innerlich in der Seele vor sich geht, angezeigt wird. Vor
Allen aber soll den Gläubigen erklärt werden, warum Christus die Busse unter die
Zahl der Sakramente aufgenommen wissen wollte. Die Ursache hievon war, um uns
über die Vergebung der Sünden, welche uns Gott versprochen hat, mit den Worten:
Wenn der Sünder Busse u. s. f., nicht in Zweifel zu lassen. Denn wir müssten
über die innerliche Busse sehr in Ungewissheit seyn, da ein jeder seinem
Urtheile in dem, was er thut, sehr misstrauen muss. Der Herr hat also das
Sakrament der Busse eingesetzt, um dieser unserer Aengstlichkeit abzuhelfen; auf
dass wir vertrauen können, dass uns durch die Lossprechung des Priesters die
Sünden nachgelassen seyen, und unsere Gemüther durch den Glauben beruhigt
würden, welchen wir mit Recht auf die Kraft der Sakramente setzen müssen.
II. Die Worte des Priesters, der uns die Sünden rechtmässig
nachlässt, sind gerade so zu nehmen, wie die Worte Christi des Herrn, da er zum
Gichtbrüchigen sagt: Habe Vertrauen mein Sohn! deine Sünden
sind dir nachgelassen. [Matth. 9,2] Da ferner
Niemand die Seligkeit erlangen kann, ausser durch Christus und sein Leiden; so
war es passend und für uns sehr vortheilhaft, dass ein solches Sakrament
eingesetzt wurde, durch dessen Kraft und Wirksamkeit das Blut Christi auf uns
überiliesst, und die nach der Taufe begangenen Sünden austilgte, und wir so
bekennen sollten, dass wir die empfangene Wohlthat der Wiederaussöhnung jenem
unserm Erlöser allein zu verdanken haben.
XI. Wie die Busse ein wahres Sakrament des neuen Gesetzes sey.
Conc. Trid. sess. 14. de poen. cap. 1. et can. 1.
Dass die Busse ein Sakrament sey, werden die Seelsorger auf
folgende Weise leicht zeigen können. Wie die Taufe ein Sakrament ist, weil sie
alle, und besonders die Erbsünde, austilgt; aus demselben Grunde muss die Busse,
welche alle nach der Taufe durch Willen und That begangenen Sünden hinwegnimmt,
wahrhaft und eigentlich ein Sakrament genannt werden.
Hernach, was die Hauptsache ist, da jenes, was äusserlich theils vom Büsser,
theils vom Priester geschieht, das erklärt, was innerlich in der Seele bewirkt
wird; wer soll noch läugncn, dass die Busse die eigentliche und wahrhafte
Eigenschaft eines Sakramentes besitze, indem ein Sakrament ein Zeichen einer
heiligen Sache ist; der Sünder aber, der Busse thut, durch That und Worte
anzeigt, dass er sein Gcmüth von der Schändlichkeit der Sünde abgewendet habe;
und wir auch leicht aus dem, was der Priester thut und spricht, die
Barmherzigkeit Gottes, der die Sünden selbst nacblasst, erkennen können? Auch
jene Worte des Erlöser zeigen diess deutlich an: Dir will
ich die Schlüssel des Himmelreiches ...., und was du auf Erden lösen wirst, wird
auch im Himmel gelöset seyn. [Matth. 16,19]
Denn die Lossprechung, durch die Worte des Priesters ausgesprochen, zeigt
die Nachlassung der Sünden an, die sie in der Seele bewirkt.
XII. Das Sakrament der Busse kann wiederholt werden.
Die Gläubigen sollen nicht blos darüber belehrt werden, dass die
Busse unter die Zahl der Sakramente gehöre, sondern auch darüber, dass sie
wiederholt werden kann. Dem Petrus, welcher fragte, ob man die Sünde siebenmal
verzeihen müsse, antwortete der Herr: Ich sage dir, nicht
siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. [Matth.
18,22] Wenn man es also mit solchen Menschen zu thun hat, welche auf die
Güte und Sanftmuth des höchsten Gottes zu misstrauen scheinen, soll ihr Muth
gestärkt und zur Hoffnung der göttlichen Gnade aufgegerichtet werden. Diess wird
man leicht bewirken, sowohl durch den Vortrag dieser und anderer Stellen, deren
sich in der heiligen Schrift häufig finden, als auch durch jene Gründe und
Beweise, welche man aus dem Buche des heiligen Chrysostomus über die Gefallenen
und des heiligen Ambrosius über die Busse entnehmen kann.
XIII. Welches und wie beschaffen die Materie der Busse sey.
1) Wo man die drei Verrichtungen des Büssers, in welchen die Materie
besteht, Theile dieses Sakramentes nennen muss. 2) Wie die Sünden, selbst die
Materie des Sakramentes genannt werden können.
I. Weil aber dem gläubigen Volke nichts bekannter seyn soll, als
die Materie dieses Sakramentes; so muss gelehrt werden,
diess Sakrament unterscheide sich von den andern hauptsächlich dadurch, dass bei
den andern Sakramenten die Materie eine natürliche, oder durch Kunst
hervorgebrachte Sache sey; aber gleichsam die Materie des Sakramentes der Busse
sind die Handlungen des Büssers, nämlich die Reue, die Beicht und Genugthuung;
wie von der Synode zu Trient ausgesprochen worden ist. Diese werden, in so ferne
sie von Seite des Büssers zur Vollständigkeit des Sakramentes, und zur
gänzlichen und vollkommenen Nachlassung der Sünden, gemäss der Einsetzung Gottes
erfordert werden, aus diesem Grunde die Theile der Busse genannt. Es werden aber
diese Handlungen von der heiligen Synode nicht desswegen gleichsam die Materie
genannt, weil sie die Eigenschaft einer wahren Materie nicht besitzen; sondern
weil sie keine Materie von der Art sind, welche äusserlich angewendet wird, wie
das Wasser bei der Taufe, und der Chrysam bei der Firmung.
II. Wenn aber von Einigen behauptet wurde, die Sünden selbst seyen
die Materie des Sakramentes, so lässt sich gar nichts dawider einwenden, wenn
wir es sorgfältig beachten. Denn wie wir sagen, das Holz, das durch die Kraft
des Feuers verzehrt wird, sey die Materie des Feuers; so kann man die Sünden,
welche durch die Busse ausgetilgt werden, mit Recht die Materie dieses
Sakramentes nennen.
XIV. Welches die Form den Sakramentes der Busse sey.
Auch die Erklärung der Form darf von den Seelenhirten nicht
übergangen werden, weil die Kenntniss derselben die Gemüther der Gläubigen
aneifert, die Gnade dieses Sakramentes in tiefster Ehrfurcht, zu empfangen. Die
Form aber ist folgende: Ich spreche dich los: Ego te
absolvo. [Matth. 18,18] Und man kann sie
nicht blos aus jenen Worten entnehmen: Was ihr immer auf Erden lösen werdet,
wird auch im Himmel gelöset seyn; sondern wir empfingen sie aus der nämlichen,
uns von den Aposteln überlieferten Lehre Christi des Herrn.
Weil aber die Sakramente das andeuten, was sie bewirken, und jene
Worte: Ego te absolvo zeigen, dass durch die Ausspendung
dieses Sakramentes Nachlassung der Sünden bewirkt werde; so ist klar, dass diess
die vollkommene Form der Busse sey. Denn die Sünden sind gleichsam Bande, womit
unsere Seelen gefangen gehalten, und deren sie durch das Sakrament der Busse
entledigt werden. Diess aber sagt ebenso wahr der Priester auch von einem
Menschen, welcher ehvor durch die Kraft der heissesten Zerknirschung, doch
verbunden mit dem Wunsche, zu beichten, von Gott Verzeihung der Sünden erlangt
hat.
XV. Mit welchem Nutzen auch andere Gebete der Form des Sakramentes beigefügt werden.
Ueberdiess werden mehrere Gebete hinzugefügt, die aber nicht so
nothwendig sind, dass sie, wenn sie ausgelassen würden, die Kraft und
Wirksamkeit des Sakramentes zum Schaden dessen, der es empfangt, verhindern
könnten.
XVI. Wie sehr sich die Gewalt der Priester Christi bei Beurtheilung des Aussatzes der Sünde von der Gewalt der Priester des alten Bundes unterscheide.
Die Sünder sollen Gott den grössten Dank abstatten, da er eine so
umfassende Gewalt den Priestern in der Kirche ertheilet hat. Denn nicht, wie
einst im alten Testamente, die Priester durch ihr Zeugniss aussprachen [Lev. 13,9] , dass Jemand von
dem Aussätze geheilt sey, nicht so ist jetzt blos diese Gewalt den Priestern
verliehen, dass sie nur erklären, Jemand sey von den Sünden losgesprochen,
sondern sie sprechen wirklich als, Diener Gottes los; Gott selbst aber, der
Urheber und die Quelle der Gnade und Gerechtigkeit, bewirkt dieses.
XVII. Mit welcher Haltung und mit welchem Benehmen die Büssenden ihre Handlung empfehlen sollen.
Die Gläubigen sollen die Gebräuche, die bei diesem Sakramente
angewendet werden, sorgfällig beobachten; denn dadurch wird ihrer Seele tiefer
eingeprägt werden, was sie durch dieses Sakrament erlangt haben; nämlich sie
seyen als Diener mit ihrem mildreichen Herrn, oder vielmehr als Kinder mit ihrem
besten Vater, ausgesöhnt. Zugleich werden sie leichter einsehen, was diejenigen
thun müssen, welche sich als dankbar und eingedenk einer so grossen Wohlthat
zeigen wollen (wollen aber müssen Alle).
Wer Reue über seine Sünden hat, der wirft sich mit demüthigem und
zerknirschtem Herzen dem Priester zu Füssen, damit er aus einem solchen
demüthigen Benehmen leicht erkennen könne, dass die Wurzeln des Hochmuthes
ausgerottet werden müssen, weil daraus alle Laster, die er beweint, entstanden
sind, und ihren Ursprung haben. Im Priester aber, der als rechtmässiger Richter
über ihn dasitzt, verehret er die Person und Gewalt Christi des Herrn. Denn der
Priester verwaltet, wie bei den übrigen Sakramenten, so auch in der Ausspendung
des Sakramentes der Busse, das Amt Christi. Dann zählt der Büsser seine Sünden
so auf, dass er sich der grössten und härtesten Strafe würdig erachtet, und
bittet fussfällig um Verzeihung der Sünden. Dieses Alles hat vom h. Dionysius
die sichersten Zeugnisse seines uralten Herkommens für sich.
XVIII. Welche Früchte hauptsächlich die Menschen aus dem Sakramente der Busse ziehen.
Die erste Frucht ist die Wiedererlangung des göttlichen Wohlgefallens.
Die zweite ist Friede und Ruhe des Herzens. Die dritte, Nachlassnng jeder noch
so schweren Sünde. Sess. 14. Conc. Trid. de poen. c. 3.
Fürwahr, nichts wird den Gläubigen mehr nützen, und sie zum
Empfange der Busse anspornen, als wenn die Pfarrer oft vorstellen, welchen
Nutzen wir aus ihr schöpfen. Sie werden wahr finden, dass zwar ihre Wurzeln
bitter, die Früchte aber sehr lieblich seyen.
Die ganze Kraft der Busse besteht also darin, dass sie uns in die
Gnade Gottes zurückversetzt, und uns mit ihm in innigster Freundschaft
vereinigt. Dieser Wiederaussöhnung aber pflegt manchmal bei gottseligen
Menschen, die dieses Sakrament heilig und gottesfürchtig empfangen, der höchste
Friede und volle Gewissensruhe mit der grössten Seelenfreude zu folgen. Es gibt
kein so grosses und verabscheuungswürdiges Verbrechen, welches nicht durch das
Sakrament der Busse, nicht blos einmal, sondern zweimal
und öfter ausgetilgt werden könnte. Daher spricht der Herr durch den Propheten
so: Wenn der Gottlose Busse thut über alle seine Sünden, die
er begangen hat, und meine Gebote beobachtet, und Recht und Gerechtigkeit übt,
wird er leben und nicht sterben; ich werde aller seiner Vergehen, die er
begangen hat, nicht mehr gedenken. [Ezech. 18,21.22]
Und der heil. Johannes: Wenn wir unsere Sünden
bekennen, ist er getreu und gerecht, dass er uns unsere Sünden nachlässt.
[I. Joh. 1,9] Und kurz nachher sagt er: Wenn Jemand gesündiget hat (er nimmt keine Gattung von Sünden
aus), haben wir einen Fürspreeher beim Vater, Jesus Christus, dem Gerechten: und
dieser ist die Versöhnung für unsere Sünden: nicht nur aber für unsere, sondern
für die Sünden der ganzen Welt. [Joh. 2,1.2]
XIX. Wie man sagen könne, dass einige Sünden nicht nachgelassen werden können.
Wenn wir aber in der heiligen Schrift lesen, dass Einige vom Herrn
nicht Barmherzigkeit erlangt haben, obwohl sie ihn innig angefleht haben, so
erkennen wir, dass diess darum geschehen sey, weil sie ihre Sünden nicht
wahrhaft: und vom Grunde des Herzens bereut haben. Wenn also dergleichen
Ausdrücke in den heiligen Schriften oder bei den heiligen Vätern vorkommen,
welche zu behaupten scheinen, dass einige Sünden nicht nachgelassen werden
können, so muss man sie so erklären, dass wir annehmen, die Erlangung der
Vergebung sey sehr schwierig. Denn wie manchmal eine Krankheit desswegen
unheilbar genannt wird, weil der Kranke so beschaffen ist, dass er die Wirkung
der heilsamen Arznei verschmäht, so gibt es auch eine, Art Sünde, welche nicht
nachgelassen und verziehen wird, weil sie das eigentliche Heilmittel, die Gnade
Gottes, von sich stösst. Hierüber sagte der heil. Augustin: So gross ist das
Verderben jener Sünde, dass der, welcher, nachdem er durch die Gnade Christi
Kenntniss von Gott, erlangt hat, gegen die Brüderschaft kämpft, und selbst gegen
die Gnade durch die Fackeln des Neides getrieben wird, sich der Demuth des
Bittens nicht unterziehen kann, obwohl er vom bösen Gewissen gedrungen wird,
seine Sünde zu erkennen und auszusprechen.
XX. Ohne Busse kann Niemand Verzeihung der Sünden erlangen.
Die eigentliche Wirkung der Busse bestehlt in Nachlassung der Sünden.
Die lässlichecn Sünden erfordern nicht nothwendig die sakramentalische
Busse.
Um zur Busse zurückzukommen; diese Kraft, die Sünden auszutilgen,
ist dem Sakramente so eigen, dass man ohne Busse Nachlassung der Sünden nicht
erlangen, ja nicht einmal hoffen kann. Denn es steht geschrieben: Wenn ihr nicht Busse thut, werdet ihr Alle zumal zu Grunde gehen.
[Luc. 13,3] Diess hat zwar der Herr nur von
den schwereren und Todsünden ausgesprochen, aber auch die geringern Sünden, die
man lässliche nennt, bedürfen einer Art Busse. Der heiliget Augustin sagt [Lib. 50. hom 50.] : Die Busse,
welche täglich in der Kirche für die lässlichen Sünden verrichtet wird, würde
wahrlich unnütz seyn, wenn die lässliehen Sünden ohne Busse nachgelassen werden
könnten."
XXI. Wie viele Haupttheile der Busse es gebe
Die Busse hat drei Haupttheile, und wenn einer von ihnen abgeht, ist
die Busse nicht vollständig. Sess. 14. Conc. Trid. de poenit. c. 3. can. 4.
1.
Weil es nicht hinlänglich ist, von denjenigen Dingen, welche auf
irgend eine Weise zur Handlung gehören, im Allgemeinen zu reden, so werden die
Seelenhirten Sorge tragen, dasjenige einzeln zu lehren, woraus von den Glaubigen
der ganze Inhalt einer wahren und heilsamen Busse erkannt werden kann. Dieses
Sakrament hat aber das Eigentümliche, dass es ausser Materie und Form, die allen
Sakramenten gemeinsam sind, auch, wie wir oben sagten, Theile hat, welche
gleichsam die ganze und vollständige Busse bilden, nämlich die Reue, die Beicht
und die Genugthuung, worüber der heilige Chrysostomus so sagt: Die Busse zwingt
den Sünder, Alles willig zu ertragen; in seinem Herzen die Reue, im Munde das
Bekenntniss, bei'm ganzen Werke die Demuth, und die fruchtbringende Genugthuung.
Diese Theile aber sind der Art, dass sie zur Vervollständigung eines Ganzen
nothwendig sind — So wie der menschliche Leib aus mehreren Gliedern besteht, aus
den Händen, den Füssen, den Augen und andern dergleichen Theilen, und wenn einer
davon fehlt, er mit Recht unvollkommen erscheint;
vollkommen aber, wenn keiner abgeht; ebenso ist auch die Busse aus diesen drei
Theilen so zusammengesetzt, dass, obschon, was ihre Natur anbelangt, die Reue
und Beicht, wodurch der Mensch gerechtfertiget wird, hinlänglich ist: doch, wenn
nicht der dritte Theil, die Genugthuung, hinzukömmt, ihr nothwendig etwas zur
gänzlichen Vollkommenheit abgehen muss. Daher sind diese drei Theile so eng
unter sich verbunden, dass die Reue den Entschluss und das Vorhaben zu beichten
in sich schliesst, die Reue und der Wille genugzuthun muss der Beicht, die
andern zwei aber der Genugthuung vorangehen.
XXII. Woher diese drei Theile der Busse kommen.
Wir können für diese drei Theile das als Grund anführen, weil mit
Gedanken, Worten und im Werke selbst Sünden gegen Gott begangen werden.
Desswegen war es passend, dass wir uns selbst der Schlüsselgewalt der Kirche
unterwerfend, ebendadurch, wodurch das heiligste Wesen der Gottheit beleidigt
worden war, ihren Zorn auch zu besänftigen, und Verzeihung der Sünden zu
erhalten suchen sollen. Doch kann diess auch auf eine andere Art bewiesen
werden. Die Busse ist gleichsam ein Ersatz für die Sünden, ausgegangen von dem
Willen desjenigen, der gesündigt hat, und angeordnet von dem Willen Gottes,
gegen welchen gesündigt worden ist. Desshalb wird auch der Wille, Ersatz zu
leisten, erfordert, worin hauptsächlich die Reue besteht, und der Büsser muss
sich dem Urteilsspruche des Priesters, der die Person Gottes vorstellt,
unterwerfen, damit er nach der Grösse der Vergehen ihm eine Strafe auflegen
kann, woraus die Absicht und Notwendigkeit der Beicht und Genugthuung erkannt
wird.
XXIII. Was hiebei eigentlich die Reue sey.
1) Von der Reue, als dem ersten Theile der Busse. 2) Was Reue sey. 3)
Widerlegung der entgegengesetzten Meinung durch die Aussprüche der Concllien und
heiligen Schrift.
I. Da man den Gläubigen den Inhalt und die Beschaffenheit dieser
Theile darlegen muss; so soll man zuerst von der Reue anfangen, und sie
sorgfältig auseinandersetzen; denn zu keiner Zeit, wenn
man sich an begangene Sünden erinnert, oder wenn man sich in irgend einem Stücke
versündigt, darf das Gemüth von Reue frei seyn.
II. Die Reue definiren die Väter im Concilium Trient so : ""Die
Reue ist ein innerlicher Schmerz und ein Abscheu vor der begangenen Sünde, mit
dem Vorsatze, in Zukunft nicht mehr zu sündigen." Und kurz nachher wird über die
Art der Reue hinzugefügt: "Sie bereitet erst dann zur Nachlassung der Sünden
vor, wenn sie mit dem Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit und mit dem
Wunsche, das Uebrige, was zum gültigen Empfange dieses Sakramentes erfordert
wird, zu leisten, verbunden ist."
III. Aus dieser Darstellung der Reue werden die Gläubigen lernen,
ihr Wesen bestehe nicht blos darin, dass Jemand zu sündigen aufhöre, oder den
Vorsatz habe, einen neuen Lebenswandel zu führen, oder ihn auch schon jetzt
führt; sondern man muss vorzüglich das schlecht dahingebrachte Leben hassen, und
sich der Busse unterziehen. Diess bestätigen die in den heiligen Schriften
allenthalben zerstreuten Ausrufungen der heiligen Väter, David sagt: Ich habe mich abgemühet in meinem Seufzen; alle Nächte wasche ich
mein Bett mit Thränen; [Ps. 6., 7.10] und:
Der Herr hat das Rufen meines Jammers erhört; und wiederum ein Anderer: Ich werde vor dir alle meine Jahre in der Trübsal meiner Seele
überdenken. [Isai. 38,15] Fürwahr diese und
andere dergleichen Ausrufungen hat ein heftiger Abscheu über das verbrachte
Leben, und eine Verwünschung der Sünden bewirkt.
XXIV. Warum von den Vätern des Conciliums die Reue ein Schmerz genannt wurde.
Eine wahre Reue ist nicht nach körperlicher Empfindung, sondern nach
dem Schmerze der Seele zu bemessen, warum die Büsser ihre Kleider wechselten.
Warum aber die Reue als ein Schmerz bezeichnet wurde, darüber sind
die Gläubigen zu belehren, damit sie nicht meinen, dieser Schmerz werde durch
körperliches Gefühl empfunden. Die Reue ist eine Handlung des Willens. Und der
heil. Augustin sagt, der Schmerz sey ein Begleiter der Reue, nicht die Reue
selbst. Die Väter aber bezeichneten den Abscheu und Hass
der Sünde mir dem Worte Schmerz, sowohl weil die heiligen Schriften sich eben
dieses Ausdruckes bedienen; denn David sngt: Wie lange werde
ich die Entschlüsse in meiner Seele haben, und den Schmerz im Herzen alle Tage?
[Ps. 12,2] als auch weil der Schmerz im
schwachem Theile der Seele, worin auch der Trieb der Begierlichkeit liegt, aus
der Reue selbst hervorgeht. Und wie nicht unpassend die Reue durch das Wort
Schmerz, bezeichnet worden ist, weil sie Sehmerz bewirkt, so pflegten auch die
Büsser, um diesen Schmerz, äusserlieh darzulegen, die Kleider zu wechseln.
Hierüber sagt der Herr beim Matthäus: Wehe dir Corozaim!
Wehe dir Bethsaida! Wären diese Wunderthaten in Tyrus und Sidon geschehen,
welche hei euch geschehen sind, sie würden in Busskleidern und Asche, Busse
gethan haben [Matth. 11,21.]
XXV. Warum der Abscheu über die Sünden von den Theologen gemeiniglich Reue genannt werde.
Ein Schmerz, der anderswoher seinen Ursprung hat, wird nicht Reue
genannt.
Mit Recht ist der Name Reue der Verabscheuung der Sünde, von der
wir reden, zur Bezeichnung der Kraft des Schmerzes gegeben worden, indem man ein
Gleichniss von körperlichen, Dingen hernahm, welche nach und nach durch einen
Stein, oder durch eine noch härtere Materie zerrieben werden; um durch diess
Wort anzuzeigen, dass unsere Herzen, welche durch Hochmuth verhärteten, durch
die Kraft der Reue zerschlagen und zerknirscht werden. Desshalb wird kein
anderer Schmerz, welcher z. B. durch den Tod der Eltern oder Kinder, oder durch
irgend ein anderes grosses Unglück verursacht wurde, mit diesem Namen
bezeichnet, sondern diese Benennung ist nur jenem Schmerze eigenthümlich, den
wir über den Verlust der Gnade Gottes und der Unschuld empfinden.
XXVI. Mit welchen Worten man ausserdem noch diesen Abscheu vor der Sünde zu bezeichnen pflege.
1) Dieser Abscheu vor der Sünde heisst auch Herzenszerknirschuing. 2}
Durchstechung des Herzens. Herzenszerreissung.
I. Auch noch mit andern Worten pflegt man die nämliche Sache zu
bezeichnen; dieser Schmerz heisst auch Zerknirschung des Herzens, weil die Heilige Schrift den Ausdruck Herz, häufig für Wille gebraucht (Hiob. 1,2; Ps. 4,3.; MAtth.5,28) Denn wie vom Herzen die Bewegung des Leibes ihren Ursprung nehmen: So lenkt und leitet der Wille alle übrigen Kräfte der Seele. Die heiligen Väter nennen sie auch eine Durchstechung des Herzens; daher sie auch den von ihnen verfassten Schriften über die Reue lieber den Titel von der Durchstechung des Herzens" gaben. Denn wie man schwulstige Geschwüre mit einem Messer öffnet, damit der darin eingeschlossene eiter herrausfliessen kann: so werden auch die Herzen gleichsam durch die Lanze der Reue eingeschnitten, damit sie das tödliche Gift der Sünde auswerfen können, weshalb sie vom Propheten Joel (2,12.13) ein Zerreisen des Herzens genannt wurde; Bekehret euch zu mir, heißt es, aus eurem ganzen Herzen, in Fasten und Weinen und Klagen, und zerreisset eure Herzen.
Dass man aber den höchsten und grüßten Schmerz über die begangenen Sünden empfinden muss, so dass kein Schmerz größer gedacht werden kann, wird leicht aus folgenden Gründen zu erweisen sein.Da nämlich die vollkommene Reue ein Akt der Liebe ist, welche aus der kindlichen Furcht entspringt: so ist klar, dass für die Liebe und die Reue derselbe Maßstab anzulegen ist. aber weil die Liebe, womit wir Gott lieben, die vollkommenste Liebe ist, so folgt daraus, dass die Reue den heftigsten Seelenschmerz im Gefolge haben muss. Denn wie Gott aufs Höchste zu lieben ist, so müssen wir auch, was uns von Gott entfremdet, aufs höchste verabscheuen. Hierbei ist auch noch der Umstand zu beachten, dass in der heiligen Schrift die Größe der Liebe und der Reue durch dieselbe Ausdrucksweise bezeichnet wird. Von der Liebe heißt es (Deut.6,5): Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen. Wiederum, was die Reue betrifft, ruft der Herr durch den PRopheten (Joel. 2,1.): Bekehret euch mit ganzem Herzen. Überdiess wenn, Gott das höchste Gut ist, das wir lieben müssen, so auch die Sünde das grösste aller Uebel ist, die die Menschen verabscheuen müssen, so folgt, dass wir aus demselben Grunde, warum wir Gott auf das stärkste lieben zu müssen bekennen, den grössten Abscheu gegen die Sünde fassen müssen. Dass wir aber Gott vor allen Dingen lieben müssen, so dass es nicht einmal erlaubt ist, um der Erhaltung des Lebens willen zu sündigen, lehren uns jene Worte des Herrn; Wer Vater oder Mutter mehr liebt, als mich, ist meiner nicht werth; [Matth. 10,37] und: Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. [Matth. 10,37] Aber auch jenes muss bemerkt werden, dass, wie, nach dem Zeugnisse des heil. Bernhard , der Liebe kein Maas und Ziel gesetzt ist (denn das Maas, Gott zu lieben, sagt er, besteht darin, ihn übermässig zu lieben), so auch kein Maas für die Verabscheuung der Sünde festgesetzt sey.
XXVII. Warum der Schmerz über die Sünden, welcher im Worte Reue enthalten ist, der größte und heftigste sein muss
Dass man aber den höchsten und grüßten Schmerz über die begangenen Sünden empfinden muss, so dass kein Schmerz größer gedacht werden kann, wird leicht aus folgenden Gründen zu erweisen sein.Da nämlich die vollkommene Reue ein Akt der Liebe ist, welche aus der kindlichen Furcht entspringt: so ist klar, dass für die Liebe und die Reue derselbe Maßstab anzulegen ist. aber weil die Liebe, womit wir Gott lieben, die vollkommenste Liebe ist, so folgt daraus, dass die Reue den heftigsten Seelenschmerz im Gefolge haben muss. Denn wie Gott aufs Höchste zu lieben ist, so müssen wir auch, was uns von Gott entfremdet, aufs höchste verabscheuen. Hierbei ist auch noch der Umstand zu beachten, dass in der heiligen Schrift die Größe der Liebe und der Reue durch dieselbe Ausdrucksweise bezeichnet wird. Von der Liebe heißt es (Deut.6,5): Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen. Wiederum, was die Reue betrifft, ruft der Herr durch den PRopheten (Joel. 2,1.): Bekehret euch mit ganzem Herzen. Überdiess wenn, Gott das höchste Gut ist, das wir lieben müssen, so auch die Sünde das grösste aller Uebel ist, die die Menschen verabscheuen müssen, so folgt, dass wir aus demselben Grunde, warum wir Gott auf das stärkste lieben zu müssen bekennen, den grössten Abscheu gegen die Sünde fassen müssen. Dass wir aber Gott vor allen Dingen lieben müssen, so dass es nicht einmal erlaubt ist, um der Erhaltung des Lebens willen zu sündigen, lehren uns jene Worte des Herrn; Wer Vater oder Mutter mehr liebt, als mich, ist meiner nicht werth; [Matth. 10,37] und: Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. [Matth. 10,37] Aber auch jenes muss bemerkt werden, dass, wie, nach dem Zeugnisse des heil. Bernhard , der Liebe kein Maas und Ziel gesetzt ist (denn das Maas, Gott zu lieben, sagt er, besteht darin, ihn übermässig zu lieben), so auch kein Maas für die Verabscheuung der Sünde festgesetzt sey.
II. Sie soll überdiess nicht nur sehr gross, sondern auch sehr
heftig und vollkommen seyn, und alle Trägheit und Fahrlässigkeit ausschliessen.
Denn im Deuteronomium heisst es: Wenn du den Herrn deinen Gott suchest, wirst du
ihn finden; aber aus deinem ganzen Herzen und mit aller Betrübniss deines
Herzens musst du ihn suchen; und bei'm Jeremias: Suchet
mich, und ihr werdet mich finden, wenn ihr mich aus eurem ganzen Herzen suchet;
und ich werde von euch gefunden werden, spricht der Herr. [Jer. 29, 13. 14.]
XXVIII. Die Reue hört nicht auf, eine wahre zu seyn, wenn auch der empfindliche Schmerz über die Sünden nicht vollkommen ist.
1) Die Reue kann auch wahr n»d nützlich seyn, wenn wir über die Sünden
keinen so grossen Schmerz empfinden, wie über äusserliche Dinge, wegen der
Schwachheit der Natur. 2} Thränen werden empfohlen.
I. Wenn wir die Reue auch nicht leicht zur Vollkommenheit bringen ,
so kann sie doch wahrhaft und wirksam seyn. Es kömmt oft vor, dass uns das, was
den Sinnen unterworfen ist, mehr angreift, als das Geistige. — Daher empfinden
Einige manchmal ein grösseres Schmerzgefühl über den Tod ihrer Kinder, als über
die Schändlichkeit der Sünde.
II. Das Nämliche gilt, wenn mit der Ritterkeit der Reue nicht
Thränen verbunden sind; doch sind diese bei der Busse sehr zu wünschen und
anzuempfehlen. Vortreffllich ist der Ausspruch des
heiligen Augustin hierüber: In dir, sagt er, ist nicht die innigste christliche
Liebe, wenn du den Körper betrauerst, aus dem die Seele geschieden ist; die
Seele aber, von der Gott geschieden ist, nicht betrauerst. Hiecher gehören die
oben angeführten Worte des Heilandes: Weh dir Bethsaida!
Wenn in Tyrus und Sidon diese Wunderthaten gesehen wären, die bei euch geschehen
sind, würden sie in Asche und Busskleidern Busse gethan haben. [Matth. 11,21] Doch zum Beweise diess sollen hinreichen
die vortrefllichen Beispiele der Niniviten, des David, der Sünderin, des
Apostelfürsten, die alle unter häufigen Thränen Gottes Barmherzigkeit anflehten,
und Verzeihung der Sünden erlangten.
XXIX. Schwere Sünden müssen in der Reue einzeln und besonders verabscheut werden
Vorzüglich müssen die Gläubigen ermahnt werden, dass sie sich
bestreben sollen, über jede Todsünde einen eigenen Schmerz der Reue zu erwecken.
So schildert Ezechias die Reue, da er sagt: Ich werde alle
meine Jahre in der Bitterkeit meiner Seele überdenken. [Isai. 38,15] Alle Jahre überdenken aber heisst die Sünden
einzeln durchsuchen, um sie von Herzen zu bereuen. Auch bei'm Ezechiel lesen
wir: Wenn der Gottlose Busse thut über alle seine Sünden ...
wird er leben. [Isai. 18,21] Über diese Worte
sagt der heilige Augustin: Der Sünder betrachte die Beschaffenheit seines
Verbrechens nach Ort, Zeit, nach Verschiedenheit, und nach der Person.
XXX. Es ist hinlänglich, überhaupt zuweilen seine Sünden zu verabscheuen.
Man muss an der Güte Gottes nicht verzweifeln, wenn wir auch keine
vollkommene Reue über die Sünden empfinden.
Hierin sollen die Gläubigen nicht an der höchsten Güte und
Sanftmuth Gottes verzweifeln; denn da er sehnlichst unsere Seligkeit wünscht, so
zögert er nicht, uns Verzeihung zu ertlheilen, sondern er umfasst den Sünder mit
väterlicher Liebe, sobald jener sich aufgemacht hbat, überhaupt seine Sünden
verabscheue, die er dann in der Folge, wenn er Gelegenheit hat einzeln in's
Gedächtniss sich zurückzurufen und von Herzen zu verabscheuen im Sinne hat, und sich zum Herrn bekehret. Gott befiehlt uns durch den
Propheten , diess zu hoffen, da er spricht: Die
Gottlosigkeit wird dem Gottlosen nicht zum Verderben gereichen, wenn er sich
immer von seiner Gottlosigkeit bekehrt. [Ezech.
38,12.]
XXXI. Was zu einer wahren Reue hauptsächlich nothwendig sey.
Es ist eine verstellte Reue, wenn man nur einige Sünden bereut.
Hieraus kann geschlossen werden, was zu einer wahren Reue
hauptsächlich nothwendig ist. Darüber muss das gläubige Volk genau unterrichtet
werden, damit jeder einsehe, wie er sie erlangen könne; und eine Regel habe,
nach der er beurtheilen kann, wie weit er noch von der Vollkommenheit dieser
Tugend entfernt sey. Erstlich ist nothwendig, alle Sünden, die wir begangen
haben, zu hassen und zu bereuen; damit wir nicht, wenn wir nur einige bereuen,
eine verstellte und geheuchelte, und nicht eine heilsame Reue erwecken. Wie der
Apostel Jakobus sprach: Wer das ganze Gesetz beobachtet,
aber in einem Stücke sündigt, ist der Uebertretung aller schuldig. [Jac. 23,10] Zweitens mit der Reue muss der Wille zu
beichten und genugzuthun verbunden seyn; hierüber wird später an seinem Orte
gehandelt. Drittens der Büssende muss sich bestimmt und fest, vornehmen, sein
Leben zu bessern. Diess lehrte uns deutlich der Prophet mit diesen Worten: Wenn der Gottlose Busse thut über alle seine Sünden, die er
begangen hat; und meine Gebote beobachtet, und Recht und Gerechtigkeit übt; wird
er leben und nicht sterben, aller seiner Verbrechen, die er begangen hat, werde
ich nicht mehr gedenken; [Ezech. 15,21.22.]
und kurz nachher:, Wenn sich dir Gottlose, von seiner
Gottlosigkeit, die er begangen hat, wegwendet, und Recht und Gerechtigkeit übt;
wird er seine Seele beleben; [Ezech. 15,27]
und nach einem kurzen Zwischenräume Bekehret euch,
und thut Busse über alle euere Ungerechtigkeiten; und es wird euch die
Ungerechtigkeit nicht zum Verderben gereichen; werfet weg von euch alle euere
Uebertretungen, in denen ihr euch vergangen habet, und schaffet in euch ein
neues Herz und, einen neuen Geist. [Ezech. 15,30,31]
Das nämliche hat auch Christus dem Weibe, welches auf dem Ehebruch
ergriffen wurde, befohlen: Gehe hin, sagte er, und sündige
nicht mehr. [Joh. 8,11] Ebenso sprach er zum
gichtbrüchigen, den er bei´m Fischteiche geheilt hatte: Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr. [Joh. 5,14.]
XXXII. Es wird gezeigt, dass zur Reue ein Schmerz über die begangene Schuld, und der Vorsatz, in Zukunft nicht mehr zu sündigen, nothwendig sey.
Die Natur und die Vernunft selbst zeigen klar, dass jene zwei
Stücke zur Reue hauptsächlich nothwendig seyen; nämlich ein Schmerz über die
begangene Sünde, und ein Vorsatz, auf der Huth zu seyn, auf dass in Zuhunft
diess, nicht mehr geschehe. Wer siceh mit einem Freunde versöhnen will, welchen
er beleidigt hat, den muss es auch schmerzen, dass er gegen ihn ungerecht und
beleidigend war, und er sich in Zukunft wohl hüten, damit er nicht in irgend
einem Dinge die Freundschaft verletze; und diese zwei Stücke müssen nothwendig
den Gehorsam zur Begleitung haben. Denn der Mensch muss sowohl dem natürlichen
und göttlichen, als auch dem menschlichen Gesetze, denen er unterworfen ist,
gehorchen. Wenn daher der Büssende einem andern etwas durch Gewalt oder List
entwendet hat, so muss er es zurückgeben; ebenso muss er jenem durch irgend eine
Gefälligkeit oder Dienstleistung Ersatz leisten, dessen Ehre oder Leben er durch
Wort oder That verletzt hat. Allgemein bekannt ist der Spruch des heiligen
Augustin: Die Sünde wird nicht nachgelassen, wenn das Gestohlene nicht
zurückgegeben wird.
XXXIII. Wir müssen Andern verzeihen, wenn wir wünschen, dass auch uns verziehen werde.
Ausserdem, was zur Reue hauptsächlich nothwendig ist, muss man sich
nicht minder sorgsam befleissen, alle Unbilden, die uns von andern angethan
wurden, zu verzeihen. Denn so ermahnt und spricht unser Herr und Heiland: Wenn ihr den Menschen ihre Vergehen verzeihet, so wird auch euch
euer himmlischer Vater euere Sünden verzeihen; wenn ihr aber den Menschen nicht
vergebet, so wird auch euch euer himmlischer Vater euere Sünden nicht vergeben.
[Matth. 6,14] Diess
müssen die Gläubigen bei der Reue beobachten. Das übrige, was hierüber die
Seelsorger leicht sammeln und lehren können, wird zwar bewirken, dass die Reue
in ihrer Art vollkommener und vollendeter werde; doch ist es nicht für so
nothwendig zu halten, dass ohne dasselbe eine wahre und heilsame Reue nicht
bestehen könnte.
XXXIV. Welches die eigentliche Kraft und der Nutzen der Reue sey.
1) Der erste Nutzen besteht darin, dass sie das sicherste Heilmittel
der Sünden ist 2) Der zweite, dass sie ein leichtes, in Bereitschaft stehendes
und heilendes Arzneimittel der kranken Seele ist.
I. Weil es die Seelenhirten nicht für hinlänglich halten sollen,
das zu lehren, was zum Heile nothwendig scheint, wenn sie sich nicht auch mit
allem Eifer und aller Sorgfalt bestreben, die Gläubigen dahin zu leiten, dass
sie ihr Leben und ihre Handlungen nach den ihnen ertheilten Vorschriften
einrichten; wird es von grossem Vortheile seyn, die Kraft und den Nutzen der
Reue öfters vor Augen zu stellen. Wenn auch die meisten andern Werke der
Gottseligkeit, wie Wohlthätigkeit gegen die Armen, Fasten, Gebet und andere
dergleichen heilige und fromme Werke, durch die Schuld der Menschen, von denen
sie ausgehen, manchmal von Gott verworfen werden; so ist ihm doch gewiss die
Reue jederzeit angenehm und wohlgefällig. Wie der Prophet sagt: Ein zerknirschtes und demütiges Herz, o Gott, wirst du nicht
verschmähen. [Ps. 50,19]
II. Der nämliche Prophet erklärt an einer andern Stelle , dass uns,
sobald wir im Herzen die Reue erweckt haben, sogleich von Gott Nachlassung der
Sünden ertheilet werde. Sie heisst: Ich sprach, ich will vor
dem Herrn meine Ungerechtigkeit gegen mich bekennen; und du hast die Bosheit
meiner Sünde nachgelassen. [Ps. 31,5] Ein
Vorbild hievon sehen wir in den zehn Aussätzigen, die unser Heiland zu den
Priestern sandte, und die, ehevor sie zu jenen hinkamen, von dem Aussatze
befreit wurden. [Luc. 17,14]
Hieraus kann man erkennen, die Kraft der wahren Reue, von der wir oben
redeten, bestehe darin, dass wir durch sie sogleich Verzeihung aller Sünden von
Gott erlangen.
XXXV. Wie man zu einer vollkommenen Reue gelange.
1) Zuerst wird Erkenntniss der Sülnde erfordert. 2) Zweitens Anklage
seiner selbst; drittens der Vorsatz zu beichten und sich zu bessern; viertens
Anrufung des göttlichen Beistandes. 3) Fünftens sehr heftiger Abscheu über die
Sünden.
I. Es wird zur Aneiferung der Gläubigen sehr viel beitragen, wenn
die Seelsorger die Art und Weise darlegen, wie man zur Uebung der Reue gelangen
kann. Daher muss ermahnt werden, dass alle ihr Gewissen oftmals erforschen, und
nachdenken, ob sie die Gebote Gottes oder der Kirche beobachtet haben.
II. Wenn Jemand sich eines Vergehens schuldig findet, soll er sich
sogleich selbst anklagen und Gott fussfällig um Verzeihung bitten, und den
Wunsch haben, er möchte ihm Gelegenheit zu beichten und genugzuthun dargeboten
werden; vorzüglich aber soll er um den Beistand der göttlichen Gnade bitten, auf
dass er in Zukunft nicht mehr in die nämlichen Sünden fallen möge, welche
begangen zu haben er innigst bereut.
III. Die Seelenhirten sollen Sorge tragen, dass in den Gläubigen
der grösste Hass gegen die Sünde rege werde, sowohl weil ihre Abscheulichkeit
und Schändlichkeit äusserst gross ist, als auch, weil sie uns den grössten
Schaden und Unheil verursacht. Denn sie entzieht uns das Wohlgefallen Gottes,
von dem wir die grössten Güter erhalten haben, und noch grössere erwarten und
erlangen können, und führt uns dem ewigen Tode zu, wo wir fort und fort die
bittersten Schmerzen und Qualen erleiden müssen. So viel von der Reue; jetzt
wollen wir zur Beicht, dem andern Theile der Busse, fortschreiten.
XXXVI. Wie vortrefflich die Beicht, und wie nothwendig ihre Einsetzung zum Heile der Christen gewesen sey.
Welch grossen Fleiss und Sorgfalt die Seelsorger auf die Erklärung
der Beicht verwenden sollen, werden sie leicht daraus erkennen, weil fast alle
frommen Menschen überzeugt sind, dass alles, was durch den allgütigen Gott von
Heiligkeit, Frömmigkeit und Gottesfurcht jetzt noch in der Kirche erhalten
worden ist, grösstentheiis der Beicht zugeschrieben werden muss; so dass sich Niemand verwundern darf, dass der Feind des
Menschengeschlechtes, wenn er darauf umgeht, den katholischen Glauben gänzlich
auszurollen, durch die Diener und Trabanten seiner Ruchlosigkeit, diese,
gleichsam die feste Burg der christlichen Tugend, mit allen seinen Kräften zu
bekämpfen sucht. Zuerst muss also gelehrt werden, die Einsetzung der Beicht sey
für uns sehr nützlich und nothwendig. Wenn wir auch zugeben, dass durch die Reue
die Sünden ausgetilgt werden; so weiss doch Jedermann, sie müsse so heftig,
feurig und brennend seyn, dass die Bitterkeit des Schmerzes mit der Grösse der
Sünden verglichen und zusammengehalten werden kann. Weil jedoch nur sehr wenige
einen solchen Grad erreichen, so folgt, dass auch nur sehr wenige in diesem
Leben Verzeihung der Sünden hoffen könnten.
XXXVII. Die Beicht vollendet die Reue.
Daher war es nothwendig, dass der barmherzige Gott auf eine
leichtere Weise für das allgemeine Wohl der Menschen Vorsorge traf, was er durch
den wundersamen Rathschluss bewirkte, dass er, der Kirche die Schlüsselgewalt
übergab. Alle müssen nach der Lehre des katholischen Glaubens bekennen und
standhaft behaupten: Wenn Jemand im Herzen so gesinnt ist, dass er die
begangenen Sünden bereut, und, den Vorsatz fasst, in Zukunft nicht mehr zu
sündigen, wenn er auch nicht einen solchen Schmerz empfindet, der zur Erlangung
der Verzeihung hinreichend seyn könnte, so werden sie ihm doch, wenn er seine
Sünden dem Priester vorschriftsmässig beichtet, durch die Schlüsselgewalt alle
Sünden nachgelassen und verziehen; so dass mit Recht die heiligsten Männer,
unsere Väter, den feierlichen Ausspruch thaten, durch die Schlüssel der Kirche
werde der Eintritt in den Himmel eröffnet. Hierüber zu zweifeln ist Niemanden
erlaubt, da wir vom Concilium zu Florenz die Entscheidung haben, die Wirkung der
Busse sey die Lossprechung von den Sünden.
Aber hieraus kann man überdiess noch entnehmen, welchen Nutzen die
Beicht bringe, weil wir die Erfahrung machen, dass denen, deren Lebenswandel
schlecht ist, zur Verbesserung der Sitten nichts zuträglicher sey, als wenn sie
öfters die geheimen Gedanken ihrer Seele, alle ihre
Thaten und Reden einem einsichtsvollen und treuen Freunde offenbaren, der ihnen
mit Rath und That an die Hand gehen kann. Aus eben diesem Grunde muss man es für
jene, welche durch das Bewusstseyn von Lastern geängstiget werden, als sehr
heilsam halten, dass sie dem Priester, als dem Stellvertreter Christi des Herrn,
dem durch das strengste Gesetz ewiges Stillschweigen auferlegt ist, die
Krankheiten und Wunden ihrer Seele entdecken; denn sie werden alsbald fertige
Heilmittel finden, welche die himmlische Kraft haben, nicht nur die gegenwärtige
Krankheit zu heilen, sondern auch die Seele so vorzubereiten, dass es in Zukunft
nicht mehr leicht seyn wird, in dergleichen Arten von Krankheit und Laster
zurückzufallen.
Auch darf jener Nutzen der Beicht nicht übergangen werden, welcher
das gesellige Leben und die Einigkeit betrifft. Denn wie bekannt ist, wird, wenn
man die sakramentalische Beicht aus der christlichen Heilsordnung wegnimmt,
alles voll von geheimen und abscheulichen Lastern seyn , die, und noch viel
grössere als diese, hernach die Menschen, verdorben durch die Gewohnheit zu
sündigen, öffentlich zu begehen sich nicht scheuen werden. Die Scheue vor der
Beicht aber legt der Begierde zu sündigen und der Ausgelassenheit gleichsam
Zügel an, und schränkt die Gottlosigkeit ein. Doch da nun der Nutzen der Beicht
dargelegt ist, so sollen die Seelenhirten lehren, welche ihre Beschaffenheit und
Kraft sey.
XXXVIII. Begriff und Beschaffenheit der sakramentalischen Beicht.
1) Die Sünden müssen, mit dem Willen, sieh anzuklagen, in der Beicht
mitgezählt werden. 2) Warum sie aufgezählt werden müssen. Das Gericht der Beicht
ist von den weltlichen Gerichten verschieden.
I. Die Beicht ist eine Anklage über die Sünden, in der Absicht
unternommen, dass wir durch die Schlüsselgewalt Verzeihung erlangen. Sie wird
mit Recht eine Anklage genannt, weil man die Sünden nicht so vortragen muss, als
wollten wir uns unserer Laster rühmen, wie diejenigen thun, welche sich freuen,
wenn sie Uebles gethan haben; auch sollen sie nicht so hergesagt werden, als
wollten wir zur Unterhaltung massiger Zuhörer irgend eine That erzählen. Sondern
sie müssen in der Absicht sich anzuklagen so aufgezahlt
werden, dass wir sie an uns selbst zu rächen wünschen.
II. Wir beichten aber die Sünden, um Verzeihung zu erlangen, weil
dieses Gericht weit verschieden ist von den weltlichen Gerichten über
Verbrechen, wo auf das Bekenntniss Züchtigung und Strafe, nicht aber
Lossprechung von der Schuld und Verzeihung des Vergehens gesetzt ist. Eben
diesen Begriff hatten die heiligen Vater von der Beicht, obschon sie ihn mit
andern Worten aussprachen. So sagt der heilige Augustin: Sie ist ein
Bekenntniss, wodurch eine geheime Krankheit in der Hoffnung der Verzeihung
geoffenbart wird. Und der heilige Gregor: Die Beicht ist eine Verabscheuung der
Sünden. Beide können auf die oben gegebene Definition der Beicht leicht
angewendet werden.
XXXIX. Warum und wann von Christus die Beicht eingesetzt worden sey.
Die Güte Gottes ist die Ursache der Einsetzung der Beicht durch
Christus. Conc. Trid. sess. 14. de poen. cap. 5. et can. 6.
Nun folgt das Wichtigste, was die Seelsorger lehren und den
Gläubigen deutlich vortragen sollen, nämlich dieses Sakrament sey von Christus
dem Herrn, welcher alles wohl und einzig um unsers Heiles willen gethan hat, aus
unendlicher Güte und Barmherzigkeit eingesetzt worden. Er hauchte die nach
seiner Auferstehung an einem Orte versammelten Apostel an, und sprach: Empfanget den heiligen Geist; welchen ihr die Sünden nachlasset,
denen sind sie erlassen, welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.
[Joh. 20,22]
XL. Aus welchen andern Schrifistelten man beweise, dass die Beicht von Christus eingesetzt sey.
Da der Herr den Priestern die Gewalt, die Sünden nachzulassen und
zu behalten ertheilet hat, so ist klar, dass er sie hierüber als Richter
eingesetzt habe. Diess schien der Herr auch anzudeuten, da er den Aposteln das
Geschäft übertrug, den vom Todten erweckten Lazarus von den Banden zu befreien,
womit er gebunden war. [Joh.
11,44] Der heilige Augustin legt diese Stelle so aus: Die Priester können mehr nützen, mehr die Beichtenden
schonen; denen sie ein Verbrechen nachlassen, lässt es der Herr nach. Der Herr
nämlich übergab den Lazarus, nachdem er ihn auferweckt hatte, durch die Apostel
den Jüngern zum Lösen der Bande, um anzuzeigen, dass den Priestern die
Lösegewalt ertheilt sey. Hieher gehört auch, dass er denen, welche auf dem Wege
von dem Aussatze geheilt worden waren, befahl, sich den
Priestern zu zeigen, [Luc. 17,14] und ihrem
Urtheile sich zu unterziehen.
XLI. Wie aus den Worten des Herrn geschlossen werde, dass den Priestern gebeichtet werden müsse, und dass sie als Richter Nachfolger der Apostel seyen.
Da also der Herr den Priestern die Gewalt, die Sünden nachzulassen
und zu behalten, ertheilet hat, so erhellet, dass er sie eben dadurch auch als
Richter aufgestellt habe. Weil aber, nach dem weisen Ausspruche der heil. Synode
von Trient, in einer Sache ein wahres Urtheil nicht gefällt, und bei Auflegung
der Strafen für Vergehen das Maas der Gerechtigkeit nicht bestimmt werden
könnte, wenn man den Rechtsfall nicht durch und durch untersucht und erkannt
hätte; so folgt daraus, dass von den Büssenden in der Beichte alle Sünden
einzeln den Priestern geoffenbaret werden müssen. Diess also sollen die
Seelsorger lehren, was von der heil. Synode zu Trient beschlossen und immer von
der kathol. Kirche ist gelehret worden. Wenn wir die heil. Väter aufmerksam
durchlesen, begegnen uns überall die deutlichsten Zeugnisse, wodurch bestätigt
wird, dass dieses Sakrament von Christus dem Herrn eingesetzt, und dass die
sakramentalische Beicht, welche sie nach dem Griechischen Enomologesis oder
Exagoreusis nennen, als evangelisches Gesetz anzunehmen sey.
Wenn wir die Bilder des alten Testamentes durchforschen, scheinen
ohne Zweifel jene mannigfachen Arten von Opfern, welche von den Priestern zur
Sühne der verschiedenartigen Sünden verrichtet wurden, sich >auf das
Bekenntniss der Sünden zu beziehen.
XLII. Zu welchem Nutzen die Kirche mit der sakramentalistischen Beicht gewisse Ceremonien verbunden habe.
So wie die Gläubigen belehrt werden müssen, die Beicht sey von
Christus eingesetzt, ebenso muss man sie auch erinnern, es seyen auf Befehl der
Kirche einige Gebräuche und feierliche Ceremonien hinzugefügt worden, die, wenn
sie auch nicht zum Wesen des Sakramentes gehören, doch seine Würde mehr erheben,
und die Gemüther der Beichtenden, von Frömmigkeit entzündet, vorbereiten,
leichter die Gnade Gottes zu erlangen. Denn wenn sie unbedeckten Hauptes zu den
Füssen des Priesters sich niederwerfen, mit zur Erde gesenktem Antlitze, bittend
die Hände aufheben, und andere Zeichen christticher Demuth, die aber zum Wesen
des Sakramentes nicht nothwendig sind, darlegen, ihre Sünden beichten, so
ersehen wir hieraus deutlich, sowohl, dass im Sakramente eine himmlische Kraft
anerkannt, als auch, dass von uns die göttliche Barmherzigkeit eifrigst gesucht
und angefleht werden müsse.
XLIII. Ohne Beicht können die, welche Todsünden auf sich haben, die Seligkeit nicht erlangen.
Nothwendigkeit, durch die Beicht die Seligkeit zu erlangen. Warum die
Gewalt, loszusprechen, mit einem Schlüssel verglichen werde. Ketzerei der
Novatianer.
Es darf Niemand glauben, die Beicht sey zwar vom Herrn eingesetzt,
jedoch sey sie nicht nothwendig. Die Gläubigen müssen für wahr halten, dass
derjenige, der eine Todsünde auf sich hat, durch das Sakrament der Beicht zum
geistigen Leben zurückgerufen werden müsse, was wir in einem gar schönen
Gleichnisse des Herrn deutlich angedeutet sehen, da er die Gewalt, dieses
Sakrament zu verwalten, die Schlüssel des Himmelreiches genannt hat. Wie Jemand
einen verschlossenen und erhabenen Ort nicht betreten kann ohne Beihilfe dessen,
dem die Schlüssel anvertraut sind: so kann auch Niemand in den Himmel eintreten,
wenn nicht von den Priestern, deren Obhut der Herr die Schlüssel übergeben hat,
die Thüren geöffnet werden. Sonst sehen wir in der
Kirche keinen Nutzen der Schlüssel; und vergeblich würde der, dem die
Schlüsselgewalt übergeben ist, Jemandem den Eintritt in den Himmel verbieten,
wenn man auch auf einem andern Wege Zutritt erhalten könnte. Diess erkannte der
heil. Augustin vortrefflich, da er sprach: Niemand sage bei sich... insgeheim,
ich thue Busse vor dem Herrn; der Herr, der mir verzeihen möge, weiss, was ich
im Herzen vorhabe... Ist also ohne Grund gesagt: Was ihr
immer auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöset seyn? [Matth. 18,18.] Sind also vergeblich der Kirche Gottes die
Schlüssel übergeben? Die nämliche Meinung sprach auch der heil. Ambrosius in
seinem Buche über die Busse aus, da er die Ketzerei der Novatianer widerlegte,
welche behaupteten, Gott allein sey die Gewalt, Sünden zu vergeben, vorbehalten.
„Wer, sagt er, verehrt Gott mehr; der, welcher seinen Geboten gehorcht, oder
der, welcher widerstrebt? Gott hat uns befohlen, seinen Dienern zu gehorchen;
wenn wir diesen gehorchen, erweisen wir Gott allein die Ehre."
XLIV. In welchem Alter und in welcher Zeit des Jahres man beichten müsse.
Da kein Zweifel obwalten kann, dass das Gesetz zu beichten vom
Herrn selbst gegeben und eingesetzt worden sey, soll man folglich darauf sehen,
wer, in welchem Alter und zu welcher Zeit des Jahres man ihm gehorchen müsse.
Zuerst erfährt man aus dem Beschlüsse des Conciliums im Lateran, der anfängt:
Omnis uiriusque genus, Niemand sey zum Gesetze der Beicht vor dem Lebensalter
verbunden, wo er den Gebrauch der Vernunft haben kann. Dieses Alter ist nicht
auf eine bestimmte Zahl der Jahre festgesetzt, sondern es ist im Allgemeinen
anzunehmen, die Kinder seyen von der Zeit an zur Beicht verbunden, wenn sie
zwi>schen dem Guten und Bösem unterscheiden können, und des Betruges fähig
werden. Wenn also Jemand im Lebensalter so weit fortgeschriltcn ist, dass er
über sein Heil nachdenken kann, dann erst ist, er schuldig, dem Priester seine
Sünden zu beichten, da auf eine andere Art Niemand, der durch das Bewusstseyn
von schweren Sünden gedrückt wird, die Seligkeit hoffen darf; Wann aber
vorzüglich gebeichtet werden soll, das hat die Kirche durch den obigen Beschluss
ausgesprochen, sie befiehlt, wenigstens einmal im Jahre sollen alle Gläubigen
ihre Sünden beichten.
XLV. Wie oft sich die Christen dieser Wohlthat bedienen sollen.
Es ist ein Zeichen von Klugheit und Frömmigkeit, öfter zu beichten.
Wenn wir betrachten, was die Rueksicht auf unser Heil erfordert, so dürfen wir die Beicht nie versäumen, so
oft entweder Todesgefahr droht, oder wir eine Sache unternehmen, deren
Behandlung einem mit Sünden befleckten Menschen nicht zusteht, z. B. wenn wir
Sakramente verwalten oder empfangen. Diess muss besonders dann beobachtet
werden, wenn wir befürchten, wir möchten eine begangene schwere Sünde vergessen.
Denn wir können Sünden, deren wir uns nicht mehr erinnern, nicht beichten, und
erlangen vom Herrn nicht Verzeihung der Sünden, wenn sie nicht das Sakrament der
Busse durch die Beicht austilgt.
XLVI. Alle Sünden müssen einzeln in der Beicht entdeckt werden.
Von den zur Beicht erforderlichen Bedingnissen und Umständen. Die
Beicht muss ganz und vollständig seyn. Trld. sess. 14. de poenit. 5. et can.
7.
Da bei der Beicht Vieles zu beobachten ist, wovon Einiges zum Wesen
des Sakramentes gehört, Anderes aber nicht wesentlich nothwendig ist, so soll
genau hierüber gehandelt werden. Es fehlt nicht an Büchern und Abhandlungen, aus
denen man die Erklärung über alles dieses leicht entnehmen kann. Vor Allem aber
sollen die Seelsorger einschärfen, bei der Beicht müsse man sorgfältig Acht
haben, dass sie ganz und vollständig sey. Man muss also alle schweren Sünden dem
Priester offenbaren. Die lässlichen Sünden, da sie uns die Gnade Gottes nicht
entziehen, und wir öfters in sie fallen, obschon es recht und nützlich ist, wie
der Gebrauch frommer Menschen zeigt, sie zu beichten, können ohne Sünde
ausgelassen und auf verschiedene andere Arten ausgesöhnet werden. Aber die
Todsünden müssen, wie oben gesagt, einzeln aufgezählt werden, wenn sie auch ganz
geheim und von der Art sind, welche in den zwei letzten Geboten Gottes verboten
werden. Denn gar oft ereignet es sich, dass diese die Seele tiefer verwunden,
als jene, welche die Menschen öffentlich zu begehen pflegen. Diess ist von der
heil. Synode zu Trient entschieden, und von der katholischen Kirche immer
gelehret worden, wie die Zeugnisse der heiligen Väter beweisen. Der heil.
Ambrosius sagt: Es kann Niemand von der Sünde gerechtfertigt werden, wenn er sie
nicht gebeichtet hat."
Der heilige Hieronymus behauptet dieses ebenfalls : Wenn Jemanden
die teuflische Schlange heimlich gebissen, und ihn, ohne Wissen eines Andern,
mit dem Gifte der Sünde angesteckt hat, und er schweigt, und thut nicht Busse,
und will seine Wunde dem Bruder oder Lehrer nicht entdecken, so wird der Lehrer,
welcher eine Zunge hat, die heilen könnte, ihm nicht nützen können. Ueberdiess
lehrt diess der heil. Cyprian in seinem Buche über die Gefallenen sehr deutlich
mit diesen Worten: „Obwohl sie in kein Verbrechen eines Opfers oder der
Auslieferung der heiligen Schriften verwickelt sind, so sollen sie doch vor den
Priestern des Herrn reumüthig das bekennen, dass sie es im Sinne hatten."
Endlich ist diess die einstimmige Meinung aller Kirchenlehrer.
XLVII. Bei der Beicht müssen die Umstände der Sünden angegeben werden.
Zweitens, erschwerende Umstände müssen geoffenharet werden. Trid. Syn.
de poen. sess. 14. c. 3. Nicht erschwerende Umstände können verschwiegen
werden.
Bei der Beicht muss jener grosse Fleiss und eine Sorgfalt
angewendet werden , wie es bei den wichtigsten Geschäften gewöhnlich ist; und
eifrigst muss man sich bemühen, um die Wunden seiner Seele zu heilen, und die
Sünde mit der Wurzel auszurotten. Nicht allein muss man die schweren Sünden
schlechthin darstellen, sondern auch die Umstände jeder Sünde angeben, die ihre
Bosheit bedeutend vergrössern oder vermindern. Denn einige Umstände sind so
wichtig, dass nur aus ihnen die Wesenheit einer schweren Sünde erhellt; daher
man diess Alles immer beichten muss. Wenn Jemand einen Menschen ermordet hat, so
muss angegeben werden, ob jener ein Geistlicher oder Laie gewesen ist. Wenn
Jemand mit einer Frauensperson fleischlich sich versündiget hat, so muss
geoffenbaret werden, ob sie ledig oder verheirathet, oder eine Verwandte oder
eine Gott geweihte Ordensperson war. Diess bestimmt auch die verschiedenen Arten
von Sünde, so dass von den Theologen das erste einfache Hurerei, das zweite
Ehebruch, das dritte Blutschande, das vierte Gottesraub genannt wird. Auch der
Diebstahl ist unter die Sünden zu zählen; wenn aber Jemand ein Geldstück
stiehlt, so sündigt er geringer, als der, welcher hundert, zweihundert oder eine grosse Menge Goldstücke, besonders aber wer
heiliges Geld gestohlen hat. Auch auf Ort und Zeit muss man Rücksicht nehmen;
Beispiele hievon sind aus vielen Büchern zu bekannt, als dass wir sie anführen
sollten. Diess also muss, wie gesagt, angegeben werden; was aber die Bosheit der
Sache nicht so bedeutend vergrößert, kann ohne Sünde ausgelassen werden.
XLVIII. Eine Beicht, in welcher vorsätzlich eine schwere Sünde verschwiegen wird, muss wiederholt werden.
Wie verderblich eine Beicht sey, in welcher etwas absichtlich
verschwiegen wird, und dass sie wiederholt werden müsse. Trid. Syn. sess. 14. de
poen. c. 5.
Die Beicht muss, wie wir oben sagten, nothwendig ganz und
vollständig seyn, so zwar, dass, wenn Jemand mit Bedacht Einiges, was angegeben
werden soll, auslässt, und nur Einiges beichtet, er aus dieser Beicht nicht nur
keinen Nutzen zieht, sondern eine neue Sünde begeht. Ein solches Hersagen der
Sünden ist keine Beicht zu nennen, in der das Wesen eines Sakramentes enthalten
ist; vielmehr muss der Büsser die Beicht wiederholen, und sich selbst jener
Sünde anklagen, dass er die Heiligkeit des Sakraments durch eine geheuchelte
Beicht verletzt habe.
XLIX. Eine Beicht, in welcher aus Vergessenheit oder geringer Fahrlässigkeit etwas ausgelassen worden ist, muss nicht wiederholt werden.
Wenn aber aus einer andern Ursache die Beicht mangelhaft ist,
entweder weil der Büsser einige Sünden vergessen, oder weil er sein Gewissen
nicht sorgfältig genug erforscht, doch aber die Absicht hat, alle Sünden
vollständig zu beichten, so ist es nicht nothwendig, die Beicht zu wiederholen;
es ist hinreichend, wenn er die vergessenen Sünden, sobald sie ihm einfallen, zu
einer andern Zeit dem Priester beichtet. Doch muss hiebei bemerkt werden, dass
wir nicht etwa zu zerstreut und nachlässig unser Gewissen erforschen, und uns so
wenig Mühe geben, die begangenen Sünden ins Gedächtniss zurückzurufen, dass es
den Anschein haben könnte, als hätten wir uns nicht einmal daran erinnern
wollen; sollte diess geschehen seyn, so muss die Beicht jedenfalls wiederholt
werden.
L. Die Beicht muss klar, einfach und deutlich seyn.
Ueberdiess muss man Sorge tragen, dass die Beicht Klar, einfach and
deutlich, nicht künstlich zusammengesetzt sey. Diess geschieht von Einigen,
welche vielmehr ihre Lebensweise darstellen, als die Sünden bekennen; die Beicht
muss so beschaffen seyn, dass sie uns dem Priester so darstellet, wie wir uns
selbst kennen, und das Gewisse muss für gewiss, das Zweifelhafte für zweifelhaft
angegeben werden. Wenn entweder die Sünden nicht aufgezählt, oder fremde, die
Sache nicht betreffende, Reden eingemischt werden, ist offenbar, dass die Beicht
dieser Eigenschaft ermangle.
LI. Die Beicht muss vorsichtig und schamhaft seyn.
Sehr vordienen die gelobt zu werden, welche bei Erklärung der
Umstände Vorsicht und Schamhaftigkeit beobachten. Man muss nicht viele Worte
machen, sondern Alles, was die Beschaffenheit oder Gattung einer Sünde betrifft,
mit wenigen Worten, welche den An>stand nicht verletzen, darlegen.
LII. Die Beicht kann nicht durch einen Dollmelscher oder schriftlich geschehen.
Der Beichtende sowohl, als der Priester müssen sehr dafür besorgt
seyn, dass ihre Rede in der Beicht geheim gehalten werde. Desshalb ist es
Niemandem erlaubt, weder durch einen Dollmetscher, noch durch einen Abgesandten,
noch schriftlich seine Sünden zu beichten, da auf diese Weise nichts geheim
gehalten werden könnte.
LIII. Dem Christen frommt es, öfter zu beichten.
Für nichts sollen die Gläubigen mehr besorgt seyn, als öfter durch
die Beicht ihre Seele von Sünden zu reinigen. Wenn
Jemand mit einer Todsünde belastet ist, so kann ihm, wegen der vielen drohenden
Lebensgefahren, nichts heilsamer seyn, als auf der Stelle seine Sünden zu
beichten; denn es wäre schändlich, wenn man nicht, da man, um sich ein langes
Leben versprechen zu können, so sorgfältig auf Reinigung des Körpers und der
Kleider Bedacht nimmt, auch die nämliche Sorgfalt anwenden wollte, damit nicht
der Glanz der Seele durch abscheuliche Sündenflecken getrübt werde.
LIV. Mit wie vielfacher Gewalt der Ausspender dieses Sakramentes versehen seyn müsse.
Nun wollen wir vom Ausspender dieses Sakramentes reden! Dass der
Priester die ordentliche oder übertragene Gewalt habe, von den Sünden
loszusprechen, erhellet deutlich genug aus den Verordnungen der Kirche; denn es
muss derjenige, welcher dieses Amt verwalten soll, nicht blos die Gewalt der
Weihe, sondern auch der Gerichtsbarkeit haben. Einen sprechenden Beweis dieses
Amtes liefern die Worte des Herrn bei'm heih Johannes: Welchen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie erlassen; und
welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten; [Joh. 20,23] dieses ist aber nicht zu Allen gesagt worden,
sondern nur zu den Aposteln, deren Nachfolger in diesem Amte die Priester sind.
Und es ist diess auch ganz folgerichtig. Da jede Gattung von Gnade, welche
dieses Sakrament ertheilt, von Christus, dem Haupte, auf die Glieder hingeleitet
wird so müssen es billig diejenigen dem mystischen Leibe Christi, d.h. den
Gläubigen, ausspenden, welche allein die Gewalt haben, den wahren Leib Christi
zu consecriren; vorzüglich da die Gläubigen durch eben dieses Sakrament der
Busse zum Empfange der heiligen Eucharistie tauglich und geschickt gemacht
werden. Mit welcher Ehrfurcht vor Zeiten in der alten Kirche das Recht des
verordneten Priesters beobachtet worden ist, kann man leicht aus den alten
Aussprüchen der Väter ersehen; durch diese ist verboten worden, dass kein
Bischof oder Priester in dem Sprengel eines Andern eine Verrichtung vorzunehmen
wagen sollte, ohne Erlaubniss dessen, der ihm vorstand; oder wenn nicht eine
unvermeidliche Notwendigkeit es erheischte. So hat es auch der Apostel befohlen,
da er dem Titus auftrug, in jeder Stadt Priester aufzustellen, [Tit. 1,5] die durch die
himmlische Speise der Lehre und der Sakramente die Gläubigen nähren und erziehen
sollen.
LV. Jeder Priester kann im Nothfalle jeden Sünder lossprechen.
Das Concilium von Trient lehrt [De poenit. sess, 14 c.7.] , dass, wenn Todesgefahr droht,
und der eigene Priester nicht zu haben ist, auf dass nicht bei einer solchen
Veranlassung Jemand zu Grunde gehe, in der Kirche Gottes die Verordnung bestehe,
jedem Priester sey erlaubt, nicht nur von jeder Gattung der Sünde, mag sie wem
immer vorbehalten seyn, sondern auch von dem Bannflüche loszusprechen.
LVI. Was für ein Beichtvater von einem Jeden, der für sein Heil besorgt ist, gewählt werden soll.
Gelehrsamkeit und auch Klugheit ist dem Beichtvater nothwendig, weil
er die Person eines Richters und Arztes vertritt.
Ausser der Gewalt der Weihe und Gerichtsbarkeit, welche
unumgänglich nothwendig sind, ist vor Allem nöthig, dass der Ausspender dieses
Sakramentes sowohl mit Wissenschaft, als auch mit Klugheit begabt sey; denn er
vertritt die Person eines Richters und Arztes zugleich. Was das Erste anbelangt,
ist hinlänglich bekannt, dass eine nicht gemeine Wissenschaft erfordert werde,
um sowohl die Sünden erforschen, als sie auch nach ihren verschiedenen
Gattungen, welche schwer oder lässlich seyen, gemäss dem Stande und Geschlechte
eines jeden Menschen beurtheilen zu können. Als Arzt aber bedarf er ebenfalls
der grössten Klugheit. Er muss sorgfältig darauf sehen , dass dem Kranken jene
Heilmittel gereicht werden, die zur Heilung seiner Seele, und zur künftigen
Verwahrung gegen die Gewalt der Krankheit am tauglichsten sind. Hieraus können
die Gläubigen erkennen, wie Jeder äusserst besorgt seyn müsse, einen solchen
Priester sich auszuwählen, welchen Unbescholtenheit des Lebenswandels,
Gelehrsamkeit und kluges Urlheil empfehlen; der auch recht wohl weiss, wie
wichtig das Amt sey, dem er vorsteht, und welche Strafe jeder Sünde entspreche,
und wer loszusprechen oder nicht loszusprechen sey.
LVII. Was man während der Beicht gehört hat, darf niemals, weder durch Worte, noch durch Zeichen, geoffenbaret werden.
Weil gewiss jeder Mensch sehr wünscht, deiss seine Sünden und
Schande geheim bleiben, so sollen die Gläubigen unterrichtet werden, es habe
Niemand einen Grund zu befürchten, das, was er in der Beicht geoffenbaret hat,
möchte jemals vom Priester einem Andern eröffnet werden, oder es mochte aus der
Beicht ihm zu irgend einer Zeit eine Gefahr entstehen. Denn die heiligen Gesetze
der Kirche haben über jene Priester die härtesten Strafen verhängt, welche die
Sünden, die ihnen Jemand gebeichtet hat, nicht ewig und gewissenhaft
verschweigen. Desshalb lesen wir im grossen Concilium im Lateran: „Es hüte sich
der Priester, dass er nicht durch ein Wort, oder Zeichen, oder auf irgend eine
andere Art einiger Massen je den Sünder verrathe."
LVIII. Was der Priester, der die Beichten Anderer anhört, vorzüglich zu beobachten habe.
1) Wie gross bei Vielen die Nachlassigkeit im Beichten sey. 2) Zuerst
soll der Priester darauf sehen, ob der Büsser wahrhaft zerknirscht sey, und den
Vorsatz habe, sich von den Sünden zu enthalten. Welche Kraft die Betrachtung
heiliger Dinge gegen die Versuchungen habe. 3) Der zu laue Busser ist zur Reue
auzueifern. Der Beichtende muss erinnert werden, dass er seine Sünden nicht
entschuldige. 4) Die thörichte Schamhaftigkeit der Büsser muss getadelt werden.
5) die träge Sorglosigkeit der Beichtenden muss gerügt werden. 6) Die falsche
Scham der Büssenden muss durch Predigten entfernt werden.
I. Da nun über den Ausspender das Nothwendige dargelegt ist, so
fordert die Ordnung, das Vorzüglichste von dem zu erklären, was beim Gebrauche
und zur Behandlung der Beicht von bedeutendem Vortheil ist. Ein grosser Theil
der Gläubigen, denen gewöhnlich nichts länger vorkömmt, als bis jene Tage,
welche durch das Kirchengebot zur Beicht bestimmt sind, verfliessen, ist so weit
entfernt von christlicher Vollkommenheit, dass sie sich kaum ihrer Sünden
erinnern, die sie dem Priester offenbaren sollten, noch auch sich um das Uebrige
bekümmern, was zur Erlangung der göttlichen Gnade die grösste Wirksamkeit
besitzt.
II. Da man also ihrem Heile mit allem Eifer zu Hilfe kommen muss,
so sollen die Priester erstens den Büsser sorgfaltig beobachten, ob er eine
wahre Reue über seine Sünden hat, und den festen Vorsatz, in Zukunft von den
Sünden sich zu enthalten. Bemerken sie nun, dass sein Gemüth so beschaffen ist,
so sollen sie ihn erinnern und ernstlich ermahnen, Gott für eine so grosse und
einzige Wohlthat den innigsten Dank abzustatten, und niemals aufzuhören, ihn um
den Beistand der himmlischen Gnade zu bitten; denn wenn er mit dieser gerüstet
ist, wird er leicht allen bösen Begierden widerstehen, und sie bekämpfen können.
Auch muss der Büsser belehret werden, er soll keinen Tag vorübergehen lassen,
ohne ein Geheimniss aus dem Leiden unsers Herrn zu betrachten, und sich selbst
zu dessen Nachfolge und innigster Liebe aufzumuntern und zu entzünden. Durch
solche Betrachtungen wird er sich täglich vor allen Versuchungen des Teufels
sicherer fühlen.
III. Nichts Anderes verursachet, dass wir so schnell, wenn auch nur
leicht vom Feinde versucht, an Leib und Seele unterliegen, als weil wir uns
nicht beeifern, aus der Betrachtung himmlischer Dinge zur göttlichen Liebe
angefeuert zu werden, wodurch der Geist erquickt und gestärkt werden könnte.
Sieht nun der Priester, dass der, welcher beichten will, keinen solchen Schmerz
üher seine Sünden habe, dass man ihn wahrhaft reuig nennen könnte, so soll er
versuchen, ein grosses Verlangen nach Reue in Ihm zu erwecken, damit er dann
durch das Verlangen nach diesem vortrefflichen Gute entflammt, dasselbe von der
Barmherzigkeit Gottes inbrünstig erflehe. Vorzüglich aber muss der Stolz
derjenigen unterdrückt werden, welche sich bestreben, ihre Sünden zu
entschuldigen oder zu verkleinern. Wenn z, B. Jemand beichtet, er habe einen
heftigen Zorn gehabt, und sogleich, die Schuld seiner Aufregung auf einen Andern
schiebt, und sich über ihn beklagt, weil er ihn zuerst beleidigt hätte, so ist
ein solcher zu erinnern, diess sey das Zeichen eines hoffärtigen Gemüthes, und
eines Menschen, der die Grösse seiner Sünde entweder geringachte, oder ganz
unwissend sey; eine solche Entschuldigung vergrössere vielmehr die Sünde, statt
sie zu entschuldigen. Wer seine That so beschönigen will, bekennt dadurch,
er würde wohl dann sanftmüthig seyn, wenn ihn Niemand beleidige; diess
ist aber eines Christen ganz unwürdig. Indem er das Loos desjenigen, sehr
bemitleiden sollte, der ihn beleidigt hat, wird er doch nicht durch die
Abscheulichkeit, der Sünde bewegt, sondern er zürnt über seinen Bruder; und
indem ihm die schöne Gelegenheit dargeboten ist, Gott durch Geduld zu verehren,
und den Bruder durch seine Sanftmuth zu bessern, wendet er verkehrt diese
Veranlassung zum Heile zu seinem Verderben an.
IV. Verderblicher aber ist die Schuld jener, die aus thörichter
Schamhaftigkeit sich ihre Sünden nicht zu bekennen getrauen. Diesen muss man
Muth zusprechen, und sie ermahnen, es sey kein Grund vorhanden, sich zu schämen,
ihre Sünden zu entdecken , und Niemand dürfe sich wundern, wenn er erfährt, dass
die Menschen sündigen, da diess eine gemeinsame Krankheit Aller, und der
menschlichen Schwachheit eigenthümlich sey.
V. Andere gibt es, die, entweder weil sie selten beichten, oder
weil sie ihr Gewissen nachlässig erforschten, nicht recht wissen, wie sie es
angehen sollen, ihre Sünden zu bekennen, noch wo sie hiebei den Anfang machen
sollen; diese muss man strenger tadeln, und vorzüglich erinnern, dass Jeder, ehe
er zum Priester hintritt, eifrigst sich bestreben müsse, seine Sünden zu
bereuen; diess aber könne auf keine Weise geschehen, wenn man sich nicht bemüht,
sich dieselben einzeln in's Gedächtniss zurückzurufen. Findet daher der Priester
solche Menschen ganz unvorbereitet, so entlasse er sie mit freundlichen Worten,
und ermahne sie, dass sie sich Zeit nehmen zur Erforschung ihrer Sünden, und
dann zu ihm zurückkommen. Sollten sie etwa behaupten, sie hätten hierauf allen
ihren Eifer und Fleiss verwendet, so sollen sie angehört werden (weil der
Priester sehr befürchten muss, sie möchten, einmal weggeschickt, nicht mehr
zurückkehren), vorzüglich dann, wenn sie einigen Eifer zeigen, ihr Lehen zu
bessern, und dahin vermocht werden können, dass sie sich ihrer Nachlässigkeit
anklagen, und versprechen, sie in Zukunft durch fleissiges und genaues
Nachdenken hereinzubringen; doch muss man hiebei sehr vorsichtig seyn. Erkennt
der Priester nach Anhörung der Beicht, dass es dem Büssenden weder an Fleiss,
seine Sünden aufzuzählen, noch an Schmerz in Verabscheuung derselben gemangelt
habe, so kann er losgesprochen werden. Bemerkt er aber, dass ihm beides fehle,
soll er ihm rathen, bei der Erforschung des Gewissens grössere Sorgfalt
anzuwenden, wie oben gesagt wurde, und ihn in aller möglichen Sanftmuth
entlassen.
VI. Weil es sich öfters ereignet, dass Frauenspersonen, die in
einer frühem Beicht eine Sünde vergessen haben, sich nicht getrauen, wiederum
zum Priester zurückzukehren, aus Scheu, sie möchten entweder bei dem Volke in
den Verdacht grosser Lasterhaftigkeit kommen, oder man möchte meinen, sie geizen
nach dem Lobe besonderer Heiligkeit, so soll oft, sowohl öffentlich, als auch in
der Beicht, gelehrt werden, Niemand habe ein so gutes Gedächtniss, um aller
seiner Thaten, Reden und Gedanken sich erinnern zu können; desswegen sollten
sich die Gläubigen durch nichts abhalten lassen, zum Priester zurückzukehren,
wenn sie sich einer Sünde erinnern, die sie vorhin vergessen hatten. Diess und
viel Anderes dergleichen soll der Priester bei der Beicht beobachten. Nun kommen
wir zum dritten Theile, welcher Genugthuung genannt wird.
LIX. Was Genugthuung überhaupt, und was sie bei der Beicht bedeute.
Vor der Genugthuung, als dem dritten Theile der Busse, und von der
Notwendigkeit, sie zu verrichten. Was Genugthuung überhaupt heisse. Was sie bei
der Busse für eine Bedeutung habe.
Zuerst soll der Name und die Wirkung der Genugthuung erklärt
werden. Denn hierin haben die Feinde der katholischen Kirche eine umfassende
Veranlassung zum Streite und Zwietracht zum grössten Verderben des christlichen
Volkes genommen. Genugthuung heisst die vollständige Bezahlung einer schuldigen
Sache; denn was genug ist, dem geht nichts mehr ab. Wenn wir von der Erwerbung
der Gnade reden, so heisst genugthun ebensoviel, als einem Andern so viel
leisten, als dem erzürnten Gemüthe zur Bestrafung der Unbild genug seyn kann.
Daher heisst Genugthuung nichts anders, als Ausgleichung des einem Andern
zugefügten Unrechtes. In Bezug auf die Busse aber haben die Kirchenlehrer diese
Benennung angewendet, um den Ersatz zu bezeichnen, da
der Mensch für begangene Sünden Gott etwas leistet.
LX. Wie viele Grade jener Genugthuung es gebe, welche einigen Ersatz für die Sünde enthält.
1) Die verschiedenen Grade und die vielfache Bedeutung der geistigen
Genugthuung. 2) Die eigentliche und volle Genugtuung muss Christo zugeschrieben
werden. 3) Sie bedeutet zweitens die sakramentalische und kanonische
Genugthuung, die in Verrichtung der vom Priester auferlegten Busse mit dem
Vorsatze, das Leben zu bessern, besteht. 4) Drittens nimmt man sie im Sinne
einer freiwilligeu Genugthuung. Trid. Syn. sess. 14 de poen. c. 8 et 9 et can.
13.
I. Weil es bei der Genugthuung viele Grade geben kann, so ist auch
die Bedeutung derselben verschieden. Die erste und vorzüglichste ist jene,
wodurch im Verhältniss zu unsern Sünden, wenn auch Gott nach strengem Rechte mit
uns verfahren wollte, überflüssig bezahlt worden ist, was wir schuldig sind.
II. So wird jene Genugthuung genannt, welche uns Gott geneigt
machte und versöhnte, und die wir einzig Christo dem Herrn verdanken, der am
Kreuze für unsere Sünden das Lösegeld bezahlte, und Gott vollkommen genug gethan
hat. Denn kein erschaffenes Wesen hatte so hohen Werth, uns von einer so
schweren Schuld zu erlösen; daher ist, "wie der heil. Johannes bezeugt, er selbst die Versöhnung für unsere Sünden; nicht nur aber für
unsere Sünden allein, sondern auch für die der ganzen Welt. [!. Joa. 2,2] Diess also ist die volle und überflüssige
Genugthuung, die dem Verhältnisse aller in dieser Welt begangenen Sünden, gleich
und ebenmässig entspricht; durch deren Gewicht die Handlungen der Menschen bei
Gott sehr viel gelten, und ohne die sie ganzlich werthlos wären.
III. Hieher beziehen sich die Worte Davids, die er, über sich
selbst nachdenkend, ausgesprochen hat:Wie soll ich dem Herrn
vergelten für Alles, was er mir gegeben hat? [Ps.
115,12] und da er ausser der Genugthuung, die er den Kelch nannte, nichts
so vieler und grosser Wohlthaten Würdiges finden konnte, fügte er bei: den Kelch
des Heiles will ich ergreifen, und den Namen des Herrn anrufen! Die zweite Art
der Genugthuung, die auch die kanonische genannt wird, wird in einer bestimmten
Zeit vollendet. Dessbalb besteht seit den ältesten Zeiten der Kirche der
Gebrauch, den Büssenden, wenn sie von ihren Sünden losgesprochen werden, eine
Strafe aufzulegen, und die Vollziehung dieser Strafe pflegte man Genugthuung zu
nennen.
IV. Unter der nämlichen Benennung wird auch jede Art von Strafe
verstanden, die wir für unsere Sünden, ohne dass sie uns gerade vom Priester
aufgelegt wird, sondern freiwillig und zu wiederholten Malen auf uns nehmen.
Diese aber gehört gar nicht zur Busse, als Sakrament betrachtet, sondern nur
jene Genugthuung muss als ein Theil des Sakramentes betrachtet werden, von der
wir sagten, dass wir sie auf Befehl des Priesters Gott für unsere Sünden leisten
müssen, mit dem, dass wir im Herzen den festen Versatz fassen, die Sünden in
Zukunft eifrigst zu meiden. Denn so haben Einige die Genugthuung verstanden:
Genug thun heisst Gott die schuldige Ehre erweisen. Dass aber Niemand Gott die
schuldige Ehre erweisen könne wenn er nicht den Entschluss fasst, die Sünden
gänzlich zu meiden, ist klar. Genugthun heisst auch, die Ursachen der Sünden
ausrotten, und ihren Einflüsterungen kein Gehör geben. Andere sprachen ihre
Meinung dahin aus , die Genugthuung sey eine Reinigung, durch die der Unrath
abgewaschen wird, der durch die Befleckung der Sünde in der Seele hängen blieb,
und durch die wir von den auf eine gewisse Zeit auferlegten Strafen, au denen
wir verbunden waren, losgesprochen werden. Bei dieser Lage der Dinge kann man
die Gläubigen leicht überzeugen, wie nothwendig es sey, dass die Busser sich
eifrig in dieser Art von Genugthuung üben.
LXI. Mit der Nachlassung der ewigen Strafe, welche der Nachlassung der Schuld folgt, wird nicht immer die zeitliche Strafe nachgelassen.
Die Sünde zieht zwei Folgen nach sich: Befleckung der Seele und Strafe.
Die ewige Strafe wird mit der Nachlassung der Schuld immer erlassen, nicht so
die zeitliche.
Die Gläubigen müssen belehret werden, dass die Sünde zwei Folgen
nach sich ziehe, Befleckung und Strafe; und obschon immer zugleich mit der
Nachlassung der Schuld auch die Strafe des ewigen Todes in der Hölle
nachgelassen wird, so erfolgt doch nicht immer wie die heilige Synode von Trient
erklärt hat, dass der Herr die Ueberbleibsel der Sünden und die zeitliche
Strafe, die man für die Sünden schuldet, nachlasse.
Deutliche Beispiele hievon liefert uns die heilige Schrift. Genesis 3, 16 — 19.
Num. 12 et 20. und an sehr vielen andern Stellen. Das leuchtendste und
berühmteste aber schauen wir an David, welcher, obwohl Nathan zu ihm gesagt
hatte: Der Herr hat deine Sünde von dir genommen; du wirst
nicht sterben, [2. Reg- 12,13] doch
freiwillig den härtesten Strafen sich unterzog, und Tag und Nacht Gott um
Barmherzigkeit anflehte mit folgenden Worten: Wasche mich
noch mehr von meiner Ungerechtigkeit, und von meiner Sünde reinige mich; denn
ich erkenne meine Bosheit, und meine Sünde steht immer vor mir. [Ps. 50, 4.5] Mit diesen Worten hat er den Herrn
angefleht, dass er ihm nicht nur das Verbrechen, sondern auch die für das
Verbrechen schuldige Strafe nachlassen, und ihn von den Ueberbleibseln der Sünde
gereinigt, in den vorigen Zustand der Reinheit und Unbescholtenheit
zurückversetzen möchte. Und obwohl er diess innigst von Gott erflehte, so hat
ihn doch der Herr, sowohl durch den Tod des im Ehebruche erzeugten Sohnes, als
auch durch den Abfall des Absalon, den er innigst liebte, bestraft, und ihn mit
andern Strafen und Drangsalen geschlagen, die er ihm vorher aufgelegt hatte.
[Exod. 32, 14. 34]
Ferner, obwohl der Herr, durch die Bitten Mosis besänftigt, dem
abgöttischen Volke verziehen hatte, so drohte er doch, er wolle eine solche
Lasterthat schwer strafen; und Moses selbst bezeugte, der Herr werde sich
desswegen sehr strenge bis in die dritte und vierte Generation rächen. Das
Ansehen der heil. Väter bestätigt, dass diess immer in der katholischen Kirche
gelehrt worden sey.
LXII. Warum der Herr durch das Sakrament der Busse dem Menschen nicht ebenso verzeihe, wie durch die Taufe.
Aus mehreren Ursachen wird im Sakramente der Busse nicht die ganze
Strafe, wie in der Taufe, nachgelassen.
Woher es komme, dass durch das Sakrament der Busse nicht die ganze
Strafe, gleichwie durch die Taufe, nachgelassen werde, hat die heil. Synode zu
Trient herrlich mit folgenden Worten erklärt: Die Beschaffenheit der göttlichen
Gerechtigkeit scheint zu erfordern, dass diejenigen, welche vor der Taufe aus
Unwissenheit gesündigt haben, anders von ihm zur Gnade
aufgenommen werden, und anders die, welche einmal von der Sklaverei der Sünde
und des Teufels befreit, und ausgerüstet mit dem Geschenke des heiligen Geistes,
wissentlich den Tempel Gottes zu schänden und den heiligen Geist zu beleidigen,
sich nicht, scheuten. Auch geziemt es sich für die göttliche Güte, dass uns
nicht so ohne alle Genugthuung die Sünden nachgelassen werden, damit wir
vielleicht, sobald es Gelegenheit gibt, die Sünden für gering haltend, gleichsam
ungerecht und lästernd gegen den heiligen Geist, in schwerere fallen, und uns
den Zorn am Tage des Gerichtes vermehren. Diese Strafen der Genugthuung halten
ohne Zweifel sehr von der Sünde ab, legen gleichsam einen Zaum an, und machen
für die Zukunft die Büsser vorsichtiger und wachsamer. Dazu kömmt, dass sie
Bezeugungen des Schmerzes seyn sollen, den wir über die begangenen Sünden
empfinden; und auf diese Weise wird der Kirche genuggethan, welche durch unsere
Laster schwer beleidigt worden ist. Wie der heil. Augustin sagt: Ein
zerknirschtes und demüthiges Herz verwirft Gott nicht. Weil aber meistens der
Schmerz des Herzens Andern verborgen ist, und nicht durch Worte oder andere
Zeichen zur Kenntniss Anderer gelangt, so sind mit Recht von den Vorstehern der
Kirche Zeiten der Busse festgesetzt worden, damit der Kirche, in welcher die
Sünden nachgelassen werden, Genugthuung geleistet werde.
LXIII. Wie durch die uns auferlegten Bussen andern Hilfe geleistet werde.
Ueberdiess lehren die Beispiele unserer Busse andere, wie sie ihr
Leben einrichten, und der Gottseligkeit nachstreben sollen. Denn wenn die
übrigen Menschen die uns für die Sünden auferlegten Bussen sehen; so erkennen
sie, dass sie in ihrem ganzen Leben sehr vorsichtig seyn und ihren vorigen
Lebenswandel verbessern müssen. Daher ist von der Kirche sehr weise beobachtet
worden, denen, welche ein öffentliches Verbrechen begangen hatten, auch eine
öffentliche Busse aufzulegen, damit die übrigen, diess fürchtend, in der Folge
die Sünden sorgfältiger meiden sollten; und diess
geschah manchmal auch bei geheimen Verbrechen, wenn sie sehr gross waren. Aber,
wie wir sagten, bei öffentlichen Sünden war es immer üblich, dass die , welche
solche begangen hatten, nicht losgesprochen wurden, ehevor sie nicht öffentliche
Busse gethan hatten. In der Zwischenzeit beteten die Seelenhirten zu Gott für
ihr Heil und ermahnten die Büssenden immerdar, das Nämliche zu thun. Hierin war
der Friiuii. in vi-heil. Ambrosius sehr besorgt. Durch seine Thränen ,
«aS.Ambro«. sojjense},rv;e]ej welche mit verhärtetem Herzen der Busse sich
nahten, so erweicht worden seyn, dass sie den Schmerz einer aufrichtigen Reue
empfanden.
Aber in der Folgezeit wurde so sehr von der Strenge der alten
Verordnungen nachgelassen und die Liebe erkaltete dermassen, dass jetzt die
Mehrzahl der Gläubigen zur Erlangung der Sündenvergebung nicht mehr den
innigsten Schmerz der Seele, und keinen Seufzer des Herzens für nothwendig
halten, sondern der Meinung sind, es sey hinlänglich, wenn man nur den Anschein
eines Reumüthigen habe.
LXIV. Durch die Busse werden wir Christo ähnlich.
Durch die Ertragung solcher Bussen erlangen wir, dass wir eine
Aehnlichkeit und ein Abbild unsers Hauptes Jesu Christi darin, [Hebr. 2,18] worin er selbst
gelitten hat und worin er selbst geprüft wurde, an uns tragen. Es kann keine
grössere Missgestalt gesehen werden, wie der heil. Bernhard sagt, als wenn unter
einem mit Dörnern gekrönten Haupte ein verzärteltes Glied wäre. Wir sind nach
dem Ausspruche des Apostels Miterben Christi; doch nur, wenn wir mit ihm leiden;
und an einer andern Stelle: Wenn wir mit ihm gestorben sind,
werden wir auch mit ihm leben; wenn wir mit ihm dulden, werden wir auch mit ihm
herrschen. [2. Tim. 2,11]
LXV. Wie nach der Barmherzigkeit Gottes bei der Sünde die Gerechtigkeit stattfinden könne.
Der heilige Bernhard behauptet, es finden sich in der Sünde zwei
Stücke; ein Flecken der Seele und eine Wunde; der Schandflecken werde zwar durch
die Barmherzigkeit Gottes ausgetilgt; jedoch zur Heilung der Wunden der Sünden
sey jene Heilart sehr nothwendig, die durch das
Gegenmittel der Busse angewendet wird. Wie flach der Heilung einer Wunde noch
Verharschungen zurückbleiben, die ebenfalls geheilt werden müssen, so bleiben
auch in der Seele, wenn ihr die Schuld verziehen ist, noch einige Ueberbleibsel,
die weggeschafft werden müssen. Diess bestätigt der Ausspruch des heil.
Chrysostomus, da er sagt: Es ist nicht genug, den Pfeil aus
dem Körper zu ziehen, auch die vom Pfeile verursachte Wunde muss geheilet
werden; so muss auch bei der Seele, nachdem sie Verzeihung der Sünde erlangt
hat, die rückgebliebene Wunde durch die Busse geheilt werden. [Hom. 80 ad pop. Antioch] Häufig lehrt uns der heil.
Augustin, bei der Busse seyen diese zwei Dinge zu beobachten: nämlich Gottes
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit; die Barmherzigkeit, welche die Sünden und die
dadurch verschuldeten ewigen Strafen nachlässt, die Gerechtigkeit, wodurch er
die Menschen mit zeitlichen Strafen bestraft.
LXVI. Durch die Busse entgehen wir den uns von Gott auferlegten Strafen.
Endlich wendet die übernommene Strafe der Busse die Ahndung Gottes
und die uns bestimmten Züchtigungen von uns ab. Diess lehrt der Apostel mit
folgenden Worten: Wenn wir uns selbst richten würden, so
würden wir nicht gerichtet werden: da wir aber gerichtet werden, werden wir vom
Herrn gezüchtiget, damit wir nicht mit dieser Welt verdammt werden. [I. Cor. 11,31] Durch diese Darstellung werden die
Gläubigen sicherlich sehr zur Uebernahme von Busswerken angefeuert.
LXVII. Woher unsere Werke sowohl verdienstlich, als auch genugthuend seyen.
Durch das Verdienst des Leidens Christi sind unsere Werke verdienstlich
und genugthuend. Conc. Trid, sess. 6. 10. 16.
Wie gross die Kraft der Busse sey, lässt sich daraus schliessen,
dass sie ganz vom Verdienste des Leidens Christi des Herrn abhängt. Von diesem
erlangen wir auch durch gute Werke jene zwei so grossen Güter, wovon das eine
darin besteht, dass wir uns den Lohn der ewigen Herrlichkeit verdienen, so dass
auch ein Trunk kalten Wassers, den wir in seinem Namen darreichen, seines Lohnes
nicht ermangelt; das andere, dass wir für unsere Sünden Genugthuung
leisten.
LXVIII. Unsere Genugthuung verdunkelt nicht die Genugthuung und das Verdienst Christi.
I. Wie heilige Verdienste auch andern nützen, und woher der grosse
Schatz der katholischen Kirche gesammelt sey. II. Ohne Gnade Gottes vollbringt
kein Mensch ein verdienstliches Werk: die Gnade aber können wir uns zugleich mit
der Sünde nicht einmal denken. Wie die Gerechten dem göttlichen Gesetze
genugthun.
I. Diess verdunkelt nicht die vollkommenste und überströmendste
Genugthuung Christi des Herrn, sondern im Gegentheile machte es dieselbe
herrlicher und glänzender. Denn die Gnade Christi erscheint um so grösser, weil
uns durch sie nicht nur das mitgetheilt wird, was er selbst, sondern auch jenes,
was er als Haupt für die Glieder durch seine heiligen und gerechten Menschen
verdient und bezahlt hat. Auf diese Weise ist klar, wie die gerechten und
frommen Handlungen gottseliger Menschen so grosses Gewicht und eine so erhabene
Würde haben. Denn Christus der Herr giesst als Haupt über seine Glieder, und als
Weinstock in seine Reben, seine Gnade über diejenigen aus, welche mit ihm durch
die Liebe geeiniget sind.
II. Diese Gnade kömmt unsern guten Werken immer zuvor, begleitet
sie, und folgt ihnen nach; und ohne sie vermögen wir auf keine Weise etwas zu
verdienen und Gott genug zu thun. So geschieht, dass den Gerechten nichts
mangelt, da sie durch Werke, welche sie durch Gottes Mitwirkung verrichten,
sowohl dem göttlichen Gesetze nach ihrem menschlichen und sterblichen Zustande
genugthun, als auch das ewige Leben, das sie, wenn sie nämlich ausgeschmückt
"mit der Gnade Gottes dieses Leben verlassen, erlangen werden, verdienen können.
Bekannt ist der Ausspruch des Erlösers: Wer aber von diesem
Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht
dürsten; denn das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine
Wasserquelle, die quillt zum ewigen Leben. [Joa.
4,15]
LXIX. Was hauptsächlich nothwendig sey, amit ein Werk wirklich die Kraft genug zu thun habe.
Zur Genugthuung werden hauptsachlich zwei Stücke erfordert; erstens
der, welcher Genugthuung leistet, muss gerecht seyn, und ein Freund Gottes. Denn
Werke, die ohne Glaube und Liebe verrichtet werden, können Gott in keinem Falle
angenehm seyn. Zweitens müssen solche Werkbe verrichtet werden, welche durch
ihre natürliche Beschaffenheit Schmerz und Beschwerde verursachen; denn da sie
ein Ersatz für begangene Sünden seyn sollen, so müssen sie nothwendig etwas
Unangenehmes haben. Doch erfolgt nicht allezeit, dass die, welche sich in
solchen beschwerlichen Werken üben, ein Schmerzgefühl empfinden. Oft bewirkt die
Gewohnheit zu leiden oder eine feurige Liebe zu Gott, dass man auch die
schwersten Leiden nicht fühlt. Doch hindert diess nicht, dass diese Werke die
Kraft der Genugthuung nicht haben sollten; da die Kinder Gottes das
Eigentümliche haben, so sehr von Liebe und Frömmigkeit zu ihm entzündet zu
Werden, dass sie, wenn sie auch von den bittersten Leiden gequält werden,
entweder fast gar kein Ungemach empfinden oder dieselben mit fröhlichem Gemütho
ertragen.
LXX. Wie viele Werke der Genugtuung es gebe.
1. Unsere ganze Genugthuung besteht im Gebet. Fasten und Almosengeben;
Trid. Syn. sess. 14. de poen. c. 13.
II. Den drei Krankheiten müssen dreierlei
Heilmittel entgegengesetzt worden. Durch die Sünde beleidigen wir Gott, den
Nächsten und uns selbst.
I. Die Seelsorger sollen lehren, dass jede Art von Genugthuung sich
hauptsächlich auf diese drei Stücke beschränke: nämlich auf Gebet, Fasten und
Almosengeben, welche den drei Gütern der Seele, des Leibes und denjenigen, die
äusserliehe Güter genannt werden und die wir alle von Gott empfangen haben,
entsprechen. Nichts aber kann zur Ausrottung aller Sünden sammt der Wurzel
geeigneter und passender seyn. Denn da Alles, was in der
Welt ist, Begierlichkeit des Fleisches, der Augen oder Hoffart des Lebens ist,
[I. Joa. 2, 16.]
II. so sieht jedermann, dass diesen drei Krankheitsstoffen eben so
viele Heilmittel, nämlich dem ersten Fasten, dem zweiten Almosen und dem dritten
Gebet ganz richtig entgegengesetzt werden. Wenn wir
überdiess diejenigen berücksichtigen, welche durch unsere Sünden beleidiget
werden, so erkennen wir leicht, warum sich die ganze Genugthuung auf diese drei
vorzüglich beziehe. Diese sind Gott, der Nächste, und wir selbst. Daher sollen
wir Gott durch Gebet besänftigen, dem Nächsten durch Almosen Genugthuung
leisten, uns selbst aber durch Fasten züchtigen.
LXXI. Haben die Leiden, welche den Menschen von aussen her zugefügt werden genugthuende Kraft?
Weil uns in diesem Erdenleben viele und mannigfache Leiden und
Drangsale treffen, sollen die Gläubigen belehrt werden, dass diejenigen, welche
mit Geduld ertragen, was auch Gott Mühseliges und Widerwärtiges schicken mag,
vielen Stoff, genugzuthun und etwas zu verdienen, erlangt haben; wer aber
unwillig und widerstrebend dergleichen Strafen erträgt, beraubt sich aller
Früchte der Genugthuung, und erduldet nur die Ahndung und Strafe Gottes, der
durch gerechtes Unheil die Sünden rächt.
LXXII. Kann Einer für einen Andern die Busse in allen ihren Theilen übernehmen?
1) Es kann Einer für einen Andern Genußthuung leisten, aber nicht
bereuen und beichten. 2) In der Genngthuung finden sich einige Früchte, die
Andern nicht mitgetheilt werden können.
I. Hierin muss die unendliche Güte und Liebe Gottes mit den
grössten Lobpreisungen und Danksagungen gepriesen, werden, weil er der
menschlichen Schwachheit verliehen hat, dass Einer für den Andern Genugthuung
leisten kann, was vorzüglich eine Eigenthümlichkeit dieses Thciles der Busse
ist. Was die Reue und Beicht betrifft, so kann Niemand statt eines Andern Reue
empfinden oder beichten; aber diejenigen, welche in der Gnade Gottes sind,
können, statt eines Andern entrichten, was Gott gebührt. Dadurch geschieht, dass
einigermassen Einer eines Andern Lasten zu tragen scheint,
[Gal. 6,2] Kein
Gläubiger kann hierüber in Zweifel schweben, da wir im apostolischen
Glaubensbekenntnisse eine Gemeinschaft der Heiligen be kennen. Denn da wir Alle
durch die nämliche Taufe abgewaschen, Christo wiedergeboren werden, und an den
nämlichen Sakramenten Theil nehmen , besonders aber da wir durch den Leib und
das Blut desselben Christus des Herrn, als durch eine Speise and ein Getränk
erquickt werden; so beweiset diess ganz klar, dass wir Alle Glieder des
nämlichen Leibes sind. Wie also der Fuss nicht blos seines, sondern auch des
Nutzens der Augen wegen seinen Dienst verrichtet, und wie es sich nicht blos auf
ihren eigenen Vortheil bezieht, dass die Augen sehen, sondern auf den
gemeinsamen Nutzen aller Glieder; für so gemeinschaftlich unter uns müssen auch
die Werke der Genugthuung gehalten werden.
II. Doch ist diess nicht durchgehend wahr, wenn wir auf alle
Vortheile, die aus ihr geschöpft werden, Rücksicht nehmen; denn die Werke der
Genugthuung sind auch Arzneien und Heilmittel, welche den Büssenden zur Heilung
der bösen Begierden der Seele vorgeschrieben werden; dieses Nutzens aber sind
diejenigen, die nicht selbst genugthun, offenbar beraubt. So viel soll von den
drei Theilen der Busse, von der Reue, der Beicht und der Genugthuung weitläufig,
und deutlich erklärt werden.
LXXIII. Ob derjenige losgesprochen werden dürfe, welcher eine gestohlene Sache nicht zurückstellen will.
Die Priester müssen vorzüglich, nach angehörtem Sündenbekenntnisse,
ehevor sie den Büsser von seinen Sünden lossprechen, genau Acht haben, dass er,
wenn er etwa dem Nächsten an seinen Gütern oder an der Ehre geschadet hat,
welcher Sünde wegen er mit Recht verdammt werden kann, sattsam Genugthuung
leiste; denn Niemand darf losgesprochen werden, der nicht ehevor verspricht,
zurückzugeben, was einem Andern gehört. Da es aber Viele gibt, von denen es,
obwohl sie es hoch und theuer versprechen, doch gewiss und ausgemacht ist, dass
sie niemals ihr Versprechen halten: so müssen sie zur Rückerstattung gezwungen
werden; man muss ihnen oft jenen Ausspruch des des apostels einschärfen Wer gestohlen hat, der stehle nun nicht mehr; vielmehr stoll er
arbeiten, und ein nützliches Handwerk treiben, damit er etwas habe, um dem
Nothleidenden beizustehen. [Ephes. 4,28]
LXXIV. Was für eine Genugthuung dem Büsser aufgelegt werden soll.
In Auferlegung der Strafe der Genugthuung sollen die Priester nicht
nach Willkühr verfahren, sondern in Allem nach Gerechtigkeit, Klugheit und
Frömmigkeit sich richten. Damit aber die Sünden nach dieser Regel beurtheilt
werden, und die Sünder die Schwere ihrer Vergehen besser erkennen, wird es der
Mühe werth seyn, ihnen manchmal vorzustellen, welche Bussstrafen für einige
Sünden nach der Vorschrift der alten Canonen, die man Busscanonen nannte,
auferlegt wurden. Das Maass der Genugthuung im Allgemeinen wird das Verhältniss
der Schuld angeben. Doch unter allen Arten von Genugthuung ist es am
zuträglichsten, den Büssern aufzutragen, dass sie an gewissen und bestimmten
Tagen sich auf das Gebet verlegen, und für alle Menschen, besonders aber für die
im Herrn Verstorbenen, zu Gott beten.
Man muss sie aber auch ermahnen, die vom Priester auferlegten
Busswerbe Öfter und freiwillig vorzunehmen und zu wiederholen, und ihren
Lebenswandel so einzurichten, dass sie nach sorgfältiger Verrichtung alles
dessen, was zum Sakramente der Busse gehört, doch nie im Eifer, Busse zu wirken,
nachlassen. Sollte manchmal auch wegen eines öffentlichen Aergernisses eine
öffentliche Busse auferlegt werden müssen, und sie der Büssende verweigern und
verbitten, so soll er nicht leicht gehöret werden, sondern man muss ihm rathen,
sie willig und getrost auf sich zu nehmen, was sowohl ihm als auch Andern
heilsam seyn wird. Diess soll von dem Sakramente der Busse und seinen einzelnen
Theilen so gelehret werden, dass es nicht nur die Gläubigen vollkommen
verstehen, sondern auch, mit Gottes Beistand, wirklich fromm und gewissenhaft es
auszuüben sich vornehmen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen